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Der Diesel-Schandfleck

Trotz des Skandals Diesel-Gate sind Dieselfahrzeuge nach wie vor die beliebtesten Autos Europas. Und obwohl sich Regierungen und Öffentlichkeit zunehmend über die Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung bewusst werden, sind nur schleichende Veränderungen an diesem Trend erkennbar.

Veröffentlicht am 12 Februar 2018 um 14:22

Kein anderer Kontinent wurde so sehr vom Diesel bezwungen wie Europa. Österreich, Italien, Luxemburg, Irland, Portugal, Schweden und Spanien sind die Länder, in denen Dieselfahrzeuge noch immer die Nase vorn haben: Selbst bei Neuwagen liegt die Zahl der Autozulassungen bei über 50 Prozent. In Frankreich, Belgien und Griechenland ist diese Zahl nur geringfügig niedriger. Im Vergleich dazu wird in den USA nur drei von hundert Personenfahrzeugen mit einem Dieselmotor betrieben.

Warum sind Dieselfahrzeuge auf dieser Seite des Atlantiks so beliebt? Die Gründe sind vielfältig: Erstens ist Dieselöl wesentlich kostengünstiger. Zweitens ist die Verbrennungsgeschwindigkeit bei Dieselmotoren niedriger (was zu einer höheren Effizienz führt). Drittens ist das Angebot in Europa viel grösser, insbesondere dank der von deutschen Herstellern gefertigten Fahrzeuge. Darüber hinaus wurde die Kraftfahrzeugsteuer im vergangenen Jahrzehnt in 17 EU-Ländern an Kohlendioxid-Emissionen gekoppelt, und Steuervergünstigungen für Dieselfahrzeuge (mit niedrigeren Emissionsergebnissen) gewährt. Letzteres machte die Verwendung von Diesel sogar noch kostengünstiger.

Aus genau diesem Grund stiegen zwischen 2004 und 2014 allein im Vereinigten Königreich rund zehn Millionen Autofahrer von Benzin auf Diesel um. Als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2012 über die negativen Nebenwirkungen der Dieselmotoren berichtete, stellte sich heraus, dass sie zwar 15 Prozent weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, dafür aber viermal mehr Stickstoffdioxid (NO2) – ein zehnmal schädlicheres Gas als Kohlenmonoxid, das zwanzigmal mehr mikroskopische Stoffe enthält: Den sogenannten Feinstaub (Particulate Matter, kurz PM), der Krebs verursacht. Dadurch sind die durch Dieselkraftstoff verursachten Gesundheitskosten zehnmal höher als jene benzinbetriebener Fahrzeuge. So begann der Umsatz in Europa seit 2012 nach jahrelangem Wachstum erstmals eine Talfahrt.

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Die ohnehin rückläufigen Zahlen der Dieselfahrzeuge wurden durch den im Herbst 2015 losbrechenden Volkswagen-Abgasskandal (Diesel-Gate) nur noch schlechter. Um die strengen Abgasprüfungen in den USA, und insbesondere Kalifornien, zu bestehen, hatte die Volkswagen AG bei elf Millionen Fahrzeugen eine Software installiert, die Messverfahren erkannte, und den Ausstoß von Stickstoffoxiden (NOX) für die Dauer der Prüfungen um das bis zu vierzigfache reduzierte. Dieses, vom International Council on Clean Transportation (Internationaler Rat für sauberen Verkehr, kurz ICCT) aufgedeckte Verfahren, hatte seit sechs Jahren angedauert. Nach der Veröffentlichung dieser Enthüllungen fiel die Volkswagen-Aktie in nur wenigen Tagen um ein Drittel, und in vielen Ländern wurden gerichtliche Ermittlungen gegen das Unternehmen eingeleitet.

Das Ausmaß des Skandals hat dem Ruf des Dieselkraftstoffs extrem geschadet. Bereits im darauffolgenden Jahr – 2016 – brachen die Diesel-Verkäufe in Europa um 4,1 Prozent ein. Wer war der Gewinner? Der Hybridantrieb (hauptsächlich Benzin-/Elektroantrieb). Im ersten Halbjahr 2017 stiegen die Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr um 54 Prozent. Auch Elektroautos gewinnen von Jahr zu Jahr an Terrain, auch wenn der niedrige Basis-Effekt noch sichtbar ist. Die Ausnahme stellt Norwegen dar, das im vergangenen Jahr zum weltweit ersten Land wurde, in dem mehr elektrische Autos und Hybridfahrzeuge verkauft wurden (52 Prozent) als Autos mit Verbrennungsmotoren.

Im Segment der hochwertigen Fahrzeuge (82 Prozent der Umsätze) und Geländewagen halten sich Dieselmotoren aber nach wie vor ganz oben auf der Liste, auch wenn sie bei letzteren schrittweise durch Hybridantriebe ersetzt werden. 2016 wurden 41 Prozent aller Personenkraftwagen auf europäischen Straßen mit Dieselkraftstoff, 54 Prozent mit Benzinmotoren betrieben. In Lettland ist der prozentuale Anteil von Dieselfahrzeugen mit 69 Prozent am höchsten. In Luxemburg liegt er bei 66 Prozent, in Frankreich bei 64 Prozent. Benzinbetriebene Autos haben mit 95 Prozent in Griechenland, 89 Prozent auf Zypern, und 73 Prozent in Ungarn das Sagen. In Polen gibt es zweimal mehr Dieselfahrzeuge (58 gegenüber 28 Prozent), sowie die höchste Rate an mit Flüssiggas betriebenen Fahrzeugen (13,5 Prozent LPG-Autos). In dieser Kategorie liegt Polen weit vor Italien (9,6 Prozent) und Bulgarien (6,8 Prozent).

##Verbrennungsmotoren noch immer führend##

In Europa waren 2016 ganze 95 Prozent der 15 Millionen zugelassenen Personenkraftwagen mit benzin- oder dieselbetriebenen Verbrennungsmotoren ausgestattet. Bei nur 177.000 handelte es sich um mit LPG (Propan-Butan-Flüssiggas), CNG (Erdgas) oder E85 (Ethanol) betriebene Fahrzeuge. Ferner wurden 90.795 elektrische Fahrzeuge angemeldet (d. h. drei Prozent mehr als im Vorjahr), sowie 112.999 Autos mit Plug-in-Hybrid-Antrieb (was einem 17-Prozent-Zuwachs entspricht). Die Zahl der gewöhnlichen Hybriden lag bei 303.506 (plus 29 Prozent). Insgesamt wurden europaweit 690.000 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben (also einer anderen als nur der innermotorischen Verbrennung) zugelassen. Zwar sind dies nicht einmal fünf Prozent der Gesamtzahl, aber immerhin 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

In Polen kommt der Markt für Elektroautos gerade erst in Gang. 2016 wurden 164 Fahrzeuge verkauft. Mit Plug-In-Hybriden waren es 556. Die Zahl der gewöhnlichen Hybriden wächst deutlich schneller: 2016 wurden 10.000 zugelassen. Im ersten Halbjahr 2017 waren es bereits 8.500. Und obwohl 64 Personen 2016 einen Tesla erwarben (was einem Anstieg von über 300 Prozent entspricht), wird es in Polen noch mindestens zwei oder drei Jahrzehnte dauern, bis der Wechsel von Verbrennungsmotoren hin zu emissionsfreien Fahrzeugen vollzogen sein wird.

##Ner Neuenwagenverkauf in Europa##

Jährlich sind es zwischen vier und acht Prozent. Das war die Wachstumsrate des europäischen Pkw-Markts der vergangenen drei Jahre. Unter den Spitzenreitern befindet sich Polen mit einem zweistelligen Wachstum (17 Prozent im vergangenen Jahr, d. h. 483.200 Fahrzeuge). Einen noch höheren Anstieg verzeichnen – mit 20 Prozent – nur die Niederlande.

Die europäische Lieblings-Marke? Volkswagen, mit 1.696.950 verkauften Autos. Das Lieblings-Modell? Golf, und zwar bereits im zehnten Jahr auf dem Spitzenplatz. Und obwohl seine Verkaufszahlen 2017 um elf Prozent gesunken sind, hält sich der Golf als klarer Marktführer (mit 25.000 verkauften Einheiten). An zweiter Stelle steht Ford Fiesta, und an dritter Renault Clio – wie bereits zwei Jahre zuvor. Die Plätze 4, 5 und 6 bleiben ebenfalls unverändert: Volkswagen Polo, Opel/Vauxhall Corsa und Nissan Qashqai.

Der in Polen produzierte Opel Astra verbesserte sich vom 16. Platz im Jahr 2015 auf den 7. Platz im Jahr 2017. Vor zwei Jahren erschien er in einer völlig neuen Version und führte zehntausende Neukunden in Versuchung. Während der Astra 2015 in keinem einzigen europäischen Land zu den fünf meistverkauften Autos gehörte, hat er es seither in vier Ländern nach ganz oben geschafft: In den Niederlanden, Finnland, Deutschland und Polen. Bei seinem langjährigen Konkurrenten – dem Golf – verhält es sich ganz anders: 2015 gehörte er in ganzen elf Ländern zu den Top-Fünf, und stand in fünf von ihnen sogar auf Platz 1. Heute hat er nur noch in drei Ländern die Nase vorn: Österreich, Deutschland und Norwegen. Im Gegensatz dazu ist der Golf in Dänemark, Spanien, den Niederlanden, Finnland und Lettland aus der Top-Five-Bestseller-Liste ausgeschieden.

Norwegen ist das weltweit einzige Land, in dem die meistverkauften Fahrzeuge Elektroautos sind. Der BMW i3 steht hier auf Platz 2 (den zwei Jahre zuvor das Tesla Modell S innehatte), der Nissan Leaf auf Platz 4.

Die Europakarte und die lokalen Marktführer spiegeln den nationalen Patriotismus’ der Kunden wider: Tschechen, Franzosen, Deutsche, Schweden und Italiener entscheiden sich gewöhnlich für Fahrzeuge, die in ihren eigenen Ländern hergestellt wurden. Schaut man sich das Umsatzvolumen an, wird deutlich, dass letztere viel mehr am Fiat Panda hängen, als die Deutschen am VW Golf. Im vergangenen Jahr lag der Zulassungsanteil des Golfs bei 28,9 Prozent aller in Europa verkauften Volkswagen. Dennoch gibt es Automarken, von denen ein bestimmtes Modell einen wesentlich größeren Anteil am Gesamtumsatz einnimmt. Beispielsweise Lexus mit dem Modell NX (40 Prozent), SsangYong mit Tivoli (53 Prozent), DS mit Modell 3 (59 Prozent), Mini mit Mini (65 Prozent), Jeep mit Renegade (74 Prozent), Alfa Romeo mit Giulietta (63 Prozent), Infiniti mit Q30 (60 Prozent), und Lancia Ypsilon mit dem einzigen Modell dieser Marke (100 Prozent).

##Marktführer und Nachzügler der Europäischen Automobilindustrie##

Im Jahr 2016 lag die weltweite Automobilproduktion bei 95 Millionen. Davon fiel ein Drittel auf China (35 Prozent), und ein Viertel auf Europa (24 Prozent). Mit einer Produktionsmenge von 5,8 Millionen Einheiten ist Deutschland der europäische Marktführer. Anschließend folgen Spanien mit 2,4 Millionen, Großbritannien mit 1,7 Millionen, Frankreich mit 1,6 Millionen, die Tschechische Republik mit 1,3 Millionen, die Slowakei mit 1 Million, die Türkei mit 950.000, Italien mit 715.000 und Polen mit 550.000. Ungarn, Rumänien, Belgien, Schweden und Slowenien, sowie Portugal und Österreich reihen sich nach Polen ein. Als Automobilhersteller steht Polen weltweit auf Platz 21, europaweit auf Platz 9.

Wie verhält es sich mit dem Umsatz? Deutschland produziert mehr Autos als die Deutschen kaufen (3,7 Millionen Neuzulassungen, weltweit Platz 4). Anders verhält es sich mit Großbritannien (mit 3,1 Millionen und Platz 6), und Frankreich (2,5 Millionen, Platz 7). 2016 stand Polen mit 500.000 Fahrzeugen auf der weltweiten Rangliste der größten Automärkte auf Platz 25. Ferner verzeichnet Polen im europäischen Vergleich das höchste Pkw-Durchschnittsalter (mit 16,6 Jahren, d.h. sechs Jahre mehr als der europäische Mittelwert). Und daran wird sich auch nichts ändern, bis das Zentrale Fahrzeugregister in Ordnung gebracht wird. Bisher ist es voll von „toten Seelen“.

Im Bezug auf die Beschäftigung in der Automobilindustrie reiht sich Polen mit 169.000 Berufstätigen hinter Deutschland (250.000 Personen), und Frankreich (178.000 Personen) ein. Dies ist geringfügig weniger als Polens Gesamtzahl an Bergarbeitern (171.000), und etwas mehr als die Zahl der Ärzte (164.000). In einem Land, das im Pkw-Segment keine eigene Marke besitzt, ist die Beschäftigungsrate folglich erstaunlich hoch.

Hinsichtlich der Marktanteile der unterschiedlichen Automobilmarken hat sich in den vergangenen zehn Jahren extrem viel verändert. Zwischen 2006 und 2015 hat Dacia den europaweit größten Kundenzuwachs zu verzeichnen (190 Prozent-Wachstum von 0,9 auf 2,6 Prozent). Es folgen Porsche (bis zu 150 Prozent), Jeep und Land Rover (100 Prozent), Mini (85,7 Prozent) und Kia (80 Prozent).

Die höchsten Verluste registrieren dagegen Alfa Romeo (minus 56 Prozent), Honda (minus 50 Prozent), Lancia (minus 45 Prozent) und Citroën (minus 33 Prozent).

##Wissen Sie wo ihr Auto hergelstellt wurde?##

Sehen die Leute Toyota, denken sie: Japan. Falsch! Die meisten in Polen verkauften Modelle werden in Europa gefertigt: Aygo in der Tschechischen Republik. Avensis in Großbritannien. Yaris in Frankreich. Corolla und C-HR in der Türkei. Allein das Modell RAV4 stammt aus Japan. In der Türkei werden der Renault Clio, der Fiat Tipo und Hyundai i20 hergestellt. Der Hyundai i30 wird in der Tschechischen Republik und Südkorea erzeugt. Die Opel-Produktion ist dagegen weit verstreut: Der Corsa-Dreitürer und Insignia werden in Deutschland hergestellt, der Corsa-Fünftürer in Spanien, der Mokka X in Südkorea, und der Astra im Vereinigten Königreich (Fünftürer und Sports Tourer), sowie Polen (Fünftürer, GTC und Sedan). Kia Cee’d und Sportage werden in der Slowakei gefertigt, und der Suzuki Vitara in Ungarn. Mazda ist dagegen weniger kosmopolitisch: Die Mehrheit seiner in Polen verkauften Modelle stammen aus Japan.

Cet article est publié en partenariat avec the European Data Journalism Network

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