In China steht ein Retter bereit

Die Eurozone sucht finanzielle Unterstützung in Schwellenländern, allen voran China. Diese Vorstellung lässt viele Europäer erschauern. Für die offizielle Pekinger Tageszeitung Global Times dürfte die bevorstehende Vereinbarung jedoch “zivilisiert” ausfallen.

Veröffentlicht am 28 Oktober 2011 um 15:02

Die europäischen Staats- und Regierungschefs vereinbarten gestern eine Reduzierung der Schulden Griechenlands. Sie hoffen, dass kapitalstarke Länder außerhalb der EU den Rettungsplan mitfinanzieren werden. China verfügt über die größten Devisenreserven und wurde so zum privilegierten Ziel.

Das industrialisierte Europa wendet sich mit der Bitte um Finanzierung an China. Sowohl aus europäischer als auch aus chinesischer Sicht stimmt da etwas nicht. Manche Europäer meinen, dass Europa noch nicht so weit ist, bei China betteln zu müssen. Allgemein ist man der Ansicht, die EU sollte China auffordern, Finanzierungshilfe zu leisten, ohne dem Land andere Vorteile zu gewähren. In China wird heftig diskutiert. Viele verstehen nicht, warum China Europa aus der Patsche helfen soll, wo im eigenen Land die Stadt Wenzhou in einer Schuldenkrise steckt.

China und Europa sind nicht so dicke Freunde, dass das eine Land ohne zu zögern dem anderen die Hand reichen würde, wenn es in einer Krise steckt. Im Moment kalkulieren beide. Darüber hinaus macht die öffentliche Meinung alles noch komplizierter. Auf beiden Seiten sind unprofessionelle Analysten vor allem bestrebt, dem um sich greifenden Populismus zu schmeicheln.

Märkte müssen sich öffnen

Es ist durchaus möglich, dass die Höhe der Beteiligung Chinas am Rettungsplan der Eurozone auf der Grundlage gemeinsamer Interessen und gegenseitigem Misstrauen zwischen den beiden Parteien festgelegt wird. China wird nicht unparteiisch bleiben, da die Interessen des Landes angesichts der Globalisierung eng mit Europa verbunden sind.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Andererseits wird China für Europa aber auch keine “große Überraschung” bereithalten. Sogar wohlhabendere Volkswirtschaften der Eurozone sind zurückhaltend, wenn es um die Unterstützung Griechenlands geht. China kann als Außenstehender kein Problem lösen, das nur die Länder der Eurozone selbst beheben können.

Wenn die EU wirklich finanzielle Unterstützung von China will, sollte sie in Betracht ziehen, dem Land verstärkt ihre Märkte zu öffnen und China als Marktwirtschaft zu akzeptieren. Sollte sie der Meinung sein, dass derartige Vereinbarungen das nicht wert sind, wird China sie nicht dazu zwingen.

Die Chinesen halten es für unsinnig, den Rettungsplan der Eurozone mit der Schuldenkrise der Stadt Wenzhou in Verbindung zu bringen. Ersterer ermöglicht die Nutzung der chinesischen Devisenreserven, die nicht eingesetzt werden können, um ein Unternehmen in Wenzhou zu retten, dessen Manager geflohen sind.

Europa ist ein Geizhals

Als Weltmacht sollte China anderen Ländern helfen, die unter Krisen oder Katastrophen zu leiden haben. China sollte verstehen, dass ein Land, das nur in seinem eigenen Interesse handelt und keine moralischen Verpflichtungen zu kennen scheint, sich unbeliebt macht.

Aber die Europäer sollten auch über sich selbst nachdenken, wenn sie China als Geizhals tadeln. Sie diskriminieren das chinesische System und möchten keine Technologie in das Land exportieren. Wenn chinesische Unternehmen europäische übernehmen, wird vor Ort sofort die öffentliche Meinung laut. Die Europäer fürchten, China könnte zu viel von ihnen lernen und erfolgreicher werden. Sie möchten sich nur auf ihren Lorbeeren ausruhen und immer die Führung übernehmen.

Mit dieser Mentalität wirkt Europa wie ein Geizhals. Die chinesische Beteiligung am europäischen Rettungsplan sollte nicht zu stark politisiert werden. Es sollte eine zivilisierte Vereinbarung zustande kommen, denn die stillschweigend zugrunde liegenden Regeln sind beiden beteiligten Parteien bestens bekannt.

Aus dem Englischen von Angela Eumann

Widerspruch

Und die Menschenrechte?

Europa “flirtet mit dem Drachen”, um die Eurozone zu retten, titelt Gazeta Wyborcza. Die Warschauer Tageszeitung fürchtet jedoch, dass das die Europäer teuer zu stehen kommen könnte. “Europa setzt seine ganze Hoffnung auf China – das Land mit den meisten Hinrichtungen weltweit, das seine Dissidenten in Arbeitslager schickt. Ein Staat, in dem Tibetaner und Uiguren verfolgt werden und wo man das Internet zensiert.”

“Die Staats- und Regierungschefs der EU, die sich darauf verlassen, dass China den EFSF stärkt, sollten eine einfache Frage beantworten”, wünscht Gazeta Wyborcza. “Wenn sie [Chinas] Milliarden akzeptieren, um Griechenland oder Italien zu retten, werden sie dann immer noch den Mut haben, Menschenrechtsverletzungen in Tibet oder Xinjiang zu verurteilen? […] Europa könnte Angst bekommen, dass Peking ein Machtwort spricht, oder könnte sich einfach dumm vorkommen, da man nicht um Hilfe bittet und gleichzeitig [dem Helfer] die Leviten liest.”

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema