Abweichler und Problemfälle der Nicht-Eurozone

Weil sich die Krise der Eurozone verschärft, versuchen die Nicht-Mitglieder Mittel und Wege zu finden, um die Kontrolle über ihr Schicksal in der EU nicht zu verlieren.

Veröffentlicht am 10 November 2011 um 14:15

Die zehn Nicht-Euro-Länder der Union — von Großbritannien bis zur Tschechischen Republik —unterscheiden sich gewaltig. Doch in diesen Zeiten der Euro-Krise prüft man dennoch allenthalben, ob und wann man eines Tages die Gemeinschaftswährung einführen sollte.

Wie soll man den Wunsch des tschechischen Ministerpräsidenten Petr Nečas deuten, der in seinem Land ein Referendum über die Einführung des Euro organisieren will? Als "Triumph der Vernunft" oder als "Dolchstoß" für Angela Merkel, der Retterin des Euro? Die tschechische Republik muss ihre Rolle innerhalb der Krise, die Europa durchquert, erst noch finden. In dieser Hinsicht ist es interessant, die unterschiedlichen Ansätze zu dieser Frage europaweit unter die Lupe zu nehmen.

Vereinfacht gesagt, gibt es innerhalb der zehn EU-Länder, die nicht der Eurozone angehören, vier Gruppen: Jene, die sich offen gegen eine Einführung des Euro aussprechen (Großbritannien, Dänemark und Schweden); jene, die ihn gerne einführen wollen, aber die Beitrittskriterien noch nicht erfüllen (Litauen, Lettland und Bugarien); jene, die überzeugte Pro-Europäer sind (Polen) und zu guter Letzt die "Problemländer", die wegen ihrer wackligen Wirtschafts- und Haushaltslage noch nicht einmal an diese Möglichkeit zu denken wagen (Rumänien und Ungarn).

Bisher zählte die tschechische Republik zur zweiten Gruppe. Doch heute ändert sie die Fahrtrichtung und bewegt sich immer mehr auf die erste Gruppe zu. London und Kopenhagen haben einen Sonderstatus ausgehandelt: Sie wurden von der Pflicht befreit, den Euro einzuführen. Schweden besitzt nicht diesen Status, sondern gehört seit dem Sieg des "Neins" beim Referendum über die Einführung der Gemeinschaftswährung im Jahr 2007 zu den Gegnern des Euro.

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Angst vor dem europäischen Abseits

Dennoch könnte man die jüngste Erklärung des schwedischen Ministerpräsidenten, sein Land könne sich am Rettungsschirm für Griechenland beteiligen, obwohl es nicht dem Euro angehört und somit keinerlei Verpflichtung besteht, als Angst deuten, ins europäische Abseits befördert zu werden.

Die Angst, nicht mehr Herr in seinem eigenen Land sein zu können, beflügelt die Debatten in Dänemark, einem Land, das als euroskeptischstes EU-Land nach Großbritannien abgestempelt wird. Dabei weisen Beobachter immer wieder darauf hin, dass Dänemark schon seit langem de facto ein indirektes Mitglied der Eurozone sei. In der Tat hängt die Entwicklung der dänischen Krone eng mit dem Euro zusammen. In dieser Hinsicht ist die Lage vergleichbar mit dem, was mit den Währungen der Euro-Beitrittskandidaten in den zwei Jahren vor Einführung der Gemeinschaftswährung geschieht.

Anträge auf eine Volksabstimmung sind in der heutigen EU eher eine Seltenheit. Jüngst gab es diese nur in zwei Ländern: Lettland und Polen. Im Falle Polens wurde diese Position vom Chef der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit, Jarosław Kaczyński, verteidigt, der die letzten Wahlen gegen den pro-europäischen Ministerpräsidenten Donald Tusk verloren hat.

Lettland befand sich vor zwei Jahren in einer Lage, die mit der Griechenlands heute durchaus vergleichbar ist. Das Land war in gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und EZB und IWF zwangen es zu drastischen Maßnahmen. Gehälter und Sozialleistungen wurden in einer Größenordnung um die zehn Prozent gekürzt. Die Regierung führte neue Steuern ein und erhöhte bereits bestehende. Zahlreiche Beobachter sagten eine Explosion von Nationalismus und anti-europäischem Ressentiment voraus. Doch nichts von dem ist eingetroffen. Zumindest bis jetzt.

Mangelnde Solidarität mit der Schuldenunion

In der tschechischen Republik ist man weit von derlei Überlegungen entfernt. "Ein zeitnaher Beitritt in die Eurozone wäre ein Unding. Die Währungsunion ist zu einer Schuldenunion geworden, und ich wüsste nicht, warum ich für die Schulden anderer aufkommen sollte", wiederholte in jüngster Zeit gerne der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas.

Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass Nečas sich noch nicht zum radikalen Anti-Europäer gewandelt hat, so, wie ihn der tschechische Präsident Vaclav Klaus verkörpert. "Er zeigt einfach mit dem Finger auf die Tatsache, dass eine EU-Mitgliedschaft mit immer höheren Kosten verbunden ist und dass für ein kleines Land wie die tschechische Republik eine langsamere Integration wünschenswerter ist."

In keinem anderen Land außerhalb der Eurozone wird so gesprochen, mit Ausnahme Ungarns. "Es ist von der EU kein schnelles Wachstum zu erwarten. Ungarn muss seinen eigenen Weg gehen", erklärte kürzlich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der — muss man daran noch erinnern? — innerhalb der Union allgemein als Autokrat gilt und dessen Regierung Ungarn an den Rand Europas bugsierte. (j-s)

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