Griechenland und Italien, zwei parallele Schicksale

Ob in Athen oder Rom: Die gewählten Regierungschefs wurden von der Krise weggefegt und durch Technokraten ersetzt, deren Hauptaufgabe darin bestehen wird, jene von Brüssel und den Finanzmärkten geforderten Sparpläne umzusetzen, an denen die Vorgänger gescheitert sind.

Veröffentlicht am 11 November 2011 um 14:59

Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise und nach einer ganzen Reihe von miserablen politischen Entscheidungen, vor allem ihrer jeweiligen Ministerpräsidenten, kommen die Nicht-Politiker ins Spiel. Hier in Griechenland ist es der Ex-Zentralbankchef Lucas Papademos. In Italien, welches als nächster potentieller Notfall der Eurozone und der Schuldenkrise gilt, ist es ähnlich: Ein ehemaliges Mitglied der Europäischen Kommission mit guten Beziehungen zum europäischen Bankensektor soll die Regierung übernehmen. Frappierende Ähnlichkeiten. In beiden Fällen ist die Politik gescheitert, die Krise in den Griff zu bekommen.

In Griechenland hat die Regierung des Sozialisten Giorgos Papandreou, auch wenn sie sich den Forderungen der europäischen Kreditgeber komplett gefügt hat, das Vertrauen des Volkes verloren, vor allem nach der — letztlich wieder zurückgenommenen — Entscheidung des scheidenden Ministerpräsidenten, ein Referendum organisieren zu wollen.

Berlin, Paris und Brüssel geben den Ton an

Berlin, Paris und Brüssel haben die Gunst der Stunde genutzt und eine Zusammenarbeit der beiden großen Volksparteien unter der Federführung eines Technokraten eingefordert, da sie den Politikern nicht mehr über den Weg trauen. Mit seinem Referendums-Vorschlag hat sich Papandreou ins Abseits katapultiert. Sein Rivale, Oppositionsführer Andonis Samaras von der Neuen Demokratie, zögerte zunächst, hin- und hergerissen zwischen seinen persönlichen Ambitionen und dem Drängen seiner politischen Basis, doch er hat seine anfängliche Haltung aufgegeben und wird die Entscheidungen der Regierung Papademos bedingungslos unterstützen, deren Amtszeit — so wurde von beiden Parteien vereinbart — bis zum kommenden Februar dauern wird.

Doch tritt eine neue Realität ans Licht. Die Regierung Papademos muss den Haushalt 2012 verabschieden und das Abkommen vom 27. Oktober ratifizieren, welches einen Schuldenerlass von 50 Prozent und neue Sparmaßnahmen vorsieht. Es ist nicht sicher, ob ihm dies bis zum Ende seines Mandats gelingen wird. Die Unterstützung der Europäer hat er. Sie trauen ihm wohl am ehesten zu, das Abkommen zu ratifizieren. Und auch gegen eine verlängerte Amtzeit hätten sie keine Einwände.

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Natürlich hängt dies alles vom innenpolitischen Klima und vom Appetit oder Ränkespiel der Parteien, der Parteichefs und Abgeordneten ab. Doch hat sich bereits viel verändert und es ist nicht ausgeschlossen, dass Papademos es schaffen kann. (j-s)

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