Ausschnitt aus dem Wandgemälde der Norwegers Per Krohg im Sitzungssaal des UN-Sicherherheitsrats. Foto: UNO

EU will ins Allerheiligste

Das Ziel der neuen Regierung in Berlin ist nicht mehr der Erhalt eines ständigen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für Deutschland, sondern eines Sitzes für die Europäische Union. Bis es so weit ist, erklärt der ehemalige italienische UN-Botschafter Francesco Paolo Fulci, wie die EU bei den Entscheidungen des Sicherheitsrats mehr ins Gewicht fallen kann.

Veröffentlicht am 15 Oktober 2009 um 12:34
Ausschnitt aus dem Wandgemälde der Norwegers Per Krohg im Sitzungssaal des UN-Sicherherheitsrats. Foto: UNO

Der Spiegel kündigt an, das Programm der neuen deutschen Koalitionsregierung aus Christdemokraten und Liberalen sehe vor, dass sich Deutschland bei den Vereinten Nationen nicht mehr um einen eigenen ständigen Sitz im Sicherheitsrat bemüht, sondern vielmehr um einen ständigen EU-Sitz.

Beruft man sich auch auf den Vertrag von Lissabon – der eine einheitlichere, konsistentere europäische Außenpolitik erwägt –, könnte man eigentlich sofort damit anfangen, langsam und schrittweise die Grundlagen für diesen EU-Sitz im UN-Sicherheitsrat einzurichten (das vereinte Europa wurde übrigens nach demselben Prinzip aufgebaut). Derzeit bedient sich die Europäische Union als Sprachrohr bei den Vereinten Nationen – ob in der Generalversammlung, den Kommissionen, dem Sicherheitsrat, dem Wirtschafts- und Sozialrat usw. – immer (oder fast immer) des Mitgliedsstaats, der gerade den turnusgemäßen EU-Vorsitz führt. Von den informellen Zusammenkünften des Sicherheitsrats, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit in einem kleinen, Nichtmitgliedern streng verbotenen Nebenraum des Sitzungssaals abgehalten werden, ist sie hingegen völlig ausgeschlossen. Für jeden Mitgliedsstaat des Sicherheitsrats sind hier nur der Botschafter und zwei Delegierte zugelassen. In diesem winzigen Raum, der auch als "Allerheiligstes" bekannt ist, werden abseits der indiskreten Blicke 99% der Beschlüsse des Sicherheitsrats entschieden.

Sich auf eine gemeinsame Position einigen

Warum bittet man also nicht den jeweiligen EU-Mitgliedsstaat, der für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied in den Sicherheitsrat gewählt wird – derzeit Österreich –, in seine Delegation einen hohen Funktionär des Landes aufzunehmen, das gerade den EU-Vorsitz führt – ab dem 1. Januar 2010 also Spanien? Der spanische Diplomat würde somit im "Allerheiligsten" des Sicherheitsrats direkt hinter dem österreichischen Botschafter sitzen. Europa könnte – durch das vorsitzführenden Land – den Ablauf der vom Sicherheitsrat behandelten Fragen unmittelbar verfolgen. Und wenn es zu einer bestimmten Frage einen gemeinsamen europäischen Standpunkt gibt, dann könnte der spanische Vertreter – mit Zustimmung des österreichischen Botschafters – diesen Standpunkt ausdrücken und somit Europa das Wort geben, während Entschlüsse ausgearbeitet werden, die Krieg und Frieden in der ganzen Welt betreffen.

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Die Zustimmung Österreichs und Spaniens ist natürlich zur Bestätigung einer derartigen Entscheidung erforderlich. Es gibt jedoch schon einen Präzedenzfall: Seit einigen Jahren haben Argentinien und Brasilien ein Abkommen geschlossen. Wenn eines der beiden Länder in den Sicherheitsrat gewählt wird, reiht sich ein hoher Diplomat des anderen Landes in die Delegation ein und umgekehrt. Kann Europa nicht versuchen, diesem Beispiel zu folgen?

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