Fimszene aus "Der Tod des Herrn Lazarescu" des rumänischen Regisseurs Cristi Puiu. © Mandragora Movies

Auf Doktorfang in Bukarest

Die derzeit in Bukarest stattfindende Messe für die Beschäftigung des medizinischen Fachpersonals im Ausland bietet Ländern mit hohem Ärztemangel wie Großbritannien, Frankreich, Österreich, den Niederlanden oder Schweden, die Gelegenheit, die fehlenden medizinischen Mitarbeiter anzuwerben. Sie bieten ihnen Gehälter und Mittel an, die mit den Verhältnissen in Rumänien nicht vergleichbar sind.

Veröffentlicht am 16 Oktober 2009 um 15:25
Fimszene aus "Der Tod des Herrn Lazarescu" des rumänischen Regisseurs Cristi Puiu. © Mandragora Movies

Die zweimal jährlich in den wichtigsten mittel- und osteuropäischen Städten stattfindendeMesse ist ein Tummelplatz für westliche Länder, die hier mit unschlagbaren Preisen rumänische Mediziner anwerben: Sie bieten Monatsgehälter zwischen 2.000 und 3.000 Euro (wie zum Beispiel der größte Klinikbetreiber Deutschlands, die Asklepios-Kliniken-Gruppe), gegen 300 Euro in Rumänien. In Skandinavien und Großbritannien können Fachärzte mit Gehältern zwischen 10.000 und 12.000 Euro rechnen. Stellenvermittlungsagenturen aus einem knappen Dutzend europäischer Länder, aber aus auch Australien und Neuseeland, haben ihre Teilnahme an der Messe zugesagt. Die Messe wird von MediPharm Careers, einem polnischen Stellenvermittlungsunternehmen für medizinisches Fachpersonal, und Hearty Europe LLC (einer amerikanischen, auf Medizintourismus spezialisierten Firma), in Zusammenarbeit mit Houston NPA (Kommunikation) veranstaltet und am 16. und 17.

Oktober auf dem Gelände der medizinischen Fakultät Carol Davila in Bukarest abgehalten. Dies ist die Gelegenheit für Länder wie Großbritannien, Irland, Dänemark, Norwegen, Schweden, die Niederlande, Österreich, Frankreich, Malta oder Spanien, erfahrene rumänische Ärzte, aber auch Assistenzärzte anzuwerben. Zu den gefragtesten medizinischen Fachgebieten gehören Anästhesiologie, Notfallmedizin, Psychiatrie, Allgemeinchirurgie und Kinderheilkunde. "Die Neuheit dieser Messe ist die direkte Teilnahme der ausländischen Arbeitgeber und nicht nur der Vermittlungsagenturen", erklärt Simona Oprea von Houston NPA. Nächste Woche zieht die Messe weiter nach Cluj-Napoca, am 23. und 24. Oktober in der medizinischen Fakultät der Universität Iuliu Haţieganu.

Enthusiamus scheitert an fehlenden Mitteln

Mihai Lesaru, 30, ist Facharzt für Radiologie am Fundeni-Krankenhaus in Bukarest. Nach einer mehrmonatigen Fachausbildung in Frankreich und in der Schweiz ist er in seine rumänische Heimat zurückgekehrt, um das Gelernte hier anzuwenden. "Im Ausland merkt man erst, was man eigentlich wert ist", erklärt er, bevor er der Jugend Auslandsaufenthalte ans Herz legt, vor allem der Erfahrung wegen. "In der Schweiz verdient ein Assistenzarzt zwischen 3.000 und 6.000 Euro, in Frankreich zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Doch es geht nicht nur um das Geld. Es ist auch eine Frage der Arbeitsmittel und -annehmlichkeiten."

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Als er wieder in Rumänien war, ging es mit den Problemen los: "Ich bin voller Enthusiasmus in mein Land zurückgekommen, mit dem Gedanken, hier etwas aufzubauen. Doch ich bin auf Schwierigkeiten gestoßen, die alle Grundlagen unseres Berufs unterhöhlen. Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass man an renommierten Krankenhäusern wie am Fundeni in Bukarest mit ganz banalen Problemen konfrontiert sein kann, wie etwa einer mangelnden Ausstattung an Gesundheits- oder Narkosemitteln. Ich wage gar nicht, daran zu denken, was wohl in den kleinen Krankenhäusern des Landes passiert."

Rumänische Krankenhäuser an der Überlebensgrenze

Während die rumänischen Ärzte das Land verlassen, angelockt von den Verheißungen des Westens, blutet das rumänische Medizinsystem aus. In zahlreichen Krankenhäusern fehlen chirurgische Geräte, ebenso wie Arzneimittel und Verbandsmaterial. Auf Lager bleiben oft nur noch Kompressen, medizinischer Alkohol und Jod. Die Ärzte bezahlen das medizinische Zubehör aus eigener Tasche. Die eingelieferten Patienten müssen oft selbst die Medikamente kaufen, die sie im Krankenhaus brauchen. In Rumänien gibt es gynäkologische Kliniken, in denen rissige Wände, Schimmelpilze, Kakerlaken und funktionsunfähigen Toiletten keine Seltenheit sind.

In örtlichen Krankenhaus von Cluj-Napoca, im Westen des Landes, wurden geplante chirurgische Eingriffe wegen fehlender Mittel abgesagt. Die Krankenhausleitung erklärt, es sei nicht mehr genug Geld vorhanden, um ausreichende Mengen an medizinischem Zubehör zu garantieren. Das Haus hat Schulden im Wert von 14,5 Millionen Lei (ca. 3 Mio. Euro) angehäuft.

GESUNDHEITSSYSTEM

Liebe Patienten, bitte haben Sie Geduld.

"Was richtet mehr Schaden an? Die Krankheit oder das System", fragt die Dilema Veche im Dossier "Patient in Rumänien" über die Missstände des Gesundheitssystems. Hier erfährt man unter anderem, dass in den letzten beiden Jahren 5.000 Ärzte das Land verlassen haben, und dass der kostenlose Notruf "Wo tut es weh?", der im Januar 2009 vom Gesundheitsministerium eingerichtet wurde, monatlich über 2.500 Anrufe verzeichnet. "Die Patienten werden in qualmigen Arztpraxen vergessen, sie sterben infolge von Fehlbehandlungen, die Krankenwagen kommen zu spät oder überhaupt nicht... In einem Land, in dem die Rechte der Patienten ignoriert werden, kämpft man als kranker Mensch zugleich gegen sein eigenes Leiden und gegen ein mangelhaftes Gesundheitssystem", schließt die Zeitschrift.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema