Die Zukunftsperspektiven einer Nordischen Union wären sicher glänzend, unter der Bedingung, dass sie das Licht der Welt erblickt. Die fünf skandinavischen Länder [Dänemark, Finnland, Island Norwegen, Schweden] haben immerhin zusammen mehr als 25 Millionen Einwohner und 2006 entsprachen ihre Bruttoinlandsprodukte mehr als 1200 Milliarden Dollar [umgerechnet 800 Milliarden Euro]. Damit ist die skandinavische Region direkt hinter Kanada und Spanien und weit vor Brasilien und Russland, die zehntstärkste Wirtschaftsmacht der Welt.
Es wäre wirklich an der Zeit, diese Union zu schaffen. Die letzte Finanzkrise scheint sowohl die internationale politische Zusammenarbeit als auch die gegenseitige Kontrolle verstärkt zu haben. In einem solchen Kontext ist es von entscheidender Bedeutung, an den wichtigen internationalen Verhandlungen teilzunehmen. Die Nordische Föderation bekäme ohne Zweifel ihren Platz in den meisten der hohen Instanzen.
Politische Stärke aus wirtschaftlicher Macht
Ebenso hätte jedes der skandinavischen Länder bessere Chancen, wenn seine Wirtschaft sich auf die Unterstützung der Nachbarländer stützen könnte. Momentan sind die kleinen Länder oftmals stark von einem oder mehreren Wirtschaftszweigen abhängig. So führte der Zusammenbruch der Sowjetunion in Finnland zu großen Schwierigkeiten. Heute ist besonders die schwedische Automobilindustrie von der Krise betroffen. Solange jedes Land allein agieren muss, kann es immer wieder zu Tiefschlägen kommen. In Finnland besteht die Wirtschaft fast ausschließlich aus dem Unternehmen Nokia und der Forstwirtschaft, Norwegen besitzt sogar nur eine ganz schwache Industrie. Ein Zusammenschluss gäbe diesen heterogenen Ländern Stabilität und den jungen Menschen der Region mehr Möglichkeiten in ihrer Berufswahl.
Ohne Zweifel wird es mehrere Generationen dauern, bis der europäische Zusammenschluss Realität wird. Eine Nordische Union könnte wohl energischer die Werte und Interessen des Nordens verteidigen. Außerdem wären die politischen Verantwortlichen der Region sicher eher bereit, für die Europäische Union zu arbeiten, wenn Schlüsselstellungen in der Kommission oder im Parlament auch für sie in Reichweite wären. Aber wie ist das zu erreichen?
Ein Bund mit Parlament
Es wäre undenkbar, und sicher auch nicht wünschenswert, sofort einen einheitlichen Staat anzustreben, denn die Besonderheiten jedes Landes machen gleichzeitig seinen Wert aus. Es wäre also besser, zunächst eine aus den fünf Ländern bestehende Gemeinschaft zu gründen.
Diese Nordische Union sollte zunächst von den Regierungen ausgehandelt werden und wenn auch sofort keine Einigung erzielt werden würde, so sollten zumindest alle Länder mit am Tisch sitzen. Mit der Zeit würde man vielleicht auf eine Föderation hinarbeiten, bestehend aus einem Zweikammersystem mit einem proportional nach transnationalen Listen gewählten Unterhaus und einem Senat, bei dem die Größe des Landes bei der Sitzverteilung eine untergeordnete Rolle spielt.
Die Föderation hätte ein gemeinsames Oberhaupt. Die [dänische] Königin Margrethe II. scheint eine selbstverständliche Wahl zu sein, denn ihr Name spricht für sich: sie wäre der zweite Souverän jedes Landes, jener der Union. Und wenn die anderen damit nicht einverstanden sind, könnte dieser Posten zwischen den Mitgliedsländern rotieren, wie beispielsweise in Malaysia, wo sich sieben Sultane an der Spitze der Föderation abwechseln. Der Verwaltungsapparat sollte allerdings nicht dem Rotationsprinzip unterliegen.
Entscheidender Faktor Sprache
Die Sprache ist einer der entscheidendsten Faktoren dieser Union, aber auch ein Problem. Eine Lösung könnte das Erlernen einer zweiten Nordischen Sprache ab dem ersten Schuljahr sein. Es dürfte auch ausreichen, alle offiziellen Dokumente in zwei Sprachen zu veröffentlichen, zum Beispiel in Finnisch und einer anderen skandinavischen Sprache, auch wenn das Isländisch sehr schwer erscheint.
Ich halte dieses Projekt für durchaus realisierbar, besonders nachdem die schwedische Arroganz in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat. Heute ist die norwegische Wirtschaft die Stärkste, Finnland ist bei Forschung und Modernisierung am weitesten fortgeschritten und Dänemark hat am schnellsten die mit der wirtschaftlichen Umstrukturierung zusammenhängenden Probleme lösen können. Die Politiker von heute könnten die Kalmarer Union [Union der Königreiche Schweden, Norwegen und Dänemark von 1397 à 1524] wieder auferstehen lassen. Die Aufgabe wäre auf politischer Ebene kolossal, aber ich denke, es würde sich lohnen. Besser spät als nie!
EINSPRUCH
Die Nordische Union, ein Hirngespinst
Für den Politikwissenschaftler des Dänischen Instituts für Internationale Studien (Danish Institute for International Studies) Hans Mouritzen, ist die Idee einer nordischen Union unrealistisch. Mouritzen ist überzeugt, dass es zwischen den skandinavischen und den baltischen Ländern zu viele Meinungsverschiedenheiten gibt. Die größten Unterschiede lassen sich in den Bereichen Außen- und Verteidigungspolitik beobachten. Aber auch im Bereich der Ökonomie gibt es Interessenkonflikte. Die Fischereiwirtschaft ist hier ein typisches Beispiel. Mouritzen geht sogar noch weiter und behauptet, dass Schweden sich aus historischen Gründen davor hütet, eine Union mit der dänischen Monarchie zu bilden, weil diese die Region bis zur 1523 errungenen Unabhängigkeit beherrschte.
Doch schenkt man den Ideen von Staatenbündnissen oder engeren Verbindungen zwischen einzelnen Ländern nicht nur im Norden immer mehr Beachtung, sondern auch im Süden des europäischen Kontinentes. Rzeczpospolita berichtet über die umstrittene "Iberische Union" zwischen Portugal und Spanien, für die sich 40 % der Portugiesen und 30 % der Spanier in Meinungsumfragen aussprechen. "Durch ein Bündnis mit Spanien könnten wir aus dem Schatten hervortreten und uns selbst Europa, dem Mittelmeer und Frankreich gegenüber öffnen", meint der an der Lissabonner Universität arbeitende Politikwissenschaftler Joao Guerreiro. In den Balkanländern scheint die Sehnsucht nach dem ehemaligen Jugoslawien weit verbreitet zu sein. Sogar die Slowenen, die erste der ehemaligen Volksrepubliken, die der EU und der NATO beigetreten ist und die den Euro eingeführt hat, hegt dieses Verlangen. Eine vergleichbare Stimmung herrscht in der Tschechischen Republik und der Slowakei, die seit 1993 getrennt sind. "Die Mehrheit der Tschechen und Slowaken hätten gern ein Bündnis gehabt. Die Politiker haben aber anders entschieden", beobachtet der Chefredakteur der slowakischen Tageszeitung SME, Matusz Kostolny.