Bild: Presseurop, Sanyam Sharma, Cleopatra

Das Wort hat der Kollege... Costa del Sol

Die französische Volksvertretung hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das den Auslandsfranzosen in den Parlamentswahlen von 2012 eigene Abgeordnete zusichert. Der in Madrid ansässige Autor Giles Tremlet ist der Meinung, die britische Diaspora, mit über einer Million Auslandsbriten allein in Spanien, brauche durchaus eine Repräsentation – sowohl in der Heimat als auch in den neuen Wohnländern.

Veröffentlicht am 3 November 2009 um 14:26
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Es mag seltsam klingen, doch es ist an der Zeit, dass das britische Unterhaus auf einer seiner Bänke einen Platz für "den Abgeordneten der Costa del Sol" reserviert. Dieser einst unmöglich scheinende Gedanke wirkt heute, dank Präsident Sarkozys Entscheidung, im französischen Parlament elf Sitze für Auslandsfranzosen einzuführen, nicht nur vernünftig, sondern sogar naheliegend. Wenn die Franzosen aus South Kensington ihren eigenen Abgeordneten haben dürfen, warum dann nicht die Briten aus Malaga, Alicante und Teneriffa?

Rund eine Million Briten leben ganzjährig bzw. einen Großteil des Jahres in Spanien. Davon sind 352.000 bei den spanischen Behörden als Ansässige gemeldet. Hunderttausende von Briten leben in anderen EU-Staaten. Wer die britische Heimat in den letzten 15 Jahren verlassen hat (die überwiegende Mehrheit) darf in Großbritannien wählen. Die meisten machen sich jedoch gar nicht die Mühe. Dies ist kaum verwunderlich.

Die Stimmenabgabe muss per Post an den letzten britischen Wohnsitz geschickt werden. Das ist ungerecht. Was scheren sie sich, wenn sie denn überhaupt Bescheid wissen, um Krankenhäuser, Postämter und geplante Verkehrskreisel, die tausend Meilen weit weg liegen? Es ist auch ungerecht gegenüber den Bürgern, die in diesen Wahlbezirken leben.

Britische Bürger im Ausland haben ihre eigenen Probleme. In Spanien sorgen sie sich um ihre Renten, ihre Gesundheitsansprüche, die bürokratischen Schwierigkeiten eines Rückzugs in die Heimat und die (unerschwinglichen) Kosten der Konsularleistungen. Viele jener, die unter den katastrophalen Auswirkungen des schwachen Pfundes leiden, sähen Großbritannien gerne in der Eurozone. Viele weitere haben Probleme mit örtlichen Wohnungsverordnungen, die – wie sie betonen – gegen EU-Gesetze verstoßen. Diese Menschen hätten gerne, dass die britischen Abgeordneten und die britische Regierung ihre Probleme ernst nehmen. Ohne einen Abgeordneten, den man direkt ansprechen kann, stehen ihre Chancen für die erhoffte Aufmerksamkeit jedoch äußerst schlecht.

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Das Wahlrecht ist der Globalisierung nicht gemäß

Großbritannien regt sich über die Immigration auf, hat jedoch mit der Emigration nichts am Hut. Sollte es aber. Jedes Jahr ziehen rund 200.000 Briten ins Ausland, so eine Studie vom Institute for Public Policy Research. Etwa zehn Prozent aller Briten, also 5,5 Millionen Menschen, wohnen außerhalb der Landesgrenzen. Ausländische Regierungen kümmern sich viel mehr um diese Emigranten als es die britische Regierung je getan hat. Wir haben ein Europa ohne Grenzen erschaffen, ermutigen die Leute dazu, in anderen Ländern zu reisen, zu leben und zu arbeiten, doch wir haben unser Wahlsystem diesen Bedingungen nicht angepasst. Eine ganze Generation junger Berufstätiger ist ebenfalls ins Ausland gezogen, um dem natürlichen Weg der globalisierten Wirtschaft zu folgen. Auch sie werden in Westminster von niemandem vertreten.

Ich habe im letzten Jahr viele Leute zur Idee der "Diaspora-Abgeordneten" befragt. Abgeordnete und Diplomaten, mit denen ich sprach, zeigten sich besorgt über die Auswirkungen auf die Auslandsbeziehungen – in diesem Fall zu Spanien. Man stelle sich einen Abgeordneten vor, der sein halbes Leben damit zubrächte, sich bei den spanischen Behörden über die Probleme der Auslandsbriten zu beschweren. Das bringt uns natürlich zu einer anderen möglichen Lösung. Warum sollten in Europa lebende Briten nicht bei den Wahlen ihres Wohnlandes mitstimmen dürfen? Bedauerlicherweise scheinen weder Großbritannien noch andere europäische Länder dies zu wollen. Das Resultat: Ich lebe in Madrid und zahle Steuern an den spanischen Staat, habe jedoch keinerlei Einfluss darauf, wie diese Steuergelder ausgegeben werden.

Und darin liegt wieder ein anderes Problem. Denn nicht nur darf ich bei den spanischen Landeswahlen nicht wählen, sondern ich habe auch, da ich seit mehr als 15 Jahren im Ausland lebe, in Großbritannien kein Wahlrecht mehr. Ich zahle Steuern, aber ich darf nicht wählen. Was wird da aus "keine Besteuerung ohne Repräsentation"? Andere Länder (etwa Deutschland, wie ich glaube) erlauben ihren Staatsbürgern, bis zum Tod weiter zu wählen, ganz gleich wo sie leben. Wir beschweren uns ständig über die Wahlmüdigkeit und die niedrigen Wählerzahlen. Es gibt einen einfachen Weg, die Teilnahme an den Wahlen anzukurbeln. Es würde reichen, ein paar hunderttausend Wählern in Spanien einen eigenen Abgeordneten zu geben.

VERTRETUNG

Abgeordnete in drei europäischen Ländern

Elf Abgeordnete für 1.270.000 im Ausland lebende Franzosen. Das von der französischen Regierung initiierte Projekt sieht die Bildung von regionalen Bezirken vor. Sechs von ihnen sind in Europa geplant, damit die Ausgewanderten einen direkt gewählten Vertreter bestimmen können, der mit ihrem Wohnort verbunden ist. Dies ist nämlich bei den momentan schon existierenden zwölf ausländischen Senatoren nicht der Fall.

In Frankreich ist diese Maßnahme zwar neu, in Europa ist sie aber keineswegs eine Premiere. Die Italiener, die Rumänen und die Portugiesen, die außerhalb ihrer Grenzen wohnen, wählen schon lange Vertreter: zwölf Abgeordnete und sechs Senatoren für Italien, vier Abgeordnete und zwei Senatoren für Rumänien und vier Abgeordnete für Portugal. Die elf Millionen im Ausland lebenden Griechen haben einen Vize-Minister, der mit der Diaspora beauftragt ist, während der Posten des Ministers für die Italiener der Welt, den Silvio Berlusconi 2001 geschaffen hat, seinen Amtsaustritt 2006 nicht "überlebt" hat.

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