Athen, 12. Februar, nahe dem Parlament. Ein Demonstrant sucht Schutz hinter einer improvisierten Barrikade.

Noch ein Schritt ins Leere

Von gewalttätigen Protesten begleitet hat das griechische Parlament ein neues, von EU und IWF verordnetes Sparprogramm beschlossen. Aber damit sind die Probleme nicht aus der Welt. Die Griechen bleiben im Ungewissen über ihre Zukunft.

Veröffentlicht am 13 Februar 2012 um 15:26
Athen, 12. Februar, nahe dem Parlament. Ein Demonstrant sucht Schutz hinter einer improvisierten Barrikade.

Griechenland muss zweifelsohne in der Eurozone bleiben. Alles andere wäre eine Tragödie. Dass so mancher die aktuellen Schwierigkeiten unserer Gesellschaft mit denen einer unkontrollierten Staatspleite vergleicht, zeugt von politischer Oberflächlichkeit. Eine seriöse Politik würde sich über die Parteipolitik hinaus ein differenzierteres Bild machen.

Die “Kluft” ist ein schlechter Ratgeber. “Drinnen oder draußen” ist die falsche Alternative in der Euro-Frage. Jeder vernünftige Bürger würde “drinnen” antworten. Man muss sich eher fragen, ob uns der von den Gläubigern aufgezwungene, unsäglich strenge Sparplan mit seinen guten und schlechten Aspekten wirklich aus der Krise oder ohne Umschweife in einen unkontrollierten Staatsbankrott führt?

Im Grunde wird von uns eine Abwertung des Landes verlangt, die in der momentanen Wirtschaftslage deutlich mehr negative als positive Auswirkungen haben wird. Ein Wirtschaftsplan ohne soziale Durchführbarkeit, verbunden mit einem unkontrollierten Staatsbankrott und Massenarbeitslosigkeit, kann die Wirtschaft weder stabilisieren und ankurbeln noch eine neue auf Export ausgerichtete Produktivität schaffen.

Die Reifen werden mit einer unglaublichen Leichtigkeit zerstochen. Und dann wird auch noch behauptet, dass damit das Auto 2012 oder 2013 schneller fahren wird. Am schlimmsten ist die Antwort von denjenigen, die das Land in diese Sackgasse gefahren haben: “Dann schlagen Sie doch etwas Besseres vor”. Als ob ihre Lösung vernünftig und durchführbar wäre.

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Ich befürchte, dass es angesichts der Diskussionen mit den anderen Mitgliedsländern keine Lösung gibt. Auch nach nunmehr zwei Jahren gibt es keinen realistischen Fahrplan aus der Krise, der von der gesamten politischen Klasse unterstützt werden könnte. Die Troika serviert ihn uns auf dem Silbertablett und wir verhandeln umsonst… Auch Europa trägt Verantwortung.

Die Deutschen “haben die Schlinge zu fest zugezogen”. Ihr Sparpaket kann weder von Griechenland noch von irgend einem anderen europäischen Land gestemmt werden. Und bald wird auch Deutschland Schwierigkeiten bekommen! Aber wir müssen im Augenblick alles ertragen. Änderungen am “Rettungspaket”, besonders in Bezug auf die Staatsschulden, die Kredite [von EU und IWF] und dem Kampf gegen die Rezession, sind unvermeidbar… (mz)

MEINUNG

Zeit, Griechenland und Portugal bankrottgehen zu lassen

In seiner montäglichen Kolumne in der Financial Times prangert Wolfgang Münchau “die Ignoranz und Arroganz” der europäischen Politiker an, die nun das “fünfte Rezessionsjahr beginnen”. Nach der Verabschiedung eines 3,3 Milliarden-Euro-Sparprogramms durch das griechische Parlament, das so die Voraussetzungen für ein weiteres Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro erfüllt, unkt er –

Zuerst wird es ruhiger werden, aber schon nach einigen Monaten werden die griechischen Lohn- und Rentenkürzungen das Land noch tiefer in die Rezession treiben. Die europäischen Politiker werden erkennen müssen, dass in einem solch desolaten Umfeld auch die heruntergeschraubten Vorgaben für die Privatisierungen unrealistisch sind. 2011 ist das griechische BIP um 6 Prozent zurückgegangen, dieses Jahr schrumpft es im selben Tempo weiter. Und in kurzer Zeit wird wieder ein Haircut fällig.

Manche meinen, es wäre besser, Griechenland sofort aus dem Euroraum auszuschließen und die Gelder stattdessen für die Rettung Portugals einzusetzen. Ich bin nicht damit einverstanden. Meines Erachtens wäre es am besten, sich einzugestehen, dass die beiden Länder in einem trostlosen Zustand sind, sie im Rahmen der Währungsunion bankrottgehen zu lassen und sie dann mit einem ausreichend hohen Rettungsfonds wieder aufzubauen und gleichzeitig den Rest abzuriegeln. […] Das wird sehr teuer. Noch ruinöser wird es aber, wenn wir weitere zwei Jahre die Realität verleugnen.

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