Geert Wilders in Berlin, zu Gast bei einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit, September 2011

Geert Wilders — Osteuropa dankt

Mit seiner umstrittenen Website gegen Einwanderer provoziert der niederländische Rechtpopulist einmal mehr. Er Verdienst habe er aber, meint ein tschechischer Journalist: Wir müssen nun die Beziehungen zwischen Europäern aus Ost und West hinterfragen.

Veröffentlicht am 24 Februar 2012 um 16:17
Geert Wilders in Berlin, zu Gast bei einer Veranstaltung der rechtspopulistischen Partei Die Freiheit, September 2011

Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders sollte zum Ehrenbürger Mitteuropas ausgerufen werden. Zwei Gründe dafür: Seine Sorge über die Effizienz im Kampf gegen die Korruption in den neuen EU-Mitgliedsstaaten und seine Haltung zur Integration der Bürger aus Osteuropa im gemeinsamen Arbeitsmarkt.

Wilders Partei für Freiheit hat jüngst ein Internetportal lanciert, auf dem Niederländer Fälle denunzieren können, bei denen ein Pole, Tscheche oder Rumäne ihnen den Arbeitsplatz weggenommen hat. Das ist Populismus in Reinstform und aus diesem Grund allein verstößt die Initiative gegen geltendes EU-Recht.

Wenn die niederländische Mitte-Rechts-Regierung an der Macht bleibt, dann dank der Unterstützung von Geert Wilders. Die Minister halten sich also bedeckt, während Wilders prahlt, die Website habe nach nur zwei Tagen schon 32.000 Fälle signalisiert bekommen. Und Europa ist aufs Neue die Bühne einer Debatte über die (Un-)Möglichkeit eines gemeinsamen Arbeitsmarktes.

Schengen — ­­­­ “größte politische Niederlage seit 1989”

Die ganze Affäre könnte als Folklore abgetan werden, als Auswuchs eines Rechtspopulismus, wie wir ihn auch anderweitig in Westeuropa kennen, wäre da nicht die wichtige Position der Niederlande innerhalb der Strukturen der Europäischen Union. Ähnlich wie die Tschechische Republik bei der Frage des Fiskalpakts, schwimmt das Land gegen den Strom und blockiert beispielsweise den Eintritt Rumäniens und Bulgariens ins Schengen-Abkommen. Der Vorwurf lautet, diese beiden Länder täten nicht genug im Kampf gegen Korruption und hätten eine Justiz, die nicht ordentlich funktioniere.

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Wir müssten der Genauigkeit halber aber auch präzisieren, dass auch Finnland, Frankreich und Deutschland die Erweiterung des Schengenraums von der Frage des Kampfs gegen die Korruption abhängig machen und dass neun der historischen EU-Mitglieder sich weiterhin weigern, den gemeinsamen Arbeitsmarkt auf Rumänien auszuweiten. Doch nur die Niederlande haben von ihrem Vetorecht gebraucht gemacht.

Alle Anstrengungen der rumänischen Diplomaten, um zu erklären, dass die Menschen des zweitgrößten postkommunistischen Landes in der EU sich bei der Frage der europäischen Integration im Stich gelassen fühlen und sich als Bürger zweiter Klasse empfänden, stießen auf nur wenig Beachtung.

“Für die Bürger und Medien Rumäniens ist die Tatsache, dass Rumänien nicht zum Schengenraum gehört, die größte politische Niederlage seit 1989”, erklärte die Botschafterin Rumäniens in der Tschechischen Republik Daniela Gitman während einer Podiumsdiskussion in Prag zum Thema “Rumäniens Platz im Schengenraum”.

Man braucht einen Sündenbock

Der jüngste Bericht der EU-Kommission, der Anfang Februar vorgelegt wurde, betont, dass Bulgarien und Rumänien im Kampf gegen Korruption und bei der Justizreform noch weitere Anstrengungen unternehmen müssen. Ein anderer Bericht aus dem vergangenen Jahr bewertet hingegen positiv die Vorbereitungen zum Schutz der Außengrenzen des Schengenraums. Rumäniens verfügt mit 2070 Kilometern nach Finnland über die längste Außengrenze des Schengenraums.

Der Beitritt in den Schengenraum wurde bis auf weiteres verschoben. Eine Entscheidung, welche die Politiker und Menschen beider Länder als völlig ungerechtfertigt empfinden, denn zumindest technisch seien alle Bedingungen erfüllt. Die Politiker der beiden Balkanstaaten beklagen, dass die Länder des Westens, wenn alle Forderungen erfüllt seien, immer neue stellen würden.

Die jüngste Hürde ist ganz offensichtlich, und niemand besser als Geert Wilders verkörpert sie: Er spielt mit dem diffusen Gefühl einer Bedrohung in den “alten” Mitgliedsstaaten. Man braucht einen Sündenbock und der kommt aus dem Ausland. Neben den Griechen stehen jetzt also auch die Rumänen oder Polen, von denen rund 300.00 in den Niederlanden arbeiten, am Pranger.

Die Rumänen sind enttäuscht, dass es zu wenig Europa gibt. Die Niederländer (ebenso wie die Finnen, Franzosen und Deutschen) meinen, es gäbe zu viel. Das Ergebnis von all diesem, kombiniert mit der Wirtschaftskrise, ist das Gefühl einer Unsicherheit, welche Populisten vom Schlage eines Wilders Tür und Tor öffnet. In Rumänien, in den Niederlanden, aber auch anderswo. (js)

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