Mitglieder der NGO Oxfam, verkleidet als Sarkozy, Zapatero, Merkel, Berlusconi und Brown schaffen eine "gemeinsame Kasse fürs Klima" während des Klimagipfels von Kopenhagen im Dezember 2009. Foto: Oxfam.org

Retten wir die Erde, kopieren wir Europa!

Beim Gipfeltreffen in Kopenhagen war die Staatssouveränität der hauptsächliche Hemmschuh für ein Klima-Abkommen. Die Lösung, so versichert der Politologe José Ignacio Torreblanca, besteht darin, dem Beispiel der EU in zwei Bereichen zu folgen: Technologie und Institutionen.

Veröffentlicht am 22 Dezember 2009 um 15:48
Mitglieder der NGO Oxfam, verkleidet als Sarkozy, Zapatero, Merkel, Berlusconi und Brown schaffen eine "gemeinsame Kasse fürs Klima" während des Klimagipfels von Kopenhagen im Dezember 2009. Foto: Oxfam.org

Der Gipfel in Kopenhagen war für die rund 200 Länder der internationalen Staatengemeinschaft die letzte Chance, sich als Lösungsanbieter für den Klimawandel zu erweisen. Doch leider haben die Ereignisse in Dänemark gezeigt, dass sie vielmehr Teil des Problems sind. Es ist also an der Zeit, einen qualitativen Sprung nach vorne zu machen und darüber nachzudenken, wie man ihnen ihre Entscheidungskraft entziehen kann, sofern die Zukunft unseres Planeten betroffen ist.

Dieser Vorschlag klingt nach Revolution, soll aber nicht alarmieren: Im Grunde besteht ja die Politik nur darin, festzusetzen, wieviel Autorität auf welcher Machtebene erteilt werden soll, um bestimmte Probleme zu lösen. Für die politischen Entscheidungsträger ist Politik die Kunst des Möglichen, doch für die Politikwissenschaftler hat sie nichts von einem Flair, sie ist eine Wissenschaft. Wenn es eines gibt, das wir wissen, dann dass institutionelle Mechanismen wichtig sind. Anders gesagt, dass die Möglichkeit der Problemlösung eng mit den dafür verwendeten Werkzeugen verbunden ist.

Wir haben nur diesen einen Planeten, aber wir verwalten ihn mit einem lächerlichen Regierungssystem, das auf dem überholten Konzept der Souveränität beruht. Seinerzeit war die Souveränität eine nützliche Erfindung, um den Religionskriegen ein Ende zu setzen und den Feudalherren eine einzige zentrale Autorität aufzuzwingen. Doch heute, da die Frage des Klimawandels angepackt werden muss, unterscheiden sich die Obamas, Jiabaos, Medvedevs, Singhs und Lulas kaum von diesen Kriegsherren, die ihre Autonomie um jeden Preis wahren wollten – sogar um den eines kollektiven Desasters.

Im Leben fehlt es nicht an Beispielen, in welchen die Summierung von rationellen Entscheidungen auf individueller Ebene zu einem kollektiven Desaster führt: vom Rüstungswettlauf über die Panik der Banken und das Verschwinden der Anchovi im Kantabrischen Meer bis zur Entwaldung Amazoniens: Ohne ein für alle Parteien verbindliches Abkommen und eine übergeodnete Aufsichtsbehörde ist das Scheitern schon vorprogrammiert. Der Fall des Klimawandels ist durchaus symbolisch für ein System, das Entscheidungen treffen soll, obwohl es von seiner Struktur her dazu konzipiert ist, unzulängliche Ergebnisse zu produzieren.

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Die technologischen Trumpfkarten der EU

Erstaunlicherweise besitzt die Europäische Union (EU), obzwar sie neben den USA und den Schwellenländern am Rande des Konflikts geblieben ist, zwei technologische Trumpfkarten, mit welchen sich das Problem des Klimawandels lösen lässt. Zu einer ersten Gruppe von Technologien gehören die Emissionshandelsysteme (die zwar noch verbesserungsfähig sind, aber einen grundlegenden Weg einschlagen), die Innovationskapazitäten Europas sowohl in der Verbesserung der Energieeffizienz als auch in der Speicherung des CO2, sowie die Erfahrungen mit den "grünen" Steuern. Lauter zweifellos exportierbare Technologien, dank welcher Europa bereits weltweit die Nummer Eins in Sachen Energieeffizienz, Emissionsreduzierung, erneuerbare Energien, Umweltsteuern usw. geworden ist.

Doch die entscheidendste Technologie in der Hand Europas ist institutioneller Art. So kritikwürdig ihre Bedeutungslosigkeit auf internationaler Ebene auch sein mag, die EU ist der handfeste Beweis, dass es möglich ist, effiziente supranationale Lösungen anzubringen, wenn unvereinbare nationale Interessen ins Spiel kommen. Europa entspannte die deutsch-französische Rivalität, die Tausende von Opfern gefordert hatte, durch eine erfinderische, gerechte Form des Zugangs zu Kohle, Stahl und Kernenergie sowie deren Aufteilung. Es scheint heute offensichtlich, dass nur eine supranationale Autorität, die in der Lage ist, Umweltsteuern auf internationaler Ebene festzusetzen und einzutreiben, sie gerecht zu verteilen und durch diese Einkünfte die nötigen technologischen Anpassungen und Innovationen zu finanzieren, gegen den Klimawandel ankämpfen kann. Die EU verfügt also, ausnahmsweise einmal, über etwas, das einer idealen Lösung ähnelt. Jetzt muss sie die nur noch verkaufen können. Wollen Sie meine Meinung? Die Erde wird bestimmt nicht so schnell abkühlen.

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