Dem Euro geht es schlecht. Es lebe der Euro! Festzug für eine Währungsgeburt, Paris, Januar 1999. (AFP)

Das zweite Leben des Euro

Er war eine Währung ohne Staat und abhängig von den Bewegungen der Finanzmärkte. Jetzt haben die 27 Griechenland ihre Unterstützung zugesichert, krempeln den Euro um und schaffen ein völlig neues System, in dem alle Verantwortung zeigen müssen, lobt Die Zeit.

Veröffentlicht am 12 Februar 2010 um 16:53
Dem Euro geht es schlecht. Es lebe der Euro! Festzug für eine Währungsgeburt, Paris, Januar 1999. (AFP)

Der Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs Europas in Brüssel verdient das Attribut historisch. Er hat die Geschäftsgrundlage der Europäischen Währungsunion verändert. Der Euro ist ab heute nicht mehr die Währung, die er einmal war. Darin liegt eine große Chance.

Die Staaten der EU haben sich grundsätzlich darauf verständigt, Griechenland im Notfall Finanzhilfen zu gewähren, auch wenn zunächst noch kein Geld fließt, weil die Griechen erst im April wieder die Kapitalmärkte anzapfen müssen. Das Signal, auch an die Finanzmärkte, lautet: Die Gemeinschaft lässt ihr hoch verschuldetes Mitglied nicht allein; sie wird dem Land solidarisch beistehen, wenn es gilt, einen drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Ob das am Ende über Kredite, Garantien oder den Ankauf von Staatsanleihen geschieht, ist noch nicht klar. Es ist aber auch zweitrangig.

Entscheidend ist, dass heute in Brüssel eine der Grundfesten der Währungsunion ausgehebelt wurde: das Prinzip, dass die Mitgliedsländer einander nicht helfen dürfen. Zum Originalartikel von Mark Schieritz auf Zeit-Online...

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Wir brauchen einen EWF, dringend

Griechenland, Spanien und Portugal stehen dem Misstrauen der Märkte gegenüber. Sie müssen immer höhere Risikoprämien begleichen, was ihre Rückzahlungsfähigkeit dementsprechend mindert. Gehörten diese Länder nicht zur Eurozone, dann träte jetzt ein bekanntes Szenario ein: Entweder würde der Staat die Geldpressen in Gang setzen – auf die Gefahr hin, eine Inflation und eine anhaltende Verarmung auszulösen – oder er würde sich an den Internationalen Währungsfonds (IWF) wenden. Dieser würde der Landesbank dann ein Kreditlimit einrichten, das wiederum die ausländischen Schuldner über die Rückzahlungsfähigkeit des Landes beruhigen würde. Doch was kann innerhalb der Eurozone getan werden? Der Staat hat weder eine eigene Währung noch einen Devisenkurs. Und wenn sich die Krise nur auf einen einzigen Staat beschränkt, dann betrifft das Misstrauen die anderen EU-Staaten und somit die Währung der Eurozone nicht. Letztere ist der größte Aktionär des IWF und ihre Währung ist die zweitwichtigste Reservewährung der Welt. Das erscheint absurd.

Warum nicht einen Europäischen Währungsfonds (EWF) bilden? Die Asiaten haben keine gemeinsame Währung und haben trotzdem ihren eigenen Fonds gebildet: den Asiatischen Währungsfonds. Es geht darum, ein angemessenes Finanzinstrument aufzubauen, mit welchem ein zahlungsunfähiges Land zu einem normalen Zinssatz Geld aufnehmen könnte. Verschiedene Funktionsweisen sind vorstellbar: Mutualisierung von staatlichen Anleihen der Staaten innerhalb der Eurozone, Aufnahme von Krediten durch die Kommission im Rahmen eines Konjunkturstabilisierungsfonds, Schaffung einer außerordentlichen Fazilität bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Der EWF wäre das erste Instrument, das augenblicklich eingesetzt werden sollte. Die EU sollte auch möglichst schnell über eine verstärkte "Gouvernance", d.h. gemeinsame Lenkungsformen, verfügen. Kurz, es ist höchste Zeit, die Integration der Eurozone zu beschleunigen. Stéphane Cossé, Le Monde (Auszüge)

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