...Irgendwie. Foto: Hdur / Flickr

Giff inglisch a tchanse

In Pressekonferenzen radebrechen sie, dass es den Zuhörern schwindlig wird. Die Verständnisquote tendiert gegen null. Unsere Politiker brauchen Nachhilfe in Englisch. Denn Sprachbeherrschung ist für Länder - Beispiel Österreich - ein Wettbewerbsfaktor, schreibt der Wiener Standard.

Veröffentlicht am 16 Februar 2010 um 14:11
...Irgendwie. Foto: Hdur / Flickr

Für Günther Oettinger begann sein Job als EU-Kommissar mit einem Desaster: Das Youtube-Video einer englischen Ansprache, die durch seinen schwäbischen Akzent kaum verständlich war, machte ihn europaweit zum Gespött. Selbst mit Sprachunterricht wird ihm dieser Ruf noch lange nachhängen.

Österreichs Kommissar Johannes Hahn vermied bei seiner Anhörung im EU-Parlament jedes Risiko und sprach nur Deutsch; aber wie ein Klick auf Youtube zeigt, ist sein Englisch höchst passabel, jedenfalls besser als das vieler seiner Ex-Ministerkollegen. Dafür hat ORF-Moderatorin Claudia Reiterer auf dem Opernball für ihr Englisch-Gestammel beim Gespräch mit Lingerie-Designerin Chantal Thomass einen guten Teil ihres Dancing Stars-Glanzes wieder verspielt.

Jahrzehntelang konnte man im öffentlichen Leben mit Schulenglisch mehr oder weniger durchkommen. Doch die Globalisierung, die wachsende Bedeutung der EU, in der Englisch Französisch als Arbeitssprache verdrängt, das totale Anglisieren der Wissenschaft und die Bloßstellung jedes öffentlichen Fauxpas im Internet hat die Englisch-Ansprüche an Politiker, Manager, Wissenschafter und Promis aller Art dramatisch erhöht. Zum Originalartikel von Eric Frey im Standard...

"Ich bekenne mich zu meinem Dialekt", sagt Günther Oettinger.

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Und die anderen Sprachen?

Stellen wir uns einmal vor, was die nicht-frankophonen Medien – vor allem die britischen – gesagt und geschrieben hätten, wenn ein Drittel der offiziellen Kommissionssprecher Franzosen gewesen wären... Das Gegenteil scheint allerdings niemanden zu stören: Von 31 Sprechern (drei Ämter bleiben noch zu besetzen) sind 12 englische "native speakers". Und obwohl die meisten von ihnen perfekt französisch sprechen, sind auch ein paar dabei, die es nur radebrechen – dabei ist Französisch, gemeinsam mit Englisch, die zweite Arbeitssprache des Pressesaals. Die Franzosen bekamen nur drei Sprecherposten ab, ebenso wie die Deutschen. Dann kommen die Portugiesen und Italiener (jeweils 2). Belgien (bzw. Flandern), Dänermark, Spanien, Malta, die Niederlande, Österreich, Slowenien, Finnland und Rumänien stellen jeweils einen Sprecher. Diese Anglophonie ist kaum zu glauben, wenn die Sprecher doch die Schnittstelle zwischen der Kommission und der Öffentlichkeit sein sollen, die – so viel ich weiß – nicht mehrheitlich englischsprachig ist und wie die Angelsachsen denkt. Und ich frage mich, warum es keine polnischen, lettischen, litauischen, estnischen, ungarischen, slowakischen, tschechischen, bulgarischen und schwedischen Sprecher gibt. Ganz offensichtlich bedeutet Talent in der Vorstellung der Europäer vor allem "native". Ein Sieg mehr für die Briten.

Jean Quatremer, Coulisses de Bruxelles (Auszüge)

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