Kosovaren feiern die Unabhängigkeit, 17. Februar 2008. (AFP)

Kosovo, der Problemnachbar

Schon zwei Jahre lang ist der Kosovo unabhängig. Aber die Union verfügt noch immer über keine einheitliche Politik für den Westbalkan. Deshalb ist der Beitritt Serbiens zur EU höchstwahrscheinlich zum Scheitern verurteilt, und die Destabilisierung der gesamten Region unabwendbar.

Veröffentlicht am 17 Februar 2010 um 15:36
Kosovaren feiern die Unabhängigkeit, 17. Februar 2008. (AFP)

Während der Kosovo den zweiten Geburtstag seiner Unabhängigkeitserklärung feiert, verstärken sich die Meinungsverschiedenheiten zum Kosovo-Status innerhalb der EU immer mehr. Nachdem die schlecht durchdachte Strategie für den Norden verschiedenste Kontroversen ausgelöst hat, übt das sogenannte Quintett (Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und die USA) immer stärkeren diplomatischen Druck auf Serbien aus. Dieses – so wird verlangt – soll sich der Unabhängigkeit des Kosovo nicht entgegenstellen.

Im Gegensatz dazu tritt Spanien, das seit Januar die EU-Präsidentschaft innehat, für die Wiederaufnahme der Verhandlungen ein, an deren Ende ein für beide Seiten akzeptables Ergebnis stehen sollte. Inmitten dieser Unstimmigkeiten warnte ein hoher Beamterim Kosovo, dass die Albaner im Südosten Serbiens zum Übertritt in den Kosovo bereit seien, sollten die Serben im Norden weiterhin Widerstand gegen jegliche Integration leisten. Obwohl Spanien innerhalb der EU eine eher isolierte Position vertritt, so ist seine Haltung doch der konstruktivste Weg zur Lösung des ausweglosen Statusproblems des Kosovo und könnte für die Region dauerhaften Frieden bedeuten.

Wer schwingt eigentlich aggressive Reden?

Vor kurzem sandte das Quintett dem serbischen Außenminister eine sehr nachdrückliche Mitteilung, in der es erklärte, dass es "die aggressive Rhetorik Serbiens gegenüber dem Kosovo bisher toleriert habe", weil es glaube, "dass das Problem im Laufe der Zeit von der Tagesordnung verschwinden würde". Es warnte Serbien davor, irgendwelche "abenteuerlichen Aktionen" zu starten, vor allem jetzt wo der Internationale Gerichtshof (IGH) in Kürze das Urteil über die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo fällen wird.

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Unklar bleibt aber, was das Quintett mit "aggressiver Rhetorik" und "abenteuerlichen Aktionen" genau meint. Der serbische Außenminister Vuk Jeremić hat eine Sondersitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgeschlagen, sobald der IGH das Urteil verkündet habe. Ziel soll ein, Unterstützung für neue Verhandlungen zum Kosovo-Status zu gewinnen. Derartige Initiativen stimmen mit der Erklärung Serbiens überein, alle friedlichen, diplomatischen und legalen Mittel auszuschöpfen, um sich gegen die Unabhängigkeit des Kosovo zu wehren.

Serbien im Dilemma

Griechenland, Zypern, die Slowakei und Rumänien haben es abgelehnt, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen. Im Wissen um die potentiell drohende Verhärtung des Konflikts im Balkan, der einen EU-Beitritt Serbien verkompliziert, hat Spanien die serbische Position lange unterstützt. Als könne er vorhersagen, womit Serbien in Zukunft fertig werden muss, erklärte der spanische Botschafter in Belgrad – Iñigo de Palacio España –, dass "es wirkliche abwegig wäre, Serbien zu bestrafen und seinen Weg zur europäischen Integration zu blockieren. Schließlich bemüht sich das Land um eine Lösung des Problems, indem es Gespräche und Verhandlungen führt." Für einen Doppelbeitritt zur EU sind "gute nachbarschaftliche Beziehungen" und konstruktive regionale Zusammenarbeit erforderlich. In Zukunft werden die Befürworter der Unabhängigkeit des Kosovo diese Kriterien als hauptsächliches Druckmittel gegenüber Serbien verwenden.

Aufgrund der steigenden Ungewissheit um den Status des Kosovo hat sich der Parlamentspräsident des Kosovo – Jakup Krasniqi – erneut sezessionistische und "aggressive Rhetorik" geleistet und davor gewarnt, dass "Albaner im Süden Serbiens zum Übertritt in den Kosovo bereit sind", sollten die Serben im Norden des Kosovo weiterhin die Integration in Pristinas Institutionen verweigern. Daraufhin verlangte der serbische Staatssekretär für den Kosovo und Metohija (Metochien), Oliver Ivanovic, von der internationalen Gemeinschaft, eine solche "Kriegshetze" zu verurteilen. Trotz der scharfen und heftigen Äußerungen Krasniqis blieb sein Aufruf aber unbeantwortet. Angesichts solcher Drohungen kann man den Behauptungen, die Unabhängigkeit des Kosovo würde zum Frieden und der Stabilität der Region beitragen, keinerlei Glauben schenken.

Die Gelegenheit für die EU, ihre "soft power" zu beweisen

Für die neue Hohe Vertreterin der EU – Lady Ashton –, die am 18. Februar nach Belgrad reisen wird, ist der Westbalkan eine der größten Herausforderungen, mit denen sie fertig werden muss. Das Problem könnte auch an den Ambitionen der EU nagen, eine bedeutende Rolle in der Welt zu spielen. Wenn die Union nach dem Urteil des IGH den spanischen Empfehlungen zum Kosovo Beachtung schenkt, so könnte sie die Gelegenheit nutzen, die Status-Frage dauerhaft zu klären. Auf diese Weise könnte die EU ihre "soft power"-Instrumente unter Beweis stellen. Verfolgt man allerdings weiterhin den gleichen Kurs, so gefährdet man die gesamte Strategie für die Region, und ganz besonders für Bosnien und Herzegowina. Und damit würde man auch die Entwicklung einer wirksamen und einheitlichen gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik behindern.

ERWEITERUNG

Kosovo-Krieg brachte Rumänien und Bulgarien in die EU

Sofias und Bukarests Unterstützung der NATO während des Kosovo-Kriegs habe es den Ländern ermöglicht ihren EU-Beitritt (2007) zu beschleunigen, selbst wenn sie damals nicht alle Kriterien dafür erfüllten. "Rumänien und Bulgarien sind aus strategischen Gründen zu den Beitritts-Verhandlungen geladen worden", behauptet jedenfalls Günter Verheugen in einem Interview mit România liberă. "Jene, die behaupten, dass der Beitritt beider Länder ein Irrtum war, sind auf dem Holzweg. Wir waren mitten im Kosovo-Krieg und Stabilität in dieser Region war unser Hauptinteresse", fügt der Ex-EU-Erweiterungskommissar hinzu. Beide Länder hätten damals versprochen, den Überflug ihres Hoheitsgebietes durch russische Kampfflieger, die den Serben Beistand leisten wollten, zu verhindern. "Beide Länder haben Wort gehalten", sagt Verheugen abschließend. "Ich wage es nicht, mir auszumalen, was geschehen wäre, hätten Rumänien und Bulgarien damals keine klare Aussage für ihren EU-Beitritt bekommen."

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