An der Schiefergas-Anlage Chopin-1, à Pinczow (Pologne). Dezember 2011.

Schiefergas steht tief im Kurs

Aus ökologischen Gründen haben Frankreich, Bulgarien, Rumänien und die Tschechische Republik entschieden, die Förderung ihrer Gasvorkommen auszusetzen. Während von der EU erwartet wird, dass sie den gleichen Weg einschlägt, könnte Polen bald das letzte und einzige Land sein, das auf diese Ressource setzt.

Veröffentlicht am 10 Mai 2012 um 10:27
An der Schiefergas-Anlage Chopin-1, à Pinczow (Pologne). Dezember 2011.

Mit einem Moratorium will der tschechische Umweltminister die Förderung von Schiefergas verbieten. Über dieses Vorhaben berichtet die Internetseite des Umweltministeriums. Während des für mindestens 18 Monate und maximal zwei Jahre angelegten Moratoriums sollen die momentanen Gesetzeslücken gefüllt werden.

Laut der tschechischen Behörden insbesondere im Bereich des Umweltschutzes, der Bergwerkstätigkeiten und der geologischen Arbeiten. Die tschechische Regierung hatte bereits letzten Monat zwei Lizenzen zur Schiefergasförderung gekündigt, die sie vorher mit dem australischen Unternehmen Hutton ausgehandelt hatte.

Für den tschechischen Umweltminister Tomas Chalupa verfügten die betroffenen Kommunen nur über unzureichende Informationen zu Fragen wie dem Trinkwasser-, dem Umwelt- und dem Landschaftsschutz.

Schiefergasförderung wird auf Eis gelegt

Auch in Rumänien ist die neue Mitte-links-Regierung von Victor Ponta dafür, die Schiefergasförderung vorerst auf Eis zu legen. Im neuen Wirtschaftsprogramm der rumänischen Regierung ist von „einem unverzüglich geltenden Schiefergas-Moratorium“ die Rede.

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Zumindest bis „die europaweite Forschung ihren Abschlussbericht zu den Auswirkungen hydraulischen Frackings [Hydraulic Fracturing] auf die Umwelt“ abgeliefert hat.

Diese Entscheidung dürfte die Projekte des amerikanischen Unternehmens Chevron behindern, dem in Rumänien vier Lizenzen zur Gasförderung gehören, und das noch in diesem Jahr mit den Bohrungen beginnen wollte.

Zudem hatte Chevron im vergangenen Jahr die Schiefergasförderungs-Ausschreibung in Bulgarien gewonnen, die das Parlament [im Januar] allerdings zunichte machte.

Mit einer Stimmenmehrheit der konservativen Regierungspartei GERB stimmten die Parlamentarier gegen das Projekt und verboten die „ständige“ Erkundung und Fracking-Förderung von Schiefergas und Erdöl per Resolution.

Bisher ist die von amerikanischen Erdgasindustriellen entwickelte Methode die einzige Technik, mithilfe der Öl und Gas aus felsigem Schiefer extrahiert werden können.

Wie „Fracking“ funktioniert

„Bei der sogenannten Fracking-Methode wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in tiefe Gesteinsschichten gepresst, um das Gestein durch hohen Druck so aufzubrechen, dass das wertvolle Gas entweichen kann.“ Die verwendete Mischung enthält etwa ein Prozent chemische Stoffe, die man auch in Lebensmitteln oder Kosmetika findet.

Fracking-Gegner behaupten, diese Chemikalien können das Grundwasser verunreinigen, was die Betreiber bestreiten. Als weltweit erstes Land verbot Frankreich letztes Jahr die Fracking-Methode. Kurz darauf machte Bulgarien es ihm nach.

Und nun meldeten auch der deutsche Umweltminister Norbert Röttgen und sein Kollege im Wirtschaftsministerium, Philipp Rösler, erste Zweifel an, berichtet das Wochenmagazin Der Spiegel.

In Polen bereiten solche Signale Bachschmerzen. Hier gibt es die europaweit größten Schiefergasvorkommen, die auf etwa 2.000 Milliarden Kubikmeter geschätzt werden [wovon zwischen 346 bis 768 Milliarden Kubikmeter förderbar sein sollen].

Mit diesem Vorrat könnten wir uns von der [russischen] Gazprom unabhängig machen und die Energiewende von Kohle zu Gas vorantreiben, die von der EU so sehr empfohlen wird.

Bedenken mit Einfluss auf Entscheidung der EU

Laut der EU-Abgeordneten Lena Kolarska-Bobinska werden „diese jüngsten Entscheidungen der EU-Mitglieder vermutlich den Druck auf die Europäische Kommission erhöhen, die gerade mehrere Dokumente zur Schiefergasförderung erarbeitet.

Die Kommission kann nicht länger so tun, als käme der Widerstand nur von ein paar isolierten Parteien, die ausschließlich ideologische Argumente vorbringen.“

Das Ganze könnte sich auf die Zukunftsdebatte um Schiefergas in der EU auswirken, gibt auch der EU-Abgeordnete Bogusław Sonik [der polnischen Bürgerplattform von Ministerpräsident Donald Tusk] zu. Er war an der Ausarbeitung des Umweltberichts des Europäischen Parlaments beteiligt, in dem festgelegt wurde, dass die EU keine weiteren Regeln zur Schiefergasförderung braucht. Dem hat das EU-Parlament aber noch nicht zugestimmt.

In einigen EU-Ländern könnte das Schiefergas-Verbot der Gazprom zu mehr Einfluss verhelfen. In Bulgarien wurde das Moratorium kurz vor den anstehenden Verhandlungen über die russische Gaspipeline South Stream verhängt.

Überdies versucht Gazprom Rumänien davon zu überzeugen, sich dieser Infrastruktur anzuschließen. Und was das tschechische Moratorium betrifft, so wird es gültig sein, bis die Bauarbeiten an der Anbindungsleitung an die Nord Stream beendet sind, die [russisches Gas] durch die Ostsee [nach Deutschland] transportiert, und deren momentane Bauarbeiten eben gerade in der Tschechischen Republik stattfinden.

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