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Europäische Währungsfonds, für alle da. Foto: Erik Dreyer

Die Bank mit Herz?

Allmählich scheint sich die Idee eines Europäischen Währungsfonds durchzusetzen, mit dem man die Länder retten könnte, die – wie Griechenland – so hoch verschuldet sind, dass sie die Stabilität des Euro gefährden. Seine Gegner – zu denen vor allem Deutschland gehört – sollten sich daran erinnern, dass Europa schon einmal bewies, wie solidarisch es sein kann. Als es nämlich um die deutsche Wiedervereinigung ging.

Veröffentlicht am 15 März 2010 um 15:59
Europäische Währungsfonds, für alle da. Foto: Erik Dreyer

Am 15. und 16. März beschäftigt sich Europa erneut mit dem Fall Griechenland. [Die Finanzminister diskutieren darüber, wie die Hilfe für Griechenland aussehen könnte. Die Summe von 20 bis 25 Milliarden Euro wurde genannt.] Allerdings wird Europa sich vor allem mit sich selbst auseinandersetzen. Als besonders hilfreich erwies sich der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou. Schließlich hat er den Entwicklungsprozess einer wahrhaftigen Wirtschaftsunion beschleunigt. Nachdem er in seinem Land einen der strengsten Sparpläne durchgesetzt hatte, griff er die Euro-Spekulanten an. Dabei erinnerte er die Europäische Union an ihre Verantwortung und drohte damit, dass sich Griechenland – sollte die EU ihren Teil des Vertrages nicht einhalten und Griechenland nicht aus der Krise helfen –, an den Internationalen Währungsfonds (IWF) wenden würde. Damit hätte man die internationale Nichtigkeit der Einheitswährung bewiesen.

Von diesem Zeitpunkt an wurden plötzlich ganz andere Dinge diskutiert. Von nun an hebt man nicht mehr so sehr die von Griechenland ausgehende Gefahr hervor (die übertrieben wurde: Die griechische Wirtschaft stellt nur 0,3 Prozent der gesamten Eurozone). Vielmehr betont man, wie dringend eine schlagfertige europäische Antwort sei. Man versucht möglichst effektive Gegenmittel vorzuschlagen. Vor allem für den mehr als wahrscheinlichen Fall, dass Griechenland Hilfe braucht, um übermäßige Aufschläge auf die Emissionen seiner Schuldverschreibungen zu verhindern. Diese könnten das Land nämlich in die Zahlungsunfähigkeit treiben.

Gemeinsame Kriegskasse für schnelle Reaktion

Der Fall Griechenland ist also nicht nur eine interne griechische Affäre sondern betrifft den Euro. Wichtiger als jemals zuvor ist es nun, die Mechanismen der Währungsunion zu verstärken und die Entwicklung einer verpflichtenden – und nicht mehr nur freiwilligen – Wirtschaftsunion voranzutreiben. Einer dieser dauerhaften und vorbeugenden Mechanismen: Ein Notfonds, mit dessen Hilfe man die in Schwierigkeiten steckenden Länder wieder flott machen könnte. Um sich aus einem solchen Fonds bedienen zu können, müssen strengste, unmissverständliche und allgemeingültige Bedingungen aufgestellt werden. Um jeder Nachgiebigkeit und jeder Misswirtschaft vorzubeugen. Folgerichtig wäre es, wenn man den Fonds aus dem gemeinsamen Budget finanzieren würde. Mit einer solchen Kriegskasse kann man sich vor schweren Schlägen schützen und schnell reagieren. So ähnlich wie es Washington nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers tat.

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Der Direktor des gefragten Brüsseler Think tanks CEPS (Center for European Policy Studies), Daniel Gros, hat gerade eine Spielart dieser Idee auf den Weg gebracht. Mit einem der wichtigsten Wirtschaftsexperten der Deutschen Bank, Thomas Mayer, verfasste er ein Dokument, das den Titel Towards a Euro(pean) Monetary Fund (Auf dem Weg zu einem Euro(päischen) Wähungsfonds) trägt. Dieser EWF sei die europäische Antwort auf den IWF, der sich nach Meinung der Autoren keineswegs einmischen sollte. Schließlich könnte man diesen nicht mehr bändigen, sobald sich das in der Krise befindliche Land hinter seinen Grenzen verschanzt hat (wie es 2001 in Argentinien der Fall war). Für den Euro würde dies ein tragisches Ende nehmen. Mit dem EWF wäre die europäische Solidarität nicht mehr nur eine leere Versprechung. Paradoxerweise sollen gerade die Länder den Fonds finanzieren, die die Maastrichter Bestimmungen am wenigsten befolgen. Dies ist einer der umstrittensten Aspekte des Vorschlages.

Deutschland soll den Impuls geben

Griechenland musste beweisen, dass es fähig ist, mehr Strenge anzuwenden. Nun schlägt die Stunde für Deutschland. Es soll den notwendigen Impuls geben und die berechtigte Wut der Nettobeitragszahler in den Schornstein schreiben. Diese fühlen sich vom schummelnden Schmarotzer – Athen – verletzt, der seine Konten frisiert und gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat. Anstatt sich autoritär zu geben, wäre es besser, man appelliere an das allgemeine Interesse. Tatsächlich haben alle ihren Nutzen aus der Währungsunion gezogen. Dank ihrer Stabilität konnten interne Unwetter und externe Spekulationsbewegungen für zehn Jahre abgewendet und die niedrigen Zinssätze erhalten werden. International ist das Zahlungsmittel – im Gegensatz zur Mark – zur Reservewährung geworden. Zudem darf man nicht vergessen, dass der Euro stets zur Sanierung der Staatsfinanzen anspornt.

Eines kann man nicht bestreiten: Die weniger erfolgreichen Länder sind ganz eindeutig diejenigen, die von der europäischen Hilfe am meisten profitieren (u.a. die Mittelmeerländer). Für sie ist die Strukturpolitik ein Schlüssel für das Tor zum Euro. Für ihre – durchschnittlich 1 Prozent des BIP entsprechenden – Strukturreformen haben sie eine ganze Reihe von Hilfsmitteln erhalten. Im Gegenzug dafür haben Deutschland und andere Nettobeitragszahler allerdings ihren Handelsüberschuss ausgebaut, indem sie in die weniger entwickelten Märkte eingedrungen sind. Als Ergebnisse sind beispielsweise die Athener U-Bahnzüge der deutschen Siemens oder die französisch-italienischen Multi-Missions-Fregatten (FREMM) im Athener Hafen Piräus zu nennen.

Denkt ans Allgmeinwohl

Auch an der deutschen Wiedervereinigung hat Europa mitgewirkt. Die Länder der ehemaligen DDR gehören der Zone Gebiete an, die von der Strukturhilfe profitieren. Und noch bevor man die ostdeutsche und die westdeutsche Mark zusammenschmelzen konnte, brauchte es eine restriktive Geldpolitik mit hohen Zinssätzen, die in allen Ländern durchgesetzt wurde. Mehr noch: Die EU hat es Deutschland (und Frankreich) ermöglicht, die Grenzen des Stabilitätspaktes von 2003 zu sprengen. 2005 ging man sogar so weit, die Regeln auf Eis zu legen und abzuändern, so dass man "die Beitragszahlungen […] zur Vereinigung Europas" von den Konten abziehen konnte. Eine wirkliche Maßarbeit! Fazit: Ja! Alle für einen, aber auch einer für alle.

Kontrapunkt

Eine schlechte Idee für die EU

Es gibt "wichtige Gründe, keinen Europäischen Währungsfonds einzurichten", versichert die Wirtschaftseditorialistin Janne Chaudron in der Trouw. Die Nichteinhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts beweist, dass "in Krisenzeiten jedes Land die drei Prozent überschreitet [die Neuverschuldung eines Staates darf nicht höher liegen als drei Prozent des Bruttoinlandprodukts], aber schon lange keine Strafgelder mehr auferlegt werden".

"Ein zweiter, noch wichtigerer Grund ist, dass die Länder der Eurozone dazu tendieren werden, keine Disziplin zu halten, wenn sie mit dem EWF über ein Sicherheitsnetz verfügen", warnt Janne Chaudron. "Die drastischen Maßnahmen, die kürzlich in Griechenland getroffen werden mussten – Lohnkürzungen, Erhöhung des Rentenalters – sind stark davon abhängig, dass Griechenland keine Wahl hat: Die anderen Staaten sind nicht bereit, ihm zu Hilfe zu kommen. Und das ist gut so: Diese Reformen sind unbedingt nötig, damit die Wirtschaft wieder lebensfähig wird. Nichts tun ist somit wirkungsvoller als die Gründung eines EWF."

Wolfgang Münchau in der Financial Times hingegen findet, der EWF sei "nur ein Deckmantel". Er ermögliche es den Ländern, die Eurozone zu verlassen, ohne jedoch die Europäische Union zu verlassen. "Hier geht es nicht darum, Ländern in Schwierigkeiten zu helfen. Es geht darum, ihnen beim Austritt zu helfen."

Da die vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagene Idee eine Abänderung der europäischen Verträge voraussetzt, zieht der FT-Chronist zwei Schlüsse. Entweder "wird für eine Währungsunion von 16 oder mehr Ländern letztendlich doch eine umfassende Steuerunion erforderlich sein", doch das ist unmöglich bei allen Staaten durchsetzbar. Oder die Währungsunion sei nur möglich für Länder mit den gleichen wirtschaftlichen Eigenschaften. Doch "nur für relativ wenige Länder ist eine Währungsunion mit Deutschland politisch und wirtschaftlich tragbar". Und deshalb, meint Münchau, sehe der EWF doch sehr nach einem Plan aus, um die Länder, die dazu nicht in der Lage sind, hinauszudrängen.

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