Der Fußball wird den Euro nicht retten

Wer muss die Fußball-Europameisterschaft gewinnen, damit die Einheitswährung gerettet ist? Auch wenn mancher hofft, dass die Siege das Vertrauen in bestimmte Länder stärken, fallen die Würfel weit entfernt von den Stadien, ob es nun den Sportfans gefällt oder nicht, warnt SME.

Veröffentlicht am 13 Juni 2012 um 10:27

Die Europakrise befindet sich in ihrer Endphase, das Denkschema der Zukunftsvisionäre ebenso. Ein Beobachter der Amsterdamer AMRO-Bank hat eine Prognose für die Zukunft der EU gewagt: „Das Wichtigste ist, dass die Kernländer der Eurozone nicht angesteckt werden. Es wäre also gut, wenn Frankreich die Europameisterschaft 2012 gewinnt. Damit könnte das Vertrauen wieder hergestellt werden”.

Nun ja... Vielleicht wollte er damit sagen, dass keiner auf die Idee kommt, die Schalter der BNP Paribas oder der Société Générale zu stürmen, solange die Marseillaise zu hören ist… Da stellt sich allerdings eine Frage: muss nicht eher Deutschland gewinnen, um das Vertrauen zu stärken? Während sich die Zuschauer-Wähler im Siegesrausch befinden, könnte die EZB vier Tonnen spanischer Staatsanleihen kaufen.

Angela Merkel, ein großer Fußballfan (es sei daran erinnert, dass der G8-Gipfel während des Spiels Bayern gegen Chelsea unterbrochen werden musste), würde die Eurobonds im Bundestag durchfechten. Und bei einem Sieg Griechenlands? Würde AlexisTsipras das Memorandum und mit ihm einen überschüssigen Haushalt bis 2100 unterzeichnet?

Obwohl (der amtierender Europa- und Weltmeister) Spanien als großer Favorit gehandelt wird, erhofft sich das AMRO-Orakel merkwürdigerweise nichts von einem möglichen Triumph. Schon zu viele glauben, dass es für das Land kein Zurück mehr gibt. Es spielt auch keine Rolle mehr ob Ministerpräsident Rajoy Recht hat, wenn er sein Land als „Kollateralschaden” des Chaos bezeichnet, indem sich die Eurozone befindet.

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Lasst Spaniens Erstligisten zahlen

Das kritische Stadium der nationalen Rettung ist schon lange überschritten. So glaubt Barclays (von anderen Finanzinstituten gefolgt), dass sich Spanien „nur auf halbem Wege” des Zusammenbruchs seines Immobilienmarktes befindet. Der unvermeidbare Preisfall um weitere 20 Prozent würde „dem Finanzsektor den letzten Tropfen Blut aussaugen”.

Hinzu kommen noch ein europäisches Rekordhoch der Arbeitslosigkeit, eine desaströse Lage des Arbeitsmarktes und eine Verschuldung der Bevölkerung, die sich auf 200 Prozent des BIP beläuft.

Ein Journalist der Financial Times kommt zu der gut nachvollziehbaren Schlussfolgerung, „dass man sich nicht fragen sollte, ob die spanische Wirtschaft den Aufschwung 2012 oder 2013 schafft, sondern ob sie es vor dem Ende dieses Jahrzehnts kann”.

Um auf den Fußball zurückzukommen, könnte Spanien auch nicht mit der Rückzahlung der 750 Millionen Euro Steuern (oder besser gesagt Steuervergünstigungen) gerettet werden, welche die Erstligavereine dem Staat schulden. Wird Griechenland mit Hilfe des von Steuerzahlern finanzierten Rettungsschirms eine kontrollierte Insolvenz durchlaufen? Oder eher einen Staatsbankrott außerhalb der Eurozone, den so mancher auf 1000 Milliarden Euro beziffert, während andere meinen, dass man nicht alle Welt verrückt machen sollte?

Spannung im Merkel-Lager

Angela Merkel kann sich nicht mehr verstecken und muss nun entscheiden: entweder bricht die Eurozone diesen Sommer auseinander, oder sie geht ihren Leidensweg als Schuldengemeinschaft weiter. Die Spannung ist weit größer als bei der Europameisterschaft und dem Spiel Bayern gegen Chelsea zusammen.

Vor allem wenn der deutsche Innenminister empfiehlt, „kein Geld mehr in ein Fass ohne Boden zu werfen” und der Bundesbank-Vize Griechenland als „bankrotten Staat” bezeichnet, während Peter Bofinger, der einflussreichste (Wirtschafts-) Berater (der deutschen Regierung) unterstreicht, dass „die Griechen die umfangreichsten Fiskalreformen der Nachkriegszeit vorgenommen haben und der geforderte Rückgang des Strukturdefizits einzigartig und überragend ist”.

Die Meinungen gehen weit auseinander. Die Kanzlerin ist eine überzeugte Föderalistin. Aber sollte sie heute den Rückwärtsgang einlegen und einer Zusammenlegung der Schulden zustimmen, und das ohne Finanz-Zar in Brüssel (soll heißen in Berlin), gäbe es auch für Deutschland kein zurück mehr. (mz)

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