Und hier die Rechnung. © Karikatur von Kountouris, erschienen in der griechischen Tageszeitung Eleftheros Typos

Europa braucht eine Einheitsregierung

Die griechische Schuldenkrise hat nicht nur den Euro untergraben. Sie hat auch Fehler in den Gründungsprinzipien der Eurozone entblößt. Wenn nun die 27 Mitgliedsstaaten am 25. März in Brüssel zusammenkommen, so sollten sie vor allem daran denken, dass ein gemeinsamer Markt ohne eine gemeinsame Regierung nicht funktionieren kann, schreibt Robert Skidelsky.

Veröffentlicht am 24 März 2010 um 16:30
Und hier die Rechnung. © Karikatur von Kountouris, erschienen in der griechischen Tageszeitung Eleftheros Typos

Dramatische Herausforderungen und mittelmäßige Antworten: das ist die Geschichte der Europäischen Union. Allzu selten ist die EU den Anforderungen der Ereignisse gewachsen und aus diesem Grund schwindet auch Europas ökonomische und geopolitische Bedeutung.

Der Vertrag von Rom aus dem Jahr 1958, mit dem die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde, markierte Europas großen Sprung nach vorn. Aber die Entscheidung, einen gemeinsamen Markt ohne gemeinsame Regierung zu etablieren, bedeutete einfach nur die Verschiebung der Schwierigkeiten auf einen späteren Zeitpunkt. Alles, was seither geschah – die Erweiterung der EU auf 27 Mitglieder und die Schaffung der Eurozone mit 16 Mitgliedsländern – hat die Kluft zwischen Rhetorik und Realität noch vertieft. Euroland hat viel mehr versprochen, als es aufgrund seiner Entwicklung halten konnte.

Die griechische Finanzkrise ist das jüngste Beispiel für diese Kluft zwischen Realität und Rhetorik. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Krise der "Erweiterung", in diesem Fall der Erweiterung der Eurozone. Beispiellose Anstrengungen hinsichtlich Haushaltsdisziplin in den 1990er Jahren – denen man in Griechenland mit kreativer Buchhaltung nachgeholfen hat – ermöglichten es Portugal, Italien, Griechenland und Spanien (abfällig auch PIGS genannt) im Jahr 2002 die Beitrittskriterien zu erfüllen. Aber kaum waren sie dabei, ließ der Druck auch schon nach. Die meisten Mittelmeerländer setzten ihr Leben auf großem Fuß fort und vertrauten darauf, dass die Märkte sie dafür nicht zur Rechenschaft ziehen würden.

Nun hat der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble gemeint, es reiche. Er befürwortet die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds (EWF), um Ländern am Rande der Zahlungsunfähigkeit mit Notkrediten zu helfen. Im Falle der Nichteinhaltung der Bedingungen wären diese Notkredite durch "prohibitive Bepreisung", "strikte Auflagen" und "zwingende Bußgelder" geprägt. Zur deutschen Fassung des Originalartikels auf der Website des Project Syndicate...

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Aus deutscher Sicht

Die neuen Spielregeln der eisernen Kanzlerin

Frankreich unterstützt nun die "IWF-Lösung". Während Spiegel Online mit dem nahenden Sieg Angela Merkels in der Griechenland-Frage titelt, kommentiert dieFrankfurter Allgemeine Zeitung "Merkels neue Spielregeln für Europa". Indem Deutschland anderen EU-Ländern mit dem Ausschluss aus der Euro-Zone droht, bringt "der größte Mitgliedstaat, der so lange der stille Garant der EU war, erstmals offen zum Ausdruck, dass er nicht mehr bereit ist, jeden Preis für die europäische Einigung zu zahlen." Kurz nach ihrem Amtsantritt 2005 verzichtet sie schwierigen EU-Haushaltsverhandlungen noch auf Millionen Euro zugunsten Polens. "Das war alte Kohl-Schule: Deutschland hält den europäischen Laden zusammen, indem es Eigeninteressen im Zweifelsfall hintanstellt." Heute aber wende sich Merkel von diesem Credo ab, und der FAZ fällt auf, dass "die Bundesregierung in der Sache eine unsentimentale und machtbewusste Politik verfolgt, wie man sie unter den großen Mitgliedstaaten sonst nur aus Großbritannien kennt." Jetzt laute das Motto Berliner Handelns: "Wir sind nicht in erster Linie für Europa da, sondern für das deutsche Volk." Daher werde Merkel beim Gipfeltreffen am 25. und 26. März "weniger flexibel [sein], als es manchem Südeuropäer erscheinen mag. Sie regiert ein Land, das sich in den vergangenen Jahren von der europäischen Einigung entfremdet hat. […]Die Selbstwahrnehmung als Zahlmeister Europas, […] hat in Deutschland eine euroskeptische Grundstimmung geschaffen. […] Für Europa ist das ein tiefer Einschnitt, tiefer als viele Vertragsänderungen", urteilt die FAZ. "Die alte Garde der Europa-Politiker wird das als Gefahr für den Kontinent empfinden, denn die glaubt fest daran, dass die EU, und damit auch der Euro, ein Friedensprojekt sei." Die Wahrheit sei aber, dass Deutschland die EU der 27 nicht allein tragen kann.

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