Erdrückend ist die Stimmung an diesem Morgen im ganzen Land. Gerade hat die Regierung ein neues Sparprogramm angekündigt, welches strenge Einkommenskürzungen vorsieht und den Lebensstandard von vielen erheblich verringern wird. In erster Linie sind Beamte und Rentner betroffen, aber auch die Arbeitnehmer im Privatsektor bleiben nicht verschont. Regierungschef Giorgos Papandreou hat sich den Weisungen der ausländischen Mächte unterworfen, die nun über unser Land herrschen: Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union (EU).
Ein halbes Jahrhundert nach ihrer Einführung hat die sozialistische Partei (PASOK) Weihnachts- und Ostergeld [13. und 14. Monatsgehalt], sowie den bezahlten Urlaub für Beamte und Rentner abgeschafft. Und auch wenn im Gegenzug eine Prämie eingeführt wurde, so fällt diese doch wesentlich geringer aus. Sie ist sogar so niedrig, dass man von Wohltätigkeit sprechen muss. Zudem wird sie sicher ganz schnell wieder verschwinden.
Ausschließen kann man nämlich nicht, dass die Regierung diese Rechte ganz abschaffen wird. Und doch ist Papandreou mit den gewaltsamen und beispiellosen Einschnitten, welche die ganze Gesellschaft und ganz besonders die Beamten hinnehmen müssen, nicht zufrieden. So kündigte er zusätzliche Lohnkürzungen von acht Prozent an. Insgesamt sinken die Gehälter innerhalb von zwei Monaten also um 20 Prozent. Mit all diesen Maßnahmen verliert jeder Beamte jährlich zwischen 15 und 30 Prozent seines Gesamteinkommens.
Zweifellos handelt es sich hierbei um die unsozialsten Maßnahmen, die Griechenland jemals – also mindestens seit einem guten Jahrhundert – erlebt hat. Und vehement widersprechen sie nicht nur den Wahlversprechen des Regierungschefs und der PASOK, sondern auch den Zugeständnissen, die nach den Wahlen gemacht wurden. Natürlich wird die Frage der politischen Glaubwürdigkeit damit für Papandreou und die gesamte Regierung zu einem Riesenproblem. Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, werden die strengen Sparmaßnahmen die Grundlagen des Landes erschüttern, um dem Ziel der Staatsschuldreduktion näher zu kommen.
In diesem Jahr wird das BIP unseres Landes um vier Prozent sinken. In fünfzig Jahren geschah dies nur ein einziges Mal: 1974. Damals spielten zweierlei Probleme eine Rolle: Die Ölkrise und das auf den verfehlten Staatsstreich in Zypern folgende Chaos [im Norden der Insel fiel die türkische Armee ein, was zum Sturz des Regimes der Obristen (der griechischen Militärdiktatur) führte und die Bedrohung eines Krieges mit der Türkei näher rücken ließ]. Das BIP sank damals um 6,4 Prozent. Heute befinden wir uns natürlich in einer ganz anderen Situation. Und die Staatsschuld muss neu berechnet werden: Von den 115 Prozent im Jahr 2009 wird sie 2014 bei 140 Prozent liegen.
Neben diesem wirtschaftlichen Aspekt darf man den ethischen Aspekt dieser Maßnahmen nicht vergessen: Sie sind überwiegend ungerecht. Einige wenige haben sich bereichert, indem sie sich in der Staatskasse bedient haben. Und dennoch sind es Beamte und Rentner, die für die Schäden aufkommen müssen. Wir haben es hier mit einer gewaltsamen Politik zu tun, welche die öffentlichen Reichtümer schlecht verteilt und allein die Plutokratie verteidigt.
Nicht ein einziger Grieche glaubt noch daran, dass eine Verbindung zwischen Staatsschuld bzw. Staatsdefizit und den Einschnitten im Einkommen der Menschen existiert. Das Schlimmste ist, dass die gerade erst angekündigten Maßnahmen die Europäer noch immer nicht überzeugt haben. Diese schließen übrigens auch nicht aus, dass es zusätzliche Maßnahmen geben könnte, wenn sich herausstellen sollte, dass dies notwendig ist. (jh)