Im Rosengarder Einkaufszentrum.

Das Integrationsmodell scheitert

Kürzlich kam es erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen jungen Einwanderern und der Polizei in den Problemvierteln von Malmö. Sie stehen für die schwierige Integration einer Bevölkerung, die das skandinavische Modell abzulehnen scheint und sich in dem, was man bereits das "Ghetto des neuen multiethnischen Schwedens" nennt, abschottet.

Veröffentlicht am 11 Mai 2010 um 14:07
Im Rosengarder Einkaufszentrum.

Schnell fährt der Volvo auf der Amiralsgatan – der Straße, die das Problemviertel Rosengard ("Rosengarten") in Malmö durchquert. Die griechische Musik in der Fahrerkabine passt so gar nicht zu dem noch scheuen schwedischen Frühling. Andreas Konstantinidis fährt an einer Reihe von Kebab- und Falafel-Buden mit arabischer Aufschrift vorbei und biegt dann in eine kleine von Bäumen gesäumte Straße ein. Hier parkt er. Hinter dem niedrigen Holzzaun verbirgt sich ein kleiner von drei Sozialwohnungsgebäuden eingerahmter Garten. Dort kickte Zlatan Ibrahimović die ersten Male mit seinem Fuß in einen Ball. Ringsum sieht man nur verschleierte Frauen, die ihre Einkäufe nach Hause tragen.

Andreas Konstantinidis ist der Präsident dessen, was man hier das Ghetto des neuen multiethnischen Schwedens nennt. 1974 – dem Jahr, indem die Türkei in Zypern einfiel – ist er in Malmö angekommen. Die Straßen und Häuser hier kennt er alle wie seine Westentasche. Sowie die Geschichten der schwierigen Integration der 23.000 Bewohner, die aus 170 verschiedenen Ländern kommen. Die überwältigende Mehrheit stammt aus Krisen- und Kriegsgebieten: Irak, Afghanistan, Palästina, Somalia. Fast 90 Prozent der Anwohner sind arbeitslos und überleben mithilfe der berühmten skandinavischen Sozialhilfen.

Flüchtlinge, Armut, Gewalt - nichts Neues

Gewalttaten sind zum Monatsende alles andere als ungewöhnlich. [In der Nacht vom 28. auf den 29. April randalierte eine Gruppe vermummter Jugendlicher des Viertels an Schulen, Kiosken und Autos und zündeten Mülleimer an. Damit protestierten sie gegen die Festnahme eines ihrer Mitglieder. Erst nachdem die Polizei eingeschritten war, beruhigten sich die Aufständischen.]

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Nicht ein einziger Tag vergeht, ohne dass die Zeitungen über die Auseinandersetzungen mit der Polizei und das gespannte Verhältnis zwischen eingewanderten Minderheiten und der Mehrheit berichten, die immer kleiner wird (von der 270.000 Menschen zählenden Gesamtbevölkerung sind 180.000 Menschen in Schweden geboren). Die Zeitungen betonen, dass die Gründe für die angespannte Lage vor allem darin liegen, dass die Mehrheit der Ausländer politische Flüchtlinge sind. Mit anderen Worten: Sie sind nicht nach Schweden gekommen, um ein besseres Leben zu führen, sondern einzig und allein, weil sie keine Wahl hatten. Und letztendlich schleppen sie in diese friedlichen Gegenden die Konflikte ein, an denen sich ihre weit entfernten Länder immer wieder entzünden.

Rechtspopulisten in den Startblöcken

Was tun? In seinem kleinen Büro im Rathaus erklärt der 33-jährige Mattias Karlsson (Mitglied des Landesvorstands der Schwedendemokraten [Sverige Demokaterna, SD), eine Art Lega Nord in Schweden] ohne Umschweife: "Die einzige Möglichkeit ist, die Einwanderung zu stoppen. Die ohnehin besorgniserregenden offiziellen Statistiken verbergen, das Malmö dramatisch abdriftet: Beispielsweise haben schwedische Eltern im Vergleich zu denen, die zu einem oder beiden Teilen aus dem Ausland kommen, weniger Kinder. Im öffentlichen Dienst wurden viele nur deshalb eingestellt, weil sie die arabische Sprache beherrschen. In Schwimmbädern organisiert man für Männer und Frauen getrennten Unterricht. Die Tradition des Weihnachtsfestes verliert sich immer mehr, weil man befürchtet, die muslimische Bevölkerung zu diskriminieren. Ganz abgesehen von Straftaten, von denen 90 Prozent von Ausländern verübt werden, deren Opfer zu 90 Prozent Schweden sind."

Aus den Absichten seiner Partei macht Karlsson keineswegs ein Geheimnis: "In den Wahlen im kommenden September werden wir die 4-Prozent-Hürde übertreffen und ins Parlament einziehen. In Malmö haben wir bereits 7,5 Prozent und rechnen stark damit, unsere Wählerstimmen zu verdoppeln."

Schizophrenie aus Ängsten und Erwartungen

Wie viele Städte nach dem Industriezeitalter ist wohl auch Malmö eine Stadt, die ein schizophrenes Leben führt. Ungezwungener Populismus nährt hier nicht nur die Ängste, sondern auch die Erwartungen. Zum einen ist der Anteil der Einkommen aus der Industrie (und vor allem der Hafenindustrie) in den vergangenen vierzig Jahren von 50 Prozent auf 12 Prozent gesunken. Zum anderen hat die Eigendynamik der Immigration dazu beigetragen, das Durchschnittsalter der Bevölkerung so sehr zu senken, dass ganz Resteuropa nur davon träumen kann. Auch das hat Malmö zu seinem Ruf als junger und im Trend liegender Stadt verholfen.

"Es ist eine Frage des Blickwinkels", gibt der sozialdemokratische Vizebürgermeister von Malmö – Kent Andersson – zu und erklärt: "Wie alle großen Veränderungen hat auch diejenige, die Malmö erlebt, ihre guten und ihre schlechten Seiten. Genau das wird mir klar, wenn ich die Statistiken zum Durchschnittsalter der Bevölkerung präsentiere. Die Universitätsprofessoren sind begeistert: 'Welches Glück! Damit ist Ihre Zukunft gesichert!' Wenn ich darüber allerdings mit einem Polizisten spreche, so kann ich sicher sein, dass dieser den Kopf schütteln wird und sagt 'Wie ich Sie bedauere! Sie müssen eine der höchsten Jugendkriminalitätsratenhaben!' Beide haben Recht. Ich denke jedoch, dass es besser wäre, wenn man all diese Jugendlichen gut ausbilden würde – egal wie schwierig sich die Integration gestaltet –, anstatt gar keine Jugendlichen zu haben, wie in Dänemark."

Jüdische Gemeinde: "Viele sitzen auf gepackten Koffern"

Eine Frage des Blickwinkels. Sicher. Dagegen lehnt es Andreas Konstantinidis ab, aufzugeben. "Viele Rosengarder fühlen sich nicht schwedisch und wollen auch keine Schweden sein. Vielleicht sollte man mehr in die Schulbildung investieren, damit sie ihre Meinung grundsätzlich ändern. Ich jedenfalls glaube an das Modell dieses Landes und bin mir ganz sicher, dass auch sie letztendlich Erfolg haben werden. So wie ich es selbst erlebt habe."

Von den 2000 Mitgliedern der jüdischen Gemeinde teilen nur sehr wenige seine Meinung: "Damit gibt er sich falschen Hoffnungen hin. Malmö ist eine Provinz des Mittleren Ostens geworden. Unsere Studenten erhalten Morddrohungen. Wenn man in die Schulklassen geht, um vom Holocaust zu erzählen, verlassen die Ausländer den Raum, weil sie es ablehnen, uns zuzuhören. Viele von uns haben bereits die Koffer gepackt und sind nach Israel gegangen." (jh)

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