Cristiano Ronaldo während des Champion-League-Finalspiels in Rom, 27. Mai 2009 (AFP)

Aberwitz Fußball

Nach einem Jahr der Gerüchteküche hat Manchester United schließlich akzeptiert, seinen Starspieler Cristiano Ronaldo dem Real de Madrid zu überlassen – gegen eine Rekordsumme von 93 Millionen Euro. Simon Kuper von der Financial Times betont: derart Geschäfte verbessern nur selten die Resultate einer Mannschaft und haben auch nur geringen Einfluss auf die Gewinne des Clubs.

Veröffentlicht am 12 Juni 2009 um 16:13
Cristiano Ronaldo während des Champion-League-Finalspiels in Rom, 27. Mai 2009 (AFP)

Gegen Schluss des letztmonatigen Endspiels der Champions League gegen Barcelona dribbelte Cristiano Ronaldo wieder einmal auf Abwegen und verlor den Ball. Sir Alex Ferguson, der jähzornige Manager von Manchester United, sprang von seiner Bank auf, als wolle er seinen Außenstürmer anfahren.

Doch dann setzte er sich wieder hin und sparte sich die Worte an seinen bald ehemaligen Angestellten. Es sah ganz so aus, als habe Sir Alex schon stillschweigend von Ronaldo Abschied genommen. Bei United hatte man sich ausgerechnet, dass Real Madrid mehr bieten würde als der Spieler wert war – etwa die Rekordsumme von rund 93 Millionen Euro, auf die man sich dann gestern einigte.

Genau wie Unternehmensfusionen in der Businessbranche bewirken auch Fußballtransfers nur selten eine Wertschöpfung beim neuen Klub. Sie tragen selten zu Preisgewinnen oder zu sattem Profit bei. Der Transfermarkt ist irrational, vielleicht liefert Ronaldos Wechsel zu Real nur den teuren Beweise dafür.

Die Summen, die ein Klub für Spielertransfers ausgibt, stehen in geringem Zusammenhang mit seinem Erfolg auf dem Spielfeld. Stefan Szymanski, Professor für Wirtschaftswissenschaft an der Cass Business School in London, untersuchte die Ausgaben von 40 englischen Fußballvereinen zwischen 1978 und 1997 und fand heraus, dass der Kostenaufwand für Spielerübernahmen nur 16 Prozent aller Bewegungen auf der Rangliste entspricht. Im Gegensatz dazu stehen die Gehaltsausgaben im Verhältnis für 92 Prozent der Ranglistenplazierung. Je besser ein Verein seine Spieler bezahlt, desto höher sein Rang. Doch die Ablösekosten, die er an andere Vereine zahlt, scheinen keinen großen Unterschied zu machen, wie Szymanski in unserem demnächst erscheinenden gemeinsamen Buch "Why England Lose" (Warum England verliert) erklärt.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Spielertransfers dienen kaum zur Wertbildung, weil der Markt so ineffizient ist. So zahlen die Klubs gewöhnlich weit mehr für Stürmer als für Torwarte, obwohl beide Positionen gleich wichtig sind. Sie zahlen auch mehr für Spieler aus angesagten Fußball-Ländern – z.B. Portugiesen, wie Ronaldo – als für andere, wie etwa Albanier. Und sie zahlen zu viel für Spieler, die, wie Ronaldo, gerade spektakuläre Erfolge erzielt haben.

Einen Spieler auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu kaufen, ist schlechtes Timing, ganz so als würde man eine Aktie nach lauter guten Meldungen kaufen. Der Markt hat gesehen, was er kann, doch er ist erschöpft und möglicherweise erfolgsgesättigt.

Bei Real Madrid weiß man schon, dass man sehr viel mehr für den Star ausgibt als dieser an Profit für den Klub einbringt. Die Spanier haben es schon früher mit dieser Strategie versucht und viele große Spieler, die so genannten "Galacticos", eingekauft – jedoch ohne Erfolg. Von Sommer 2003 bis 2006 gewann Reals teure, mit Stars gespickte Mannschaft überhaupt nichts. Florentino Perez, der Präsident aus dieser Galactico-Ära, wurde gerade wieder ins Amt gewählt. Und erklärte sich letzte Woche bereit, den Brasilianer Kaka für 65 Millionen Euro aus dem AC Mailand auszulösen. Perez hat anscheinend aus den vergangenen Transfer-Erfahrungen keine Lehre gezogen.

Doch man darf nicht meinen, er sei nur auf erhöhte Gewinn- und Einkommenszahlen aus. Kaum ein Fußballklub kann mit einem gewinnmaximierenden Verhalten aufwarten. Real Madrid ist eine Volksdemokratie: Perez wurde von den 70.000 Vereinsmitgliedern, den "Socios", gewählt. Er hat Ronaldo für sie gekauft. Die Übernahme ist vielleicht am besten als ein Marketinggeschenk an die Real-Fans, die Sponsoren und die lokalen Medien zu verstehen. Den großen Mann abzuwerben, das heißt hier: "Ja, wir sind ein großer Klub!"

Es ist aber möglich, dass Ronaldo doch die Einnahmen des Real in einem Ausmaß ankurbelt, das im Verhältnis zu seinen Ablösekosten steht. Als José Angel Sanchez in Perez’ erster Amtszeit als Marketingdirektor des Real fungierte, erklärte er, mit dem Einkauf eines Galactico werde „alles besser“. Ronaldo ist ein Genie und besitzt zudem die Ausstrahlung eines schmollenden Boygroup-Sängers. Mit ihm kann der Real bei den Fernsehfirmen, den Sponsoren und den Clubs, die ihn zu Freundschaftsspielen einladen, die Preise nach oben treiben.

Doch das Geldverdienen ist nicht Real Madrids Hauptanliegen. Der Verein hat keine Aktionäre, sondern nur Mitglieder, und wie die meisten großen Fußballklubs verschuldet er sich ohne große Hemmungen. Diese Klubs wissen, dass ihr Name so potent ist, dass ihnen immer der eine oder andere Multimillionär aus der Klemme hilft.

Ebenso würde es kein Gläubiger je wagen, ihnen den Hahn zuzudrehen. Banken können Pleite gehen und verschwinden, große Fußballvereine nicht. Lästige Fragen über ihre Rentabilität strafen sie meist mit Verachtung. Statt dessen leben sie in der Gegenwart. Darin liegt die Vernunft des Ronaldo-Transfers.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema