ESM, der Euro-Schuldenmacher-Fonds

Mit dem Start des dauerhaften Rettungsfonds ESM verrät die EU nicht nur ihre Grundungsväter und -verträge. Dass er die Währungsunion stabiler machen wird, steht zudem in Zweifel, ärgert sich die der deutschen Stabilitätspolitik verschriebene FAZ.

Veröffentlicht am 9 Oktober 2012 um 14:52

Die Ausnahme wird zur Regel: Der Europäische Rettungsfonds ESM ist nun fester Bestandteil der Europäischen Währungsunion. Eingerichtet, um Euroländern, die sich nicht an die Spielregeln der gemeinsamen Währung halten können oder wollen, herauszupauken. Damit haben sich die Euro-Retter nicht nur über die Versprechen der Gründerväter hinweggesetzt, sondern auch über das in den EU-Verträgen geschriebene Bailout-Verbot. Das verändert das Machtgefüge und die Statik der Währungsunion, vermutlich nicht zum Besseren.

Denn jetzt ist der jungen Währung das wichtigste Druckmittel für den Zusammenhalt genommen: die glaubhafte Drohung, dass Länder, die sich nicht an Haushaltsdisziplin halten und nicht dafür sorgen, dass ihre Wirtschaft konkurrenzfähig wird, für diese Versäumnisse selbst geradestehen müssen. „Solidarität“ lautet die neue Losung. Über den ESM wird die gemeinschaftliche Haftung organisiert und institutionalisiert, mindestens eine halbe Billion Euro günstiger Kredite kann der Fonds einsetzen, über Hebel soll diese Summe noch ausgeweitet werden.

Aus Italien

Der ESM als Geisel in Merkels Wahlkampf

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„Wird der Euro bis September 2013 [und bis zu den Bundestagswahlen] überleben oder wird er unterwegs Teile verlieren, mit den kulturell-wahltaktischen Schachzügen von Deutschland unter Angela Merkel, die um keinen Preis das Kanzleramt aufgeben will? Die Frage mag paradox oder provokativ wirken“, schreibt Il Sole 24 Ore, „an diesem ‚historischen’ Entstehungstag des Europäischen Stabilisationsmechanismus (ESM)“ und während die deutsche Kanzlerin nach Athen reist, um der Sparpolitik der Regierung von Antonis Samaras ihre Unterstützung auszusprechen. „Sie ist es nicht“, heißt es in der Wirtschaftszeitung:

Es schwelt nach wie vor ein Feuer unter der Asche dieser Krise, die einfach nicht vorbeigehen will und jederzeit von neuem ausbrechen kann, in diesem gespannten, surrealistischen Europa, das sich wie die Handarbeit der Penelope inmitten einer Atmosphäre von Konflikten und alarmierender Stille immer wieder methodisch auftrennt.

In diesem Kontext wirkt ...

... der Start des ESM äußerst mehrdeutig, denn er ist nur halb einsatzbereit, was bis auf absehbare Zeit auch so bleiben wird. Dringend ist die Neufinanzierung der spanischen Banken mit 60 Milliarden Euro, doch das wird der ESM nicht tun können, weil es aufgrund des deutschen Widerstands kein Abkommen über die Alleinkontrolle durch die EZB gibt. Und weil Deutschland, die Niederlande und Finnland nun der Ansicht sind, dass der ESM nur bei neuen [nach Inkrafttreten des ESM aufgenommenen] Bankschulden helfen kann. Kurz, es wird versucht, das Spiel zu verfälschen, noch während die Regeln diskutiert werden. [...] Eines ist sicher: Merkel und ihr Finanzminister sind dabei, alle europäischen Entscheidungen vom Tisch zu kehren, die sich während des Wahlkampfes störend auf die deutsche Öffentlichkeit auswirken könnten.

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