Muss er jetzt Nein sagen? Premier David Cameron beim letzten EU-Gipfel, 19. Oktober 2012.

Geld oder Europa, David?

Die britische Regierung soll eine Kürzung des EU-Haushalts verlangen, fordern unisono die Konservativen und Labour. Damit zwingen sie Premier David Cameron in eine Kompromisslosigkeit, die in Verhandlungen nur schwer aufrechtzuerhalten sein wird. Doch das Risiko ist es wert, sagt der konservative Telegraph.

Veröffentlicht am 2 November 2012 um 16:53
Muss er jetzt Nein sagen? Premier David Cameron beim letzten EU-Gipfel, 19. Oktober 2012.

Als das Unterhaus am Mittwoch für die Forderung nach einer Kürzung des EU-Haushalts stimmte, war das vielleicht ein Schlüsselmoment in der 40-jährigen Mitgliedschaft Großbritanniens in der Union. Die Regierung mag zwar behaupten, dass diese Entscheidung nicht bindend ist, doch es ist nun politisch kaum mehr vorstellbar, dass David Cameron bei den Verhandlungen diesen Monat in Brüssel auch nur dem Einfrieren der Ausgaben zustimmen kann.

Cameron glaubt, dass er mit der Unterstützung anderer Mitgliedsstaaten ein Abkommen über sieben Jahre sichern kann, das die jährliche Erhöhung der EU-Finanzierung an den Stand der Inflation koppelt. Doch damit gäbe man der EU immer noch mehr Geld – und die britischen Abgeordneten haben es eindeutig satt, mit Versprechungen über zukünftige Reformen hingehalten zu werden.

Zu einer Zeit, in welcher Ministerien, Gemeinden, Krankenhäuser, Polizeikräfte und dergleichen allesamt harte Kürzungen vornehmen müssen, ist es einfach inakzeptabel, dass die EU nicht dasselbe tut. Das sollte nicht einmal zur Debatte stehen. Das Unterhaus hat sich im Namen eines Volkes ausgesprochen, das selbst Opfer erbringen muss, die die aufgeblähte Bürokratie in Brüssel noch nicht einmal in Erwägung ziehen will.

Es geht nicht nur um Geld

Dass die Opposition die Initiative des Tory-Abgeordneten Mark Reckless und damit die Kürzung der Ausgaben unterstützt, ist natürlich äußerst zynisch. In jedem der 13 Jahre, in denen Labour an der Regierung war, stiegen die EU-Ausgaben höher als die Inflation und ein beträchtlicher Teil der vom Land hart erarbeiteten Gelder wurde gegen Reformen der Agrarsubventionen eingetauscht, die wiederum nie verwirklicht wurden. Bis die Partei die Regierung verließ, hatte der britische Beitrag um 47 Prozent zugenommen. Es ist grotesker Opportunismus, dass Labour nun für die Reduzierung der EU-Ausgaben stimmt.

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Nichtsdestotrotz sind die Würfel gefallen. Cameron mag seine Niederlage vom Mittwoch bereuen, doch für Großbritannien ist es nun Zeit, gegen die Verschwendung und die steuerpolitische Inkontinenz der EU-Kommission Stellung zu beziehen. Greg Clark, Finanzsekretär beim britischen Finanzministerium, teilte mehreren Abgeordneten mit, Großbritannien habe einen Antrag vorgelegt, damit eine Reihe von möglichen Kürzungen der Verwaltungsausgaben untersucht werde.

Doch die Kommission habe dies abgelehnt – mit der Begründung, ihr überbezahltes Personal sei zu beschäftigt. Während gleichzeitig Nationalregierungen ihre eigenen Kosten zusammenstreichen und manche Mitgliedsstaaten sogar insolvent sind, sollte eine solche Unverschämtheit nicht länger toleriert werden.

Bei der Niederlage vom Mittwoch geht es nicht nur um Geld. Man muss sie innerhalb des breiteren Kontexts der britischen Zukunft in der EU – und der zunehmenden Entfremdung davon – betrachten. Wenn Minister wie Michael Gove offen den Zweck unserer Mitgliedschaft in Frage stellen, wird das Gefühl spürbar, dass wir nach vier Jahrzehnten in der Europäischen Union an einem Scheideweg stehen. Nun muss die Regierung die richtige Richtung einschlagen.

Haushaltsverhandlungen

Europa im Ausverkauf

„Beim Ergebnis der aktuellen EU-Haushaltsverhandlungen wird es auf drei heikle Themen ankommen: den Umfang des Haushalts, seine Aufteilung und der nationale Rabatt“, erklärt Radovan Geist, Chefredakteur von Euractiv.sk, in der Pravda.

Alle drei sind von derselben Frage abhängig: Wie viel sind wir bereit, für unsere gemeinsame Zukunft zu zahlen? Das zweite Thema scheint vorrangig zu sein, da politische Führungskräfte oft denken, dass sie diese Zukunft zum Billigpreis haben können.

Eines der auffälligsten Beispiele, so erinnert sich Geist, ist der Britenrabatt, den Margaret Thatcher 1984 aushandelte. Er ist noch für weitere sieben Jahre gültig, obwohl Großbritannien „kein armer Mitgliedsstaat mehr“ ist und auch keinen der höchsten Pro-Kopf-Beiträge zahlt. Andere Mitgliedsstaaten, die ebenfalls Rabatte bekommen, sind Deutschland, die Niederlande und Schweden: Alle drei gehören zu den höchsten Beitragszahlern, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Pro-Kopf-Verhältnis. Vor ein paar Tagen erst beantragte Dänemark – der zweitgrößte Pro-Kopf-Beitragszahler – einen Haushaltsrabatt. Frankreich und Italien – der zweit- bzw. drittgrößte Beitragszahler in absoluten Zahlen – haben es noch nicht getan, werden jedoch erwartungsgemäß einen Ausgleich in Form von Zugeständnissen in der Agrar- und Regionalpolitik verlangen. Auch Finnland könnte einen Rabatt beantragen.

Europäische Spitzenpolitiker vergessen, dass die EU-Ausgaben zuallererst in Ziele investieren, die von allen Mitgliedsstaaten gesetzt werden. [...] Doch statt eines Europa zum Rabattpreis könnten sie letztendlich ein Europa bekommen, das als Ausverkauf verschleudert wird.

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