In einem Kasino bei Kyrenia, im türkischen Teil von Zypern.

Grüner Filz hinter der grünen Linie


Der türkische Teil Zyperns versucht trotz internationalen Embargos seine eigenen wirtschaftlichen Ressourcen zu entwickeln. Erfolgreichster Trend: Kasinos, um ausländische Touristen anzulocken.

Veröffentlicht am 2 August 2010 um 15:28
In einem Kasino bei Kyrenia, im türkischen Teil von Zypern.

Kann man ein Land aufbauen, indem man Kasinos baut? Ja, antwortet die politische Führung Nordzyperns. Das Land, das nach der Spaltung der Insel 1974 in einen griechischen und einen türkischen Teil, entstand, hatte 1983 seine Unabhängigkeit proklamiert, wird aber international einzig und allein von der Türkei anerkannt. Die Türkische Republik Nordzypern unterliegt einem strikten internationalen Embargo: in Politik, Wirtschaft, Tourismus und Kultur.

Die Türkei — "das Mutterland", wie die türkischen Zyprioten sagen — ist die Verbindung zur Außenwelt. Nur von dort kommen Flieger ins Land. Von dort kommen Banken und die Währung: die türkische Lira. Von dort kommen die Lebensmittel in die Läden. Nordzypern "exportiert" in die Türkei hauptsächlich Zitrusfrüchte und einen recht ordentlichen Raki. Doch der größte Geldfluss aus der Türkei landet auf den Spieltischen Nordzyperns. Hier ist von der Krise nichts zu spüren. Das Land profitiert vom Wirtschaftsboom der Türkei, der auch unter der weltweiten Wirtschaftskrise nicht gelitten hat.

Die Zentralbank Nordzyperns verzeichnet einen Überschuss von 4,5 Milliarden Dollar, bei einem "Staat" mit 200.000 Einwohnern. Ein großer Teil dieses Gelds stammt aus der Besteuerung der Kasinos. Letztere sind in der Türkei verboten, was für Nordzypern ein wahrer Glücksfall ist. Denn so kommen die Anatolier ins Land, um hier ihr Glück zu versuchen. Aber nicht nur sie. Es kommen auch Touristen aus Israel oder Westeuropa hauptsächlich Engländer, die das Embargo umgehen, um dem Glücksspiel zu frönen. Just am 20. Juli, dem Nationalfeiertag der selbsternannten Republik, öffnete ein neuer Hotel-Kasino-Komplex in Kyrenia, einem malerischen Hafenstädtchen im Norden der Insel.

Spricht man von der Isolierung der Region, so ist das mit Vorsicht zu genießen. Sicher, noch sind 30 bis 40.000 türkische Soldaten vor Ort stationiert. Überall sieht man Militärgebiete und Stacheldraht. Doch zahlreiche türkische Zyprioten besitzen einen Pass der Republik Zypern und können somit wie jeder gewöhnliche EU-Bürger umherreisen. Sie könne auch problemlos die Grüne Linie passieren, die das Land teilt. Zahlreiche Türken arbeiten im griechischen Teil, wo die Löhne rund 50 Prozent höher sind als im Norden (wo das durchschnittliche Monatseinkommen bei 600 Euro liegt). Die Beziehung der türkischen Zyprioten mit dem "Mutterland" ist auch nicht nur rosig. Die Regierung in Ankara hat jüngst seine Subventionen für die Insel gekürzt. Und die größte Befürchtung ist, dass die Türkei Nordzypern zum Tauschobjekt macht für den heißersehnten EU-Beitritt. (js)

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