Die Sparwelle, die durch Europa flutet, wird den Verteidigungssektor schwer treffen. Deutschland arbeitet an Kürzungen seiner Militärausgaben: In vier Jahren sollen diese um eine Milliarde reduziert werden. Zudem spielt man mit dem Gedanken, die Wehrpflicht abzuschaffen. Frankreich will bis 2013 3,5 Milliarden Euro einsparen. Großbritannien muss die schmerzhaften Sparmaßnahmen seiner Regierung umsetzen. Laut der Experten wiegen diese fast zehn Prozent des Haushaltes. Dieser Trend zeichnet sich auf dem ganzen Kontinent ab: Kürzungen im Verteidigungssektor sind sozial weniger explosiver Stoff als in anderen Bereichen.
Die zugedrehten Hähne haben die europäischen Regierungen dazu bewegt, nach neuen Formen der Zusammenarbeit zu suchen, um ihre Mittel zu optimieren und die Handlungsfähigkeit ihrer Armeen aufrechtzuerhalten. Gerade haben Frankreich und Deutschland eine Arbeitsgemeinschaft ins Leben gerufen, welche mit der Untersuchung "der Themen" beauftragt ist, "für welche eine Zusammenlegung und gemeinsame Nutzung möglich sei". Vor allem geht es um "Haushaltseinsparungen und größenbedingte Kostenvorteile", erklärte der französische Verteidigungsminister Hervé Morin im Juli. Paris und London haben eine andere bilaterale Kommission gebildet. Nach mehreren Jahren, in denen man auf der Stelle trat, scheinen die Dinge ins Rollen zu kommen.
Doppelte Infrastrukture, doppelte Ausrüstung. Wozu?
"Verschwunden sind die Vorbehalte dennoch nicht wie durch Zauberei. Aber ich denke, dass dank dieser Situation innerhalb der kommenden Jahre mittelfristige Fortschritte gemacht werden können", meint der ehemalige Vorsitzende der Europäischen Verteidigungsagentur – Nick Witney.
Vor allem eines wollen die Regierungen: Doppelte Infrastrukturen und Ausrüstungen – und die damit verbundene Geldverschwendung – vermeiden. Natürlich würde die Führungselite gern für immer die totale Kontrolle über die Mittel behalten, die an der Front verwendet werden. Allerdings gibt es im Bereich der Nachhut viel Spielraum für Zusammenarbeit.
Sogar britische Konservative wollen ein wenig kooperieren
"Ganz allgemein ist der Gedanke verbreitet, dass die Dinge umso komplizierter sind, umso näher man an die Front kommt", fasst Witney das Problem zusammen. "Was die Bildung staatsübergreifender Einheiten angeht, bin ich skeptisch. Allerdings gibt es Bereiche, in denen eine engere Zusammenarbeit politisch annehmbar ist. Beispielsweise im Bereich der Forschung und der Entwicklung, oder der Verteidigungsinfrastrukturen. Es gibt keinen Grund dafür, warum ein jedes Land dazu gezwungen sein sollte, seine eigene Infrastruktur zu haben, um die gleichen Maschinen zu warten und zu reparieren. Das trifft auch für die Tests und die Bewertung von Waffen, Munitionen und Sprengkörpern, sowie die Gebläse zu, die bei der Entwicklung von Flugzeugen benutzt werden. Aber auch für die Becken, in denen Schiffe getestet werden."
Bestimmte bilaterale Beziehungen können auch noch weiter gehen. "Beispielsweise gibt es zwischen Frankreich und Großbritannien mehr Spielraum für Zusammenarbeit", führt Witney fort. "Der rechte Flügel der machthabenden Konservativen in London steht der Verteidigungspolitik der EU noch immer sehr skeptisch gegenüber und zieht es vor, alles in Richtung NATO zu delegieren. Jedoch ist sogar er bereit, die Zusammenarbeit mit Frankreich auszubauen – einem Land, welches in seinen Augen bereit ist, zu zahlen und zu kämpfen."
In der Senkung der Mittel für alle liegt das Interesse
Auch wenn es undenkbar ist, Kampfflugzeuge zu teilen, so ist es absolut vorstellbar, die Infrastrukturen, Entwicklungs-, Wartungs- und Trainingszentren, sowie Transportmittel gemeinsam zu nutzen. "Mehrere Untersuchungen haben ergeben, dass Einsparungen möglich sind, wenn man zusammenarbeitet", stellt die Programmbeauftragte für Militärausgaben des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts (SIPRI) – Elisabeth Sköns – klar. "Verantwortlich dafür, dass das so lang dauert, sind vor allem der Schutz der nationalen Industrie- und Technologiestützpunkte des Militärs, sowie die Verteidigungspolitiken. Diese Probleme sind noch immer aktuell, fallen heutzutage aber weniger ins Gewicht, weil innerhalb der EU harmonisiert wird."
Die Haushaltswürfel sind gefallen und Europa wird sich entscheiden müssen, ob es seine militärischen Mittel senkend optimieren will. Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien – die fünf wichtigsten europäischen Mächte (deren BIP nur geringfügig unter dem der USA liegt) –, haben im Jahr 2009 165 Milliarden Euro für ihr Militär ausgegeben (das sind dreimal weniger als die USA). Im gleichen Jahr hat China sein Verteidigungsbudget um 217 Prozent, Indien um 67 Prozent erhöht. Wenn man sich das Budget der fünf wichtigsten europäischen Länder anschaut, so beträgt die durchschnittliche Erhöhung zehn Prozent. (jh)