Ideen Europäische Union

Wunschtraum Bankenunion

Seit zehn Jahren wird die Bankenunion nun schon auf die lange Bank geschoben. Ob der bevorstehende EU-Gipfel am Donnerstag daran etwas ändern wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Eines aber steht fest: Auf dem Altar der nationalen Interessen einiger Mitgliedsstaaten wird viel zu oft das Allgemeinwohl geopfert, beklagt ein Polityka-Kolumnist.

Veröffentlicht am 12 Dezember 2012 um 12:32

Was auch immer beim Gipfel der EU-Spitzen am Donnerstag das Licht der Welt erblicken wird: Es wird nicht die Bankenunion sein. Obwohl sie monatelang diskutiert wurde. Stützen sollte sie sich auf vier Pfeiler: Eine einheitliche Bankenaufsicht, ein Einlagensicherungssystem, einen genauen Plan zum ordnungsgemäßen Abbau unrentabler Einrichtungen, und einen gemeinsamen Regelungsrahmen für supranationale Banken.

Läuft alles wie am Schnürchen, wird zumindest der erste dieser Punkte umgesetzt werden. Allerdings ist selbst das höchst zweifelhaft. Und selbst wenn man eine solche einheitliche Europäische Bankenaufsichtsbehörde schaffen würde, wäre es maßlos übertrieben, dieser den Namen „Union“ zu geben.

Eine Bankenunion hätte eigentlich schon vor zehn oder fünfzehn Jahren geschaffen werden müssen. Schließlich haben wir längst so etwas wie einen Finanzbinnenmarkt, d. h. europäische Banken, die länderübergreifend tätig sind, Investoren, die Staatsanleihen des Nachbarlandes kaufen, und Bürger, die Konten in anderen Mitgliedsstaaten einrichten. Die einzigen, die noch immer ausschließlich national verankert sind, sind die Finanzwächter.

Nationale Interessen verhindern die Union

Demzufolge ist die Regulierung großer Banken in Europa auch wesentlich weniger ausgeprägt als in den USA. Noch schlimmer ist aber, dass die EU nicht einmal annähernd so etwas hat wie das Chapter 11, welches [hochgradig verschuldeten Unternehmen, die Insolvenz anmelden], eine [überwachte Reorganisierung der Finanzen] ermöglicht.

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Und wieder sind es nationale Interessen, die eine engere Union verhindern. Deutschland möchte seine Sparkassen keiner gemeinsamen Bankenaufsicht unterstellen. Frankreich würde einheitlichen Regelungen gern ganz aus dem Weg gehen, insbesondere was die erforderlichen Eigenkapitalmittel angeht. Und die Niederlande wollen nicht für das Einlagensicherungssystem aufkommen. Der größte Gegner der Bankenunion aber ist Großbritannien, das sich vor einem tödlichen Angriff auf die City fürchtet – Europas finanziellem Herz und wichtigstem Wachstumsmotor der britischen Wirtschaft. David Cameron wird beim Gipfel wohl ein Veto im Gepäck haben.

Ein Gipfel der politischen Hilflosigkeit

Mit der Bankenunion hätte man einen weiteren Schritt auf dem Weg zum europaweiten Wirtschaftsaufschwung zurückgelegt. Stattdessen aber steuern wir geradewegs auf einen weiteren Gipfel der politischen Hilflosigkeit zu. Und dieser wird noch peinlicher werden, zumal die EU-Spitzen gerade erst den Friedensnobelpreis in Osloentgegengenommen haben.

Allerdings wird die Tatsache, dass man sich europaweit einfach nicht einigen kann, eine ganz konkrete Folge haben: Die Länder der Eurozone werden ihre [eigene] Bankenaufsicht schaffen. Sollte der Gipfel der 27 Mitgliedsstaaten in einem Fiasko enden, werden 18 von ihnen dennoch mit dem klaren Auftrag [abreisen], wenigstens untereinander für noch mehr Integration zu sorgen. Der Vorschlag eines separaten Haushalts für die Eurozone wurde bereits unterbreitet. (j-h)

Verhandlungen

Schweden und Tschechische Republik wollen sich raushalten

Das zweitgrößte Banken-Zentrum außerhalb der Eurozone könnte sich zu Großbritannien gesellen und einer europäischen Bankenunion fernbleiben, zumal es ahnt, dass jenen, die nicht zur Eurozone gehören, nur unzureichende Rechte zugesprochen werden. In Zukunft

wird Großbritannien also mit seinem unerschütterlichen Verbündeten gemeinsam darauf bestehen können, dass die Europäische Zentralbank die technischen Regelungen der EU nach der Übernahme der Überwachungsaufgaben nicht allzu sehr im Alleingang festlegt

schreibt die Financial Times.

Die tschechische Regierung droht ebenfalls damit, ein Veto gegen die Pläne für die Bankenunion einzulegen und prangert die Übertragung von Aufsichtsbefugnissen auf die EZB an. Zahlreiche tschechische Banken sind Tochtergesellschaften von Banken innerhalb des Euroraums. Folglich will Regierungschef Petr Nečas vermeiden, dass Tschechiens Bankensystem für die Darlehensgeber der Eurozone zu einer Art Topf voller Geld wird. „Entweder akzeptiert die EU die Sondererklärung der Tschechen, oder es wird keine Bankenunion geben“, schreibt das Wirtschaftsblatt Hospodářské noviny.

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