Bei der Räumung des Romalager von Anglet (im Südwesten Frankreichs), 13. August 2010.

Paris im Club der Hardliner

Nicolas Sarkozys rigoroser Schwenk zu mehr Sicherheit stellt Frankreich in den Kreis der Mitgliedsstaaten mit den härtesten Maßnahmen gegen Immigration. Andere Staaten wie Deutschland oder Spanien gehen da sanfter vor.

Veröffentlicht am 19 August 2010 um 15:58
Bei der Räumung des Romalager von Anglet (im Südwesten Frankreichs), 13. August 2010.

Wenn Nicolas Sarkozy hier weniger als zwei Jahre vor der Präsidentschaftswahl entscheidet, die Sicherheit in den Mittelpunkt seiner Politik zu rücken und die illegale Einwanderung und die Anwesenheit der Roma in unserem Land anzuprangern, bringt er Frankreich in den sogenannten "Club der Hardliner": Länder, deren Sicherheitspolitik stark von der Rechten beeinflusst sind.

Der "Club der Hardliner"

In Italien bedeutet Sicherheit Kampf gegen illegale Einwanderung. Man kann dabei eher von Banalisierung als von Radikalisierung sprechen. Die populistische und fremdenfeindliche Partei Lega Nord, die ein Stützpfeiler der Koalition von Silvio Berlusconi und der Partei des Innenministers Roberto Maroni ist, hat dem Thema Priorität in der Regierung beigemessen. Der Minister glaubt, nach dem Abkommen mit Libyen den Anlandungen von illegalen Einwanderern an den italienischen Küsten Einhalt geboten zu haben (minus 88 Prozent zwischen dem 1. August 2009 und dem 31. Juli 2010). Er schert sich nicht um die Kritiker, die ihm eine Missachtung des Asylrechts und Rücksichtslosigkeit gegenüber den nach Libyen abgeschobenen Einwanderern vorwerfen.

Zudem ist er stolz auf die von seiner Partei vorangetriebene Verschärfung der Rechtssprechung durch die Einführung des "illegalen Einwanderungsdeliktes", das im August 2009 geschaffen wurde, und die Aufenthaltsgenehmigung nach Punkten vom Februar.

In den Niederlanden hat Geert Wilders es geschafft, ein Klima zu erzeugen, in dem sich Fragen zu Sicherheit, Integration von Ausländern und der Stellung des Islam miteinander vermischen. Die künftige Regierung, die sich sicherlich aus einer Minderheitenkoalition von Liberalen und Christdemokraten zusammensetzen und von außen von Wilders Partei unterstützt werden wird, hat den Kampf gegen die innere Unsicherheit in ihr Programm aufgenommen. Wilders möchte ausländische Straftäter in ihr Land zurückschicken und eine Steuer auf den islamischen Schleier erheben.

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In der Schweiz hat die Volkspartei (SVP) seit ihrem Wahldurchbruch 1999 dazu beigetragen, die Sicherheitsfrage zu verschärfen. Die größte Partei des Landes sieht im "Ausländer" den Feind, der die Schweizer Werte bedroht, egal, ob es sich um einen Flüchtling, Pendler über die Grenze, radikalen Islamisten oder Roma handelt. Mehr als ein Viertel der Schweizer Wählerschaft stimmt diesen fremdenfeindlichen Ideen zu und drängt die Parteien der traditionellen Rechten dazu, das gleiche Feld zu beackern.

Der "Club der Moderaten"

In Deutschland ist die Sicherheitspolitik voll und ganz auf den Kampf gegen den islamistischen Terrorismus und die Neonazis ausgerichtet. Das legislative Arsenal wurde seit den Attentaten vom 11. September 2001 unaufhörlich verstärkt. 2009 wurde ein sehr umstrittener Text vom Bundestag verabschiedet, der es ermöglicht, eine Person für die "Vorbereitung" einer Straftat zu verurteilen. Doch aus historischen Gründen werden Angriffe auf bestimmte ethnische Gruppen allgemein von der Öffentlichkeit missbilligt. Nur die schwindend kleine Neonazi-Partei NPD (weniger als zwei Prozent der Stimmen bundesweit) zieht aus Angriffen auf Ausländer ihre Vorteile. Die Partei wird als politisch unglaubwürdig und als eine Gefahr für die Demokratie angesehen. Die unzureichende Integration der Gemeinschaft türkischer Herkunft führt allerdings in Deutschland regelmäßig zu Schlagzeilen.

In Spanien zentriert sich die Sicherheitsfrage traditionell um den Kampf gegen den Terrorismus der ETA. Die sozialistische Regierung von José-Luis Zapatero hat dem Ganzen eine neue, stark von den Medien geprägte Priorität hinzugefügt: Der Gewalt gegenüber Frauen. Die Sicherheitspolitik dreht sich auch um die illegale Einwanderung. Ende 2008 wurde eine "Brigade zur Abschiebung ausländischer Delinquenten" innerhalb der Nationalpolizei gebildet. Daraufhin wurden 2009 7600 ausländische Straftäter abgeschoben. Das Inkrafttreten Ende 2009 der Reform des Ausländergesetztes hat insbesondere die Höchstdauer der Gewahrsam von illegalen Einwanderern in Durchgangslagern von 40 auf 60 Tage erhöht. Aber außer der 2003 gegründeten katalanischen ausländerfeindlichen Partei Plataforma per Catalunya vermischen die Politiker Immigration und Kriminalität kaum.

Die britische Besonderheit

Der konservative Premier David Cameron möchte dem "Überwachungsstaat" eine neue Richtung geben, den die Labour-Partei im Anschluss an die Terrorattentate im Juli 2005 in London mitgestaltet hat. Er will die Nutzung der circa 4,2 Millionen Überwachungskameras in den Straßen Großbritanniens regulieren und das Demonstrationsrecht verstärken, das in den letzten Jahren stark angeschlagen wurde. Außerdem dürfte die "Great Repeal Bill" die Aufbewahrungsvorschriften der DNA-Dateien des Landes verändern. (sd)

Aus Bukarest und Sofia

Rückführungen unnütz und heuchlerisch

Während am 19. August 93 rumänische in Frankreich lebende Roma "freiwillig humanitär nach Rumänien zurückgeführt wurden", sieht der Evenimentul Zilei voraus, dass "die meisten von ihnen so schnell wie möglich wieder nach Frankreich zurückkehren werden." Da Rumänien über keine "konkreten Reintegrationsprogramme" dieser Bevölkerung verfügt, "ändert sich das Problem nicht und bleibt weiterhin bestehen", sobald die "französischen Journalistenteams, die nach Bukarest gekommen waren, um Stimmungsbilder zu machen" wieder abfahren. In Bulgarien wirft die Tageszeitung Novinar den europäischen Politikern vor, "bei den Roma mit zweierlei Maß" zu messen. Dabei beruft sie sich auf den Versuch der Behörden in Sofia, ein Roma-Camp im Stadtzentrum aufzulösen, was aber aufgrund des Drucks der EU scheiterte. Jetzt fragt sie sich, warum sich diejenigen, die damals reagiert haben, nicht auch gegen Nicolas Sarkozy auflehnen.

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