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Die Halbinsel Dingle im County Kerry, Irland

Irland ist wieder grün

Auf der Suche nach Wegen zum Schuldenabbau hat Irland eine hohe CO2-Steuer auf alle fossilen Brennstoffe eingeführt, die sowohl die Unternehmen als auch private Haushalte trifft. Wirtschaft und Umwelt sind damit gleichermaßen geholfen, freut sich La Repubblica.

Veröffentlicht am 7 Januar 2013 um 16:18
via FlickrCC  | Die Halbinsel Dingle im County Kerry, Irland

Harte Zeiten. Irland ist bestrebt, die Krise möglichst schnell zu bewältigen. So hat nicht nur das spezielle Rettungsprogramm des Internationalen Währungsfonds, der die Kassen des Landes vor wenigen Wochen mit 1,17 Milliarden US-Dollar gefüllt hat, zur Rettung der grünen Insel beigetragen. Die Regierung und die Bevölkerung sind auch tätig geworden und haben eine sehr originelle Wachstumsstrategie umgesetzt, die auf erneuerbaren Energieträgern beruht.

Der Zeitschrift The Economist zufolge ist Irland heute die umweltfreundlichste Nation Europas und sollte in der Lage sein, das Haushaltsdefizit dank eines Wirtschaftswachstums, das bis zu 2 Prozent betragen könnte, so weit abzubauen, dass es nur mehr knapp 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt.

Um das wirtschaftliche Steuer des Landes herumzureißen und Energie zu sparen, hat die Regierung begonnen, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen in Haushalten, Bürohäusern, Autos und Werken zu besteuern. Je höher der Kohlendioxidausstoß, desto höher die zu entrichtende Gebühr. Und wer seinen Müll nicht getrennt erfasst und die Umwelt belastet, muss noch tiefer in die Tasche greifen. In den letzten drei Jahren wurden die Abfälle der irischen Haushalte systematisch geprüft und gewogen.

Neue Lebensweise

Als der Preis von Erdöl, Erdgas und Kerosin um 5 bis 10 Prozent in die Höhe schoss, stand die Bevölkerung vor eine schwierige Entscheidung: Sie konnte entweder die Umwelt weiterhin verschmutzen und ihr Geld für Steuern ausgeben, oder sich umweltfreundlicher verhalten. Die Iren haben sich für die zweite Möglichkeit entschieden. Heute hat das Land nicht nur die Krise gemeistert, sondern ist auch stolz darauf, eine hervorragende Energiebilanz aufweisen zu können. Die Emissionen sind seit 2008 um 15 Prozent zurückgegangen. 2011, als die Wirtschaft wieder anfing zu wachsen, fiel der Schadstoffausstoß sogar um 6,7 Prozent.

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Dabei zählte das Land noch vor einigen Jahren zu den größten Treibhausgasproduzenten Europas, mit Werten, die den nun wirklich nicht als umweltfreundlich bekannten USA zu Ehren gereicht hätten. „Wir sind keine Heiligen wie die Skandinavier“, meinte Eamon Ryan, Energieminister von 2007 bis 2011, in einem Gespräch mit der New York Times, „wir verbrennen weiterhin fossile Brennstoffe und kaufen Autos und immer größere Wohnungen und Häuser, wie die Amerikaner. Aber wir haben unsere Lebensweise allmählich geändert.“

Die CO2-Steuer, die dem Staat in drei Jahren rund 1 Milliarde Euro eingebracht hat (400 Millionen Euro allein im Jahr 2012) wurde von den Parteien wohlwollend aufgenommen. Auch die Bevölkerung hat sich nicht quergestellt, sondern in erneuerbare Energieträger investiert und sich dem konsequenten Recycling verpflichtet. Nicht zu vergleichen mit der Haltung in den USA, wo die Ökosteuer am kategorischen Nein der Republikaner scheiterte.

Sparopfer nicht auf Kosten der Umwelt

Wenn ein Ire heute einen Neuwagen kauft, bezahlt er eine Steuer, die der Umweltverschmutzung des Fahrzeugs entspricht. Vor wenigen Wochen hat Renault-Nissan ein Abkommen mit der Regierung und ESB (dem größten Stromversorger des Landes) unterzeichnet, um den Einsatz von Elektroautos im Straßenverkehr zu fördern.

Die ökologische Wende wurde auch dank einer sehr wirksamen, von der Regierung initiierten Aufklärungskampagne unter dem Motto „Tackle litter before it tackles you“ [Greife den Müll an, bevor er dich angreift] sehr gut aufgenommen. Das Fernsehen strahlte einen unterhaltsamen Streifen aus, in dem ein Mülleimer Passanten verfolgt und attackiert, die ihre Abfälle einfach auf die Straße werfen.

Den Daten nach, die letztes Jahr anlässlich des EU-Gipfeltreffens über den Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall (WEEE Eurosummit) veröffentlicht wurden, steht Irland mit 9 kg pro Einwohner an erster Stelle der Rangliste der Elektronikschrott sammelnden Länder, dann folgen Deutschland mit 8,2 kg und Großbritannien mit 7,5 kg. Italien gelingt es mit mageren 4,7 kg je Einwohner gerade, sich über der von der Europäischen Union geforderte Mindestgrenze von 4 kg zu halten.

Das irische Wachstumsprogramm 2013 umfasst neue Steuern und Ausgabenkürzungen. Maßnahmen, die der Umwelt sicher guttun, aber, so die Experten, die auch die ärmsten Schichten in die Knie zwingen. Aus diesem Grund hat die Regierung beschlossen, nun auch Zigaretten höher zu besteuern, die als Luxus der Wohlhabenden gelten. Eines ist sicher: Die Krise kann nicht bewältigt werden, ohne Unzufriedenheit auszulösen und Opfer zu fordern. Zumindest gehen diese Opfer einmal nicht zulasten unseres Planeten.

Aus Dublin

Schwarzes Gold bedroht grüne Versprechen

Der neu gefundene Ruf der Iren als Umweltschützer ist nach dem angekündigten Fund riesiger Erdölvorkommen in der Irischen See nun gefährdet. Allein das Barryroe-Ölfeld vor der Küste von Cork soll Schätzungen zufolge rund 1,6 Milliarden Barrel enthalten, was zwar Tausende von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen schaffen, doch gleichzeitig die Städte Cork und Galway an der irischen Westküste in „grüne Miniversionen von Dallas im Erdölfieber“ verwandeln könnte, schreibt Kim Bielenberg im Irish Independent. Sie fügt hinzu:

Bis vor kurzem warfen die Kritiker der irischen Erdölsuche vor, sie produziere viel Stuss und nur wenig Erguss. Doch nun wird die gesunde Skepsis gegenüber der Branche von Optimismus abgelöst: Ein Energie-Boom könnte bei der Sanierung unserer Wirtschaft ja eine Rolle spielen.

Manche Kritiker beschweren sich, die 25-prozentige Regierungssteuer auf Erdölfunde sei zu niedrig und es ginge dringend benötigtes Einkommen dadurch verloren, andere wiederum befürchten Umweltschäden für die Region. Weiter schreibt Bielenberg:

Die Vorteile der neuen Energieindustrie mit ihrem Potential für gesteigerte Steuereinnahmen, eine verminderte Abhängigkeit von Brennstoffimporten und neue Arbeitsplätze könnten sich als zu unwiderstehlich herausstellen.

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