Brüssel sollte die Oberaufsicht bekommen

Beim EU-Gipfel Ende der Woche wird es vor allem um die Strukturfonds im Haushalt 2014-2020 gehen. Anstatt die Staaten die EU-finanzierten Großprojekte selbst ausführen zu lassen, könnten das auch direkt die Kommission oder die Nettozahler übernehmen.

Veröffentlicht am 5 Februar 2013 um 12:29

Ehrgeizige Pläne gibt es nicht gerade viele. Und die Tatsache, dass es uns 2012 nicht gelungen ist, 3,5 Milliarden Euro aus den Strukturfonds einzuwerben, spielt auch keine so große Rolle. Egal, 2013 werden uns mindestens fünf Milliarden zur Verfügung gestellt!

Wie wäre es denn mit ein bisschen mehr Wirklichkeitsnähe, um vielleicht doch einmal gegen den Strom zu schwimmen? Zunächst einmal bringt es nichts, sich Illusionen zu machen: Egal welch großartige Pläne wir auch ausarbeiten, die rumänischen Behörden sind einfach nicht bereit, europäische Mittel zu verwalten.

Na und? Warum sollte Rumänien seine von der Union finanzierten Großprojekte nicht einfach „outsourcen“? Beispielsweise große Straßen- und Schienennetze, Energieverbundmaßnahmen, Modernisierungsprogramme für See- und Binnenhäfen. All diese Programme, von deren Erfolgen die ganze Union profitiert.

Eigentlich könnte doch die Kommission diese Art von Projekt leiten. Sie verfügt nicht über die notwendigen Instrumente, um die Ausschreibungsverfahren einzuleiten und ihre Umsetzung zu beaufsichtigen? Dann soll sie diese doch einfach schaffen – an Arbeitskräften und Ressourcen mangelt es ja nicht! Und sollte das Ganze ein bisschen dauern, können die Mitgliedsstaaten übergangsweise die Aufsicht übernehmen, also die Nettobeitragszahler. Müssen dafür die Verträge geändert werden? Na dann schlagen wir das doch einfach vor!

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Zentralisierung der Projekte von europäischer Reichweite

Letztendlich ist es doch so, dass die Kommission und die großen Nettozahlerländer an einer schnelleren Verbindung zwischen Nordeuropa und den Donau- und Schwarzmeerhäfen interessiert sind, oder? Warum sollten sie dann nicht auch an einem Verbund der Energienetze oder dem Bau von Industrieparks interessiert sein, in denen sich ihre Unternehmen niederlassen könnten? Wir würden uns natürlich ebenso finanziell beteiligen und selbstverständlich auch unseren rechtlichen Teil beisteuern. Davon würden alle Europäer ihren Nutzen ziehen.

Freilich müssen die strategischen Investitionen für „Europa 2020“ vom „Zentrum“ aus gesteuert werden, genau wie es der Haushaltszyklus 2014-2020 vorsieht, d. h. die Kommission schließt die Verträge mit den Mitgliedsstaaten und den Regionen ab. Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich dagegen, ihre Investitionsprioritäten zu überprüfen und an die Zielvorgaben anzupassen.

Die vom EU-Kommissar für Regionalpolitik, Johannes Hahn, vorgestellten Gesetzgebungsvorschläge wollen die Regelungen zu den verschiedenen Fonds harmonisieren, „einschließlich des Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und des Meeres- und Fischereifonds“. Ziel ist es, die „Kohärenz von EU-Maßnahmen zu steigern“.

Warum sollten wir also nicht noch weitergehen und fordern, dass die Projekte von europäischer Reichweite, die einer Prioritätenliste unterworfen sind, nicht auch „zentralisiert“ verwaltet werden?

Marshallplan

So könnte sich der deutsche, niederländische und schwedische Steuerzahler sicher sein, dass sein Geld effizienter verwendet wird, Ausgaben besser kontrolliert werden als kümmere sich das Land selbst darum, und keinerlei Fonds irgendwo in irgendwelchen Taschen mafiöser Organisationen auf dem Balkan verschwinden.

Ein solcher Mechanismus würde schon viel eher einem Marshallplan gleichen und den EU-Bürgern viel mehr das Gefühl geben, dass sie einer Solidaritäts- und Interessengemeinschaft angehören. Und obendrein hätten die Empfängerländer ein wirkliches Vorbild vor Augen, das ihnen zeigt wie sie andere Projekte, die weniger umfangreich sind und in den Kompetenzbereich der Lokalbehörden fallen, richtig gut umsetzen können.

Natürlich könnte man unter Berufung auf das Subsidiaritätsprinzip erwidern, dass die Entscheidungen über die Verwendung von EU-Fonds möglichst von jenen getroffen werden müssten, die davon profitieren. Theoretisch leuchtet das auch durchaus ein. Was aber ist zu tun, wenn sich sogenannte lokale Eliten, also Wirtschaftskriminelle, die Entscheidungsgewalt an sich reißen? Wer steht den Bürgern und ihren Interessen näher? Die EU-Kommission oder die Herren vor Ort?

Brüssel bakäme eine echte Rolle

Nähe meint hier natürlich die politische Nähe, nicht die geographische. Was bringt dem Bürger mehr? Wenn Mittel für tausende oder gar zehntausende unvollendete Projekte vergeudet werden, nur damit sie die Konten „befreundeter“ Unternehmer füllen und über Rückprovisionen Wahlkampagnen finanzieren? Oder wenn ein ganzes Bündel von Projekten in Europa wirklich etwas bewegt?

Es wäre gar nicht so uninteressant, wenn Rumänien und möglicherweise auch Bulgarien eine solche Initiative ergreifen und sie in eine Reform der europäischen Institutionen einbetten würden. Für die „Beitragszahler“ und die „Empfänger“ würden aus Brüssel dann wahrhaftige Entwicklungsimpulse ausgehen und die Stadt nicht mehr nur als pathetisches Symbol einer realitätsfremden Bürokratiemaschine wahrgenommen werden.

Ferner wäre ein auf Investitionen und Entwicklung konzentrierter Kontinent, der für mehr Zusammenhalt sorgt und den gemeinsamen Binnenmarkt stärkt, eine großartige Antwort auf die britischen Zentrifugaltendenzen. Und obendrein würde es sich dabei um eine „Übertragung der Souveränität“ handeln, die alle Empfänger der Projekte auch verstehen und unterstützen würden. (jh)

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