Nein, die Eurokrise ist noch nicht vorbei!

Die aktuelle Wachstumsbeschleunigung in der Eurozone ist nur vorübergehend. Eines muss den Europäern klar sein: Die grundlegenden Probleme der Eurozone sind nicht gelöst, meint der "Wirtschaftsweise" Nouriel Roubini.

Veröffentlicht am 20 September 2010 um 11:47

Der Rettungsschirm hat es im Mai ermöglicht, Griechenland vor dem sofortigen Bankrott und die Eurozone vor dem Zerfall zu retten. Doch heute haben die Differenzen der Leitzinssätze wieder Höchstwerte erreicht. Mit dem zeitweiligen Wachstum der Eurozone im zweiten Quartal haben sich die Finanzmärkte wieder erholt, doch ist es heute offensichtlich, dass diese Besserung nur vorübergehend ist. Das Wachstum der BIPs der Länder am Rand der Eurozone ist entweder rückläufig (Spanien, Irland und Griechenland) oder sehr schwach (Italien und Portugal).

Selbst der derzeitige Erfolg Deutschlands kennt jede Menge Hindernisse. Aus dem Konjunkturprogramm ist ein Sparkurs geworden, der das Wachstum hemmen kann. Die Lagerbestände sind abgebaut und die Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur (wie die Abwrackprämie) beendet. Die Verlangsamung des globalen Wachstums — mit der realen Gefahr eines Rückfalls in den USA und in Japan — wird das Exportwachstum behindern, selbst für die Deutschen.

Für die "peripheren“ Länder der Eurozone bleibt alles beim Alten: Haushaltsdefizite, Schuldenberge, enorme Leistungsbilanzdefizite im privaten Sektor, Verlust an Wettbewerbsfähigkeit... Darum ist Griechenland zahlungsunfähig und eine Umstrukturieren seiner Schulden unvermeidlich. Darum müssen sich Spanien und Irland ernsthafte Sorgen machen. Und selbst Italien — das sich im Vergleich in einer relativ gesunden Finanzlage befindet — darf keine Mühen scheuen.

Da Sparhaushalte kurzfristig rezessive und deflationäre Auswirkungen haben, sollte auch Deutschland dies durch eine expansive Geldpolitik und einer Ankurbelung des Binnenmarkts kompensieren und die harten Einschnitte verschieben. Doch weder die EZB noch die deutsche Regierung Deutschland wollen davon etwas hören. Sie hoffen einfach, dass die sich die guten Zahlen des BIPs bestätigen mögen.

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Um die anderen Länder der Eurozone ist es kaum besser bestellt. Frankreichs Wirtschaft ist bestenfalls schwächelnd. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 9 Prozent, das Haushaltsdefizit bei 8 Prozent des PIBs (höher als in Italien) und die Staatsverschuldung schießt in die Höhe. Nicolas Sarkozy kündigte bei seinem Amtsantritt vollmundig zahlreiche strukturelle Reformen an. Heute ist er geschwächt, selbst in seiner eigenen Partei, und hat die Regionalwahlen zugunsten der Sozialisten verloren (der einzige Fall eines Linksrucks in Europa). Für ihn wird der sozialistische Kandidat — wahrscheinlich Dominique Strass Kahn — bei den Wahlen 2012 zur echten Herausforderung.

Deshalb wird es wohl kaum einen Sparkurs geben und aus den Reformen werden Reförmchen. Belgiens Ministerpräsident scheint unfähig, die Einheit seines Landes zu gewährleisten. Auch Angela Merkel ist durch internen Zwist innerhalb ihrer Koalition geschwächt. Andere politische Führer müssen mit einer wachsenden politischen Opposition fertig werden: Silvio Berlusconi in Italien, von dem man nur hoffen kann, dass er bald sein Amt niederlegt, Zapatero in Spanien, Giorgos Papandreou in Griechenland. Und der Trend zu immer mehr Nationalismus und Nativismus spiegelt sich in Europa in heftigen Reaktionen gegen Einwanderung und dem Anstieg Islamophobie und Rechtsextremismus wider.

Eine Eurozone, die Sparhaushalte, Strukturreformen, sowie eine spezifische makroökonomische Finanzpolitik braucht, ist geschwächt. Darum wird es meiner Meinung nach für Eurozone in den kommenden Jahren schwer, die Turbulenzen zu überstehen. Im schlimmsten Fall wird sie platzen.

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