A-A-Abstieg aus der ersten Liga

Die Ratingagentur Moody’s stuft die britische Kreditwürdigkeit herunter. Eine Blamage für Premier David Cameron, aber kein Schock an den Märkten. Schluss mit der Halbherzigkeit in der Sparpolitik, rät The Times.

Veröffentlicht am 25 Februar 2013 um 17:03

In Wirklichkeit wird die Herabstufung der britischen Kreditwürdigkeit nicht ganz so dramatisch ausfallen wie befürchtet. Es war weithin erwartet worden, dass Großbritannien in den nächsten Wochen sein AAA-Rating verlieren würde.

Die einzige Überraschung ist, dass Moody’s seine Entscheidung vor dem neuen Haushaltsplan im März getroffen hat. Die Unbekümmertheit der Investoren, nachdem Frankreich und die USA ihr Top-Rating verloren, deutet darauf hin, dass der Markt auch hier eher mit einem Achselzucken als mit Schaudern reagieren wird.

In politischer Hinsicht ist diese Herabstufung jedoch äußerst bedeutungsvoll, nicht zuletzt weil [der britische Schatzkanzler] George Osborne die Beibehaltung von Großbritanniens AAA-Rating als wichtigen Richtwert für eine erfolgreiche Strategie zum Defizitabbau bezeichnet hatte. Manche seiner Gegner, darunter Schattenkanzler Ed Balls, behaupten nun, der Verlust der Bestnote beweise das Scheitern der Strategie und ein Kurswechsel sei erforderlich.

Regierung muss mutiger sparen

Doch wir bei der Times sehen das Problem nicht darin, dass die 2010 von der Koalition angelegte Strategie falsch gewesen wäre, sondern vielmehr darin, dass es der Regierung nicht gelungen ist, diese Strategie mit genügend Nachdruck und politischem Mut in die Tat umzusetzen.

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Osborne lag durchaus richtig mit seiner Aussage, das Wichtigste sei ein glaubwürdiger Plan zur Reduzierung des Staatsdefizits, die hauptsächlich durch Kürzung der Staatsausgaben und nicht durch Steuererhöhungen erreicht werden müsse. Auf lange Sicht sollte dies auch dazu führen, dass sich der Staat von seinen hohen Ausgaben loslöst und zu einem Niedrigsteuerland wird, in welchem die Privatwirtschaft von unnötigen Regelungen befreit werden und somit gedeihen kann.

Unterstützt durch den sinkenden Kurs des Pfundes werde sich die Wirtschaft wieder ausgleichen: Die Exporte und die Regionen sollten mehr Gewicht bekommen und man werde sich von der überhitzten City und dem restlichen Südwestengland entfernen.

Die Gründe für die bisher so enttäuschenden Fortschritte liegen weitgehend außerhalb der Kontrolle der Regierung. Das Wachstum hat sich nicht so stark erholt wie erhofft, zum Teil weil die Exporte unter der Eurokrise leiden. Unterdessen stieg durch den Kursabschwung des Pfund Sterlings die Inflation erneut an und setzt wiederum die Ausgaben der Verbraucher unter Druck.

Stockende Reformen

Das stagnierende Wachstum führte zu Mehrausgaben bei der Arbeitslosenunterstützung und Osborne ließ es – zu Recht – zu, dass die Staatsverschuldung daraufhin höher ausfiel als vorgesehen, anstatt zum Ausgleich weitere Kürzungen an anderer Stelle zu bestimmen.

Doch neben den Zahlen gibt es die Realität: Die Koalition ist bei der Umstrukturierung des Staates und bei der Reform der öffentlichen Dienstleistungen nicht weit und nicht schnell genug vorgegangen. Zum Teil spiegelt dies den Einfluss der Liberaldemokraten innerhalb der Koalition wider, die nicht erkennen, dass es angesichts der tatsächlichen Herausforderungen, mit denen die britische Wirtschaft konfrontiert ist, irrelevant ist, neue Wege zur Auferlegung neuer Steuern für die Reichen zu finden.

Zugegebenermaßen müssen manche Dienststellen der Regierung nun strengen Kürzungen entgegenblicken. Doch nicht so streng wie der unbedachte Investitionsabbau im öffentlichen Sektor, den Osborne von der Labour-Partei mitgebracht hat. Ausgaben für Infrastrukturen, die ein treibender Motor für Wirtschaftswachstum sein könnten, wurden dadurch untergraben, dass es der Regierung nicht gelang, die blockierten Straßen in Whitehall und das Planungssystem anzugehen.

Munition gegen die Labour

Auch bei den Bemühungen, die vielen Regelungen für die Unternehmen zu reduzieren, hat es nicht genügend Fortschritte gegeben. Man hat sich vor zu vielen schwierigen Entscheidungen gedrückt, so etwa vor der Notwendigkeit, ein neues Flughafen-Drehkreuz im Südosten zu bestimmen.

Die Herabstufung des Ratings wird Osborne zumindest weitere Munition gegen die Labour-Partei liefern, die dazu aufruft, die vorgesehenen Maßnahmen zum Defizitabbau im nächstmonatigen Haushaltsplan wieder zu lockern. Er sollte sich weiterhin auf die Währungspolitik verlassen, um die Nachfrage weiter anzukurbeln. Weiter ist es ermutigend, dass der Ausschuss für Währungspolitik der Bank of England phantasievollere Mittel erwägt, um seine Strategie der quantitativen Lockerung umzusetzen.

Das soll jedoch nicht heißen, dass der Schatzkanzler tatenlos bleiben sollte. Im Gegenteil: Der Kanzler muss sich doppelt so stark dafür einsetzen, dass die Regierung die Unternehmen entlastet und radikale Reformen im öffentlichen Bereich durchdrückt. Nur so kann die britische Kreditwürdigkeit wieder zurückerlangt werden.

KONTRA

In die eigene Falle gegangen

Der britische Finanzminister George Osborne hatte geschworen, dass unter dieser Regierung „keiner Angst vor einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit“ haben müsse, erinnert The Guardian. In ihrem Kommentar weist die linksliberale Tageszeitung darauf hin, dass —

... Osborne das Spitzenrating AAA zu einer Bewährungsprobe seiner eigenen Wirtschaftspolitik gemacht hat. Genau diese ist nun gescheitert. Noch viel schlimmer aber ist, dass Osborne eine falsche Strategie entwickelt und umgesetzt hat. Und sollten alle Unklarheiten auch irgendwann aus dem Weg geräumt sein, [bleibt folgende Tatsache]: Moody’s erklärte letzte Woche, dass Großbritannien nicht stark genug sei, weltwirtschaftlich seinen eigenen Weg zu gehen. Dabei hatte sich der Schatzkanzler genau das doch so sehr gewünscht. Allerdings ist Osborne nicht der einzige Politiker, der Fehler gemacht hat. Und die Tories sind lange nicht die einzige Partei, die sich nun klarmachen muss, was dies für Großbritannien bedeutet.

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