Die Avantgarde hat sich gut getarnt: Mitten im Hunsrück, eingebettet zwischen Wäldern und Hügeln, liegt Morbach, eine 11 000-Einwohner-Gemeinde mit Karnevalsverein, Kegelzentrum und einem prominenten Spross. Edgar Reitz, Regisseur des Provinzepos "Heimat", stammt aus Morbach, das aber noch weit mehr zu bieten hat.
Oberhalb der Kommune erstreckt sich die "Energielandschaft", wie Bürgermeister Gregor Eibes das Gelände nennt: Hier verwandeln 14 Windräder die Luftströmungen über dem Mittelgebirge in elektrischen Strom, 4000 Quadratmeter Photovoltaikmodule fangen jeden Sonnenstrahl ein, und eine Biogasanlage verwertet obendrein tonnenweise Pflanzenreste. Das System erzeugt gut dreimal so viel Strom, wie die Morbacher benötigen.
Der Bürgermeister hat schon Politiker und Manager aus aller Welt auf der ehemaligen Militärbasis herumgeführt. "Die wollen alle sehen, wie es geht", erzählt er. Eibes fährt im schwarzen BMW-Coupé vor, er sei "auf keinen Fall ein Öko", sagt er. Bei der jüngsten Kommunalwahl hat er 42 Prozent geholt, für die CDU.
In der abgeschiedenen Hunsrück-Gemeinde ist gelungen, was Eibes' Parteichefin Angela Merkel nun für ganz Deutschland anstrebt: die grüne Energiewende. In nur vier Jahrzehnten, so der verwegene Plan, will die Kanzlerin die Republik auf Morbach-Niveau hieven.
Dann sollen Sonne und Wind, Biomasse und Wasser das Land größtenteils mit Energie versorgen, was bedeuten würde: nie mehr Angst vor der arabischen Ölwaffe, keine Probleme mit den Launen russischer Gaslieferanten, keine Furcht vor atomaren Störfällen. Die erneuerbaren Energien schützen schließlich die Umwelt und schonen das Klima, und sie stehen in unendlicher Fülle zur Verfügung: auf den Feldern wie auf hoher See.
Es ist der ebenso kühne wie grüne Traum einer kohlenstoffarmen Zukunft, wie die Bundesregierung sie in ihrem Energiekonzept entworfen hat. Der Anteil regenerativen Stroms würde von heute 16 Prozent bis 2050 kontinuierlich auf 80 Prozent steigen, lautet das ambitionierte Ziel in dem 39-seitigen Papier. Zuletzt freilich kreiste die Diskussion nur um einen kleinen Passus auf Seite 16. Zum Artikel auf Spiegel-Online(kostenpflichtig)...