Der britische Premierminister David Cameron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande

Dummheiten und Knausrigkeiten gegenüber Mali

Trotz der offiziellen Worte seiner europäischen Partner steht Frankreich schön alleine, wie es da gegen die bewaffneten Islamisten kämpft und dem malischen Staat beim Wiederaufbau hilft. Die EU bringt es nicht fertig, hinsichtlich der großen globalen Themen Einigkeit zu beweisen und wird das eines Tages büßen müssen, schimpft Le Monde.

Veröffentlicht am 14 März 2013 um 15:50
Der britische Premierminister David Cameron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande

Man will ja nicht noch weiter zur europäischen Desillusionierung beitragen. In diesen kontinentweit deprimierten Zeiten sträubt man sich gegen den Gedanken, wieder einmal die Leere zu entblößen, die heute bezeichnend für das europäische Konzept ist.

Kurz, man zögert, bevor man erneut missmutig auf das bedauernswerte Fehlen Europas beim Kapitel Verteidigung und Außenpolitik hinweist.

Das ist kein Scheitern – denn das würde ja voraussetzen, dass man es ernsthaft versucht hätte –, sondern ein Debakel, eine traurige Posse. Mali ist der Beweis dafür, leider.

Und das war ganz besonders der Fall bei der Versammlung der 27 Außenminister am 11. März in Brüssel. Frankreich fühlte sich dort so allein wie noch nie seit dem Beginn der Kampfhandlungen in der Sahelzone.

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Mit der höflichen, ein wenig distanzierten Entschiedenheit, die ihn auszeichnet, sah sich der französische Außenminister Laurent Fabius gezwungen, Belgien und Spanien um 30 Soldaten für Mali anzubetteln.

Nicht 300, sondern 30! Warum? Weil noch 90 fehlen, um die 500 Ausbilder zu schützen, die die Europäische Union nach Bamako entsandt hat, um die malische Armee anzulernen.

Die Sahelzone ist Europa egal

Diese 90 Soldaten müssen den 27 Ländern des reichen Europas – jenes, dass sich gerne als eine der allerwichtigsten Wirtschaftsmächte der Welt produziert – einer nach dem anderen „entrissen“ werden.

Sagen wir die Dinge ruhig, wie sie sind: Die belgischen oder spanischen Vorbehalte sind nicht politisch und auch nicht finanziell. Es ist viel einfacher: Brüssel und Madrid ist es völlig egal, was im Sand der Sahelzone ablaufen mag.

Die Scheinheiligkeit triumphiert. Auf dem Papier sind sich die 27 einig. Die Stabilität Afrikas hängt weitestgehend von der Auslöschung des dschihadistischen Unruheherds ab, der sich in der Sahelzone ausbreitet, so sagen die Europäer. Es geht auch um die Sicherheit Europas, das so nah und für den islamistischen Terror so anfällig ist, heißt es weiter.

Leere Worte statt gemeinsames Handeln

Doch das sind nur Worte. Wenn gemeinsam gehandelt werden soll, ist keiner – oder fast keiner – mehr zur Stelle. Sicher, Paris hat eingangs den Fehler begangen, seine Truppen loszuschicken, ohne sich mit seinen Partnern abzusprechen.

Doch danach hätte es einer echten europäischen Solidarität bedurft, der öffentlichen Bekanntmachung eines gemeinsamen Interesses, für das man geschlossen eintritt – alles in allem eine Teilung der Last, die in Zukunft getragen werden muss.

Die Union hätte eine starke Präsenz in diesem Teil der Welt bezeigen müssen, wenn sie nicht will, dass China, die Vereinigten Staaten oder andere im 21. Jahrhundert die privilegierten Partner der Afrikaner werden.

Postkoloniale Gleichgültigkeit

Doch leider stellt Europa nur pathologische Entzweiung und blinde Knauserigkeit zur Schau. Nur fünf der 27 Länder haben sich wirklich für die Mission zur Ausbildung der malischen Armee investiert.

Außer den schulmeisterlichen Erklärungen über die Notwendigkeit eines „politischen und wirtschaftlichen Stabilisationsplans für die Sahelzone“ lässt sich die kaum verhüllte Reaktion der meisten der 27 auf die Ereignisse in Mali in einem Satz zusammenfassen: „Soll sich Frankreich doch durchbeißen!“

Pech für den Widerspruch, der darin besteht, die Franzosen postkolonialer Anwandlungen zu bezichtigen und sie gleichzeitig im frankophonen Afrika an vorderster Front stehen zu lassen...

Europa flieht vor der Geschichte. Es wird eines Tages den Preis dafür zahlen.

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