Ein Abbild von Angela Merkel und Nikos Anastasiadis beim Karneval in Limassol, Zypern im März 2013.

Ist Merkel schuld? Na klar!

Das von der Euro-Gruppe geschnürte Rettungsprogramm für Zypern und die Zwangsabgabe für Guthaben auf zyprischen Konten stößt auf heftige Proteste. Als Sündenbock gilt Deutschland. Dabei ist es nicht Merkel, die die Fehler des Inselstaates begangen hat, meint ein spanischer Wirtschaftswissenschaftler.

Veröffentlicht am 19 März 2013 um 16:27
Ein Abbild von Angela Merkel und Nikos Anastasiadis beim Karneval in Limassol, Zypern im März 2013.

An der neuen Eurokrise sind nicht die Zyprioten schuld, sondern Angela Merkel und ihre Regierung. Erklärungen gibt es zuhauf. Schuld ist nicht ein aufgeblähter Bankensektor mit Einlagen in Höhe von 128 Milliarden Euro in einem Land, das ein Bruttoinlandsprodukt von 17 Milliarden Euro erwirtschaftet, sondern die Bundeskanzlerin.

Schuld sind nicht die Banken, die ohne mit der Wimper zu zucken 21 Milliarden Euro von russischen Oligarchen und noch einmal so viel von arabischen Millionären akzeptieren und sich nicht einmal nach der Herkunft der Gelder erkundigen, wie der deutsche Geheimdienst im November entdeckte. Die zyprischen Finanzinstitute bieten einfach internationale private Bankendienstleistungen zur Steueroptimierung an, wohingegen Merkel evangelisch ist.

Die Banker wussten, dass sie alles verlieren könnten

Keine Schuld trifft die Bankmanager, die 50 Prozent – ja volle 50 Prozent – der Einlagen aus Patriotismus in griechische Staatsanleihen investiert haben (Zypern ist zur Hälfte griechisch), obwohl sie wussten, dass sie alles verlieren könnten. Nein, wenn jemand Schuld hat, dann sicher Merkel.

Schuld ist auch nicht der nette SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, der der Bundeskanzlerin keine Rückendeckung geben will: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass deutsche Steuerzahler zyprische Banken retten, deren Geschäftsmodell auf Beihilfe zum Steuerbetrug basiert.“ Schuld trägt einzig und allein Merkel.

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Ein jämmerlicher Ex-Präsident und törichte Entscheidungen

Gar keine Schuld hat Dimitris Christofias, der jämmerliche zypriotische Ex-Präsident, der in der sowjetischen Jugendorganisation Komsomol ausgebildet wurde (daher wohl auch die vielen russischen Bankkonten) und als Autokrat weder seine Minister, noch das Parlament oder die Zentralbank konsultiert hat. Die britische Tageszeitung The Guardian, die Zypern ja nun wirklich nicht feindselig gesinnt ist, beschuldigte ihn im Dezember, das Land in den Ruin zu führen.

Christofias war es auch, der sich darauf versteifte, einem Schiff mit Munition für die Hisbollah in seinem Hafen Unterschlupf zu bieten, das 2011 explodierte und dabei das größte Stromkraftwerk der Insel zerstörte. Er gab auch der Marfin Laiki, einer der beiden größten Banken des Landes, Rückendeckung, als sie ihren Sitz trotz der Opposition der Zentralbank nach Griechenland verlegen wollte. Seine letzte törichte Entscheidung bestand wohl darin, eine Verschmelzung zwischen der zyprischen und der griechischen Bank auszuhandeln, als der famose Schulderlass beschlossen wurde. So hat das Wirtschaftsgenie sein Land ins Unglück gestürzt. Aber nein, schuld an allem ist Merkel.

Nicos Anastasiadis schiebt Europa die Schuld zu

Die Verantwortung liegt auch nicht bei seinem Nachfolger Nicos Anastasiadis, einem schwachen Staatschef, der Europa die Schuld an allen Maßnahmen zuschiebt, die er treffen muss. Anastasiadis stützt sich auf Halbwahrheiten, um die Sparstrümpfe seines Volks zu leeren, statt endlich den Aktionären und Gläubigern der Banken die Rechnung vorzulegen. Aber das würde bedeuten, dass sie dem blühenden Finanzsystem ein Ende setzen, das sie geschaffen haben und von dem sie weiterhin gern leben würden. Schäuble erinnerte unlängst daran, dass nicht Berlin die Bedingungen der Zwangsabgaben ausgestaltet hätte. Trotzdem ist Merkel schuld.

Merkel ist auch schuld daran, dass Anastadiadis mit dem Prestige des Euroraums spielt, wie es einst Papandreou getan hat. Weil sie vor vier Jahren nicht resolut gegen den Eintritt von Zypern in die Einheitswährung Einspruch erhoben hat und weil sie sich von der Versicherung der OECD täuschen ließ, dass Zypern 40 Anti-Geldwäsche-Richtlinien der EU einhalten würde. Und nebenbei auch von Christine Lagarde, der Chefin des Internationalen Währungsfonds, die sie unterstützt hat. Erinnern Sie sich, wer dem griechischen Finanzminister die Liste mit Steuerhinterziehern übergab, die verloren gegangen ist? Largarde wusste bestens über das zyprische Bankwesen Bescheid. Aber nein, die Schuld trägt Merkel. Und es ist auch besser so, denn jegliche andere Überlegung würde uns mit unserer eigenen Verantwortung konfrontieren.

AUS DEUTSCHLAND GESEHEN

Enteignung wäre nur gerecht

Die Süddeutsche Zeitung spricht sich heute in einem Kommentar für die Enteignung aus: „Wer profitiert, soll zahlen“, titelt die Tageszeitung und bemerkt:

Eine Regierung kann Bürger enteignen – und im Falle Zyperns ist es im Grundsatz sogar richtig. [...] das jetzt kollabierte Geschäftsmodell aus Steuerdumping, einer laxen Finanzaufsicht und Lockangeboten für ausländische Millionäre ist ja nicht in Berlin oder Paris, sondern in Nikosia ersonnen worden. [...] Auf Zypern haben sich nicht einfach ein paar Banken überhoben, auf Zypern ist ein ganzes Wirtschaftsmodell gescheitert. Das ist der Unterschied zu Deutschland - und das ist auch der Grund, warum die Spareinlagen dort in Gefahr sind und hier nicht.

Die Münchner Tageszeitung ist jedoch der Ansicht, „dass unschuldige Kleinsparer geschützt werden müssen“. Sie wirft allerdings Nikos Anastasiades vor, „Stimmung gegen die Retter“ zu machen und zu behaupten, die Beteiligung der Kleinsparer „sei nötig, um die erforderliche Summe zusammenzubekommen“. Ziel des zyprischen Präsidenten sei es, davon abzulenken, dass man das Wirtschaftsmodell des Inselstaats nicht aufzugeben denkt.

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