Wissen Sie, was eine Europäische Bürgerinitiative ist? Falls nicht, ist das weder schlimm, noch Ihr Fehler. Es handelt sich dabei um eines dieser kleinen Wunder der gemeinschaftlichen Demokratie, das im Rahmen des Vertrages von Lissabon (den man in Wirklichkeit eigentlich kaum einen Verfassungsvertrag nennen kann) zu den EU-Prozeduren hinzugefügt wurde. Kurzum haben die Bürger der Mitgliedsstaaten so die Möglichkeit, europäische Gesetzestexte vorzuschlagen, die [bei Ratifizierung] in der gesamten Union gültig würden.
Dafür muss eine [erste] Voraussetzung erfüllt werden: Die Europäische Kommission muss der Initiative zustimmen. (Schließlich würden sonst unzählige Anfragen eingehen, in denen die Abschaffung von Abgaben und Steuern gefordert wird.) Anschließend müssen insgesamt wenigstens eine Million Europäer aus mindestens sieben unterschiedlichen Mitgliedsstaaten die Initiative unterschreiben, wofür sie ein Jahr Zeit haben. Derzeit wird noch immer debattiert, ob die Formulare online im Internet zugänglich sein sollen oder nicht. Und einige EU-Länder zweifeln schon jetzt an der Gültigkeit des Validierungsverfahrens der Unterschriften.
Zweifellos im Interesse des Bürgers
Bisher hat es eine dieser Bürgerinitiativen geschafft, die erforderliche Anzahl von Unterschriften zu sammeln: Die Wasser-Initiative, die fordert, den Zugang zu Wasser- und sanitärer Grundversorgung zu einem Menschenrecht zu erklären. Eine andere Initiative, die innerorts ein Tempolimit von 30 km/h fordert, findet dagegen nur wenig Anklang.
Unter all diesen Vorschlägen (von denen es im Grunde genommen gar nicht so viele gibt) gibt es auch eine Initiative, die empfiehlt, den momentan gültigen gemeinsamen Rechtsrahmen abzuändern, um Medienpluralismus und Transparenz zu gewährleisten, Interessenskonflikten mit der Politik vorzubeugen und die Unabhängigkeit nationaler Aufsichts- und Regulationsorgane zu garantieren.
Mit anderen Worten geht es zum einen darum, gegen die fortschreitende Medienkonzentration (und die Zügellosigkeit der Magnate) anzukämpfen, zum anderen darum, die Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden aller Mitgliedsstaaten zu garantieren. Ob dies im Interesse des Bürgers ist? Zweifellos! Warum bin ich dann nur so skeptisch, dass diese Initiative Erfolg haben wird? Dafür gibt es mehrerlei Gründe.
Erstens ist das Verfahren der Initiative selbst völlig neu. Bisher ist Brüssel nur in der Lage, eine solche Bürgerinitiative auf dem Papier zu steuern. Es ist eine Premiere. Niemand weiß wirklich, ob das auch gut geht, und an welcher Stelle Widerstand geleistet werden könnte.
Auseinandergehende Interessen
Zweitens gehen die Interessen teilweise sehr weit auseinander. Wird eine Initiative aber nicht ausreichend unterstützt, wird es nicht möglich sein, die Idee zu „verkaufen“. Folglich erweist sich die Unterschriftensammlung als äußerst schwierige Angelegenheit. Das trifft insbesondere auf den Medienpluralismus zu, der sich nur schwer erklären lässt. Der Bürger, für dessen Interessen man sich hier einsetzt, antwortet meist schroff: „Aber ich habe doch bereits Pluralismus, Fräulein. Wenn ich [Rumäniens Präsidenten] Traian Basescu nicht ertrage, schaue ich Antena. Wenn ich [den Regierungschef] Victor Ponta nicht ausstehen kann, schalte ich B1 ein. Und wenn ich wirklich seriöses Zeug will, bleibt mir noch România TV. Den Sender OTV, der Dan Diaconescu gehörte, haben sie schließlich zugemacht, diese Nichtsnutze!“ Versuchen Sie einmal, ihm zu erklären, was es für ihn bedeuten würde, wirkliche Informationen zur Verfügung zu haben. Keine Propaganda. Versuchen Sie das einmal!
Außerhalb des Internets kaum wahrgenommen
Drittens stellt sich folgende Frage: Wer wird die Kampagne für die Bürgerinitiative führen? Außer der online-Presse gibt es da nicht viel mehr. Die privaten Presseunternehmen sind der Initiative gegenüber von Natur aus feindlich eingestellt. Eigentlich gibt es genügend öffentliche Medien, aber ihnen geht es derzeit nicht besonders gut – egal in welchem Winkel Europas sie sich auch befinden. Vielleicht werden sie sich auch [für die Initiative] einsetzen, aber ihre Leserschaft ist insgesamt viel kleiner als die der kommerziellen Konkurrenz. Und obendrein müssen wir uns noch um so eine Kleinigkeit wie die „erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen“ kümmern. Keine leichte Aufgabe, sich auszumalen, welche Sponsoren da neben den Journalistenverbänden noch infrage kämen...
Langer Rede kurzer Sinn: Wir haben es hier mit einer Bürgerinitiative zu tun, die der Demokratie nützen würde, der aber äußerst einflussreiche natürliche Feinde gegenüberstehen (in etwa alle Medienkonglomerate Europas). [Es handelt sich um] eine Initiative, die außerhalb des Internets kaum wahrgenommen wird, über nur geringfügige Mittel verfügt, und sich auf einen Mechanismus stützt, den Brüssel noch nicht ganz ausgefeilt hat. Hinzukommt, dass die Initiative den Interessen der Bevölkerung dient, d. h. den Konsumenten, aus denen das Publikum besteht, und die massiv von jenen kaufen, die dieses Gesetzesvorhaben verantwortungsvoller machen soll. Allerdings hat keiner darum gebeten.