Report Biomasse

Ist Holz wirklich der Brennstoff von morgen?

Was wäre einfacher zur Energieerzeugung ohne Erhöhung der CO2-Emissionen, als in den existierenden Kraftwerken Bäume zu verbrennen, die man nach Bedarf neu pflanzen würde? Diese breit subventionierte Methode ist jedoch nur äußerst langfristig wirksam.

Published on 11 April 2013 at 11:23

Welche erneuerbare Energiequelle ist in der Europäischen Union am meisten verbreitet? Die Solarenergie vielleicht? (Drei Viertel der weltweiten Gesamtleistung an photovoltaischer Solarenergie werden in Europa produziert.) Oder Wind? (Deutschland hat seine Windkraftkapazität in den letzten zehn Jahren verdreifacht.) Die Antwort ist keines von beiden. Der mit Abstand führende der so genannten erneuerbaren Brennstoffe in Europa ist Holz.

In seinen verschiedenen Formen, von Scheiten über Pellets bis zu Sägespänen, macht Holz (oder Biomasse, wie sein modischer Name lautet) rund die Hälfte des Konsums an erneuerbaren Energien in Europa aus. In manchen Ländern, wie in Polen und Finnland, deckt Holz über 80 Prozent der Nachfrage an erneuerbaren Energien. Sogar in Deutschland, der Heimat der Energiewende, wo die Wind- und die Solarenergie stark subventioniert wurden, beträgt dieses Material 38 Prozent des Verbrauchs an nichtfossilen Brennstoffen. Nachdem die europäischen Regierungen jahrelang mit ihrer kohlenstoffarmen High-Tech-Energierevolution geprahlt haben, scheint der bevorzugte Brennstoff der vorindustriellen Gesellschaften tatsächlich die Nummer Eins zu sein.

Weniger Unregelmäßigkeiten

Die Idee, Holz sei kohlenstoffarm, klingt seltsam. Doch das ursprüngliche Argument, es in die EU-Liste der erneuerbaren Energievorräte aufzunehmen, war durchaus ernst gemeint. Wenn das im Kraftwerk verfeuerte Holz aus einer korrekt verwalteten Forstwirtschaft stammt, dann kann der Kohlenstoff, der aus den Schornsteinen quillt, durch den Kohlenstoff, der in den neu angepflanzten Bäumen aufgefangen und gespeichert wird, ausgeglichen werden. Holz kann also kohlenstoffneutral sein. Ob es das auch tatsächlich ist, das ist eine andere Frage. Doch nachdem der Beschluss gefasst wurde, es als erneuerbar zu bezeichnen, stieg seine Nutzung schlagartig an.

In der Elektrizitätsindustrie hat Holz verschiedene Vorteile. Das Anlegen von Windturbinenfeldern ist teuer, doch Kraftwerke können nachgerüstet und mit einem Gemisch aus 90 Prozent Kohle und zehn Prozent Holz (die so genannte Mischfeuerung) befeuert werden, das nur geringe Investitionen erfordert. Anders als neue Solar- oder Windparks sind die Kraftwerke bereits mit dem Versorgungsnetz verbunden. Weiter weist die Holzenergie weniger Unregelmäßigkeiten auf als der von Sonne und Wind produzierte Strom: Sie benötigt nachts oder bei Windstille keine Zusatzenergie. Und da Holz in kohlebefeuerten Kraftwerken verwendet werden kann, die mit den neuen Umweltnormen sonst vielleicht geschlossen würden, ist es bei den Energieunternehmen außerordentlich beliebt.

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Geld wächst auf Bäumen

Demzufolge bildete sich schnell ein Bündnis, um staatliche Subventionen für Biomasse zu unterstützen. Es vereinigte die Grünen, die Holz als kohlenstoffneutral betrachteten, die Versorger, für die die Mischfeuerung ein billiger Weg war, ihre Kohlekraftwerke zu erhalten, sowie die Regierungen, die im Holz das einzige Mittel sahen, ihre Zielsetzungen im Bereich der erneuerbaren Energien einzuhalten. Bis 2020 soll die EU 20 Prozent ihrer Energie aus erneuerbaren Quellen gewinnen. Dieses Ziel würde sie um Längen verfehlen, wenn sie sich allein auf Wind- und Solarstrom verließe.

Das Gerangel, um diese 2020-Zielsetzung zu erfüllen, führt zu einer neuen Art von Energiewirtschaft. Früher war Holzenergie eine Abfallaufbereitung im kleinen Maßstab: In der Nähe der skandinavischen Zellstoff- und Papierfabriken standen Kraftwerke, in denen Äste und Sägemehl verbrannt wurden. Später kam dann die Mischfeuerung, eine geringfügige Abänderung. Doch 2011 rüstete RWE, ein großer deutscher Versorger, sein Kraftwerk Tilbury B im Osten Englands auf eine komplette Holzpellet-Befeuerung um (Holz wird in der Industrie häufig in dieser Form verfeuert). Prompt geriet das Kraftwerk in Brand.

Europa verbrauchte 2012 nach Angaben des kanadischen Unternehmens International Wood Markets Group 13 Millionen Tonnen Holzpellets. Wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt, dürfte die europäische Nachfrage bis 2020 auf 25 bis 30 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen.

Europa erzeugt nicht genug Holz, um diese zusätzliche Nachfrage decken zu können. Ein großer Teil davon wird also aus dem Ausland kommen. Die Holzpellet-Importe in die EU sind allein 2010 um 50 Prozent gestiegen und der weltweite Handelsumfang könnte sich (beeinflusst durch die chinesische und die europäische Nachfrage) bis 2020 von zehn bis zwölf Millionen Tonnen jährlich auf 60 Millionen Tonnen verfünf- oder versechsfachen, so die Schätzungen des European Pellet Council. Ein Großteil davon wird aus der neuen Holzexport-Industrie stammen, die im Westen Kanadas und im Süden der USA floriert.

Die Preise gehen durch die Decke. Holz ist kein Allerweltsprodukt und es gibt keinen Einheitspreis. Doch der Index des Argus Biomass Market über die Holzpellet-Preise stieg von 116€ pro Tonne im August 2010 auf 129€ pro Tonne Ende 2012.

Die Rechnung geht nicht auf

Und geht die Rechnung nun auf? Nein.
Holz erzeugt zweimal Kohlenstoff: einmal im Kraftwerk und einmal in der Belieferungskette. Beim Verfahren zur Pelletherstellung wird das Holz zerkleinert, zu einer Masse verarbeitet und in Form gepresst. Das, sowie der Transport, kostet Energie und produziert Kohlenstoff: 200 kg CO2 für die Menge Holz, die zur Produktion von 1 MWh Elektrizität erforderlich ist.

Dadurch sinkt natürlich die Kohlenstoffmenge, die durch eine Umrüstung auf Holz eingespart wird, und somit wird diese Einsparung teurer. Angesichts der Subventionen von 53 Euro pro MWh, so Roland Vetter, Chefanalyst bei Europas größtem Emissionshandelsunternehmen CF Partners, kostet die Einsparung einer Tonne CO2 263 Euro, wenn man von Gas auf Holz umstellt. Und das setzt voraus, dass der Rest des Verfahrens (im Kraftwerk) kohlenstoffneutral sein muss – was wahrscheinlich nicht der Fall ist.

In den letzten Jahren sind die Wissenschaftler zu dem Schluss gekommen, dass die ursprüngliche Idee – der Kohlenstoff in verwalteter Forstwirtschaft gleicht den Kohlenstoff in den Kraftwerken aus – allzu vereinfachend war. Tatsächlich hängt die Kohlenstoffneutralität vom Forst ab: davon, wie schnell die Bäume wachsen, ob man Holzschnitzel oder ganze Bäume verarbeitet usw. Wie ein anderes EU-Organ, die Europäische Umweltagentur, 2011 erklärte: Die Annahme, „Biomassefeuerung sei grundsätzlich kohlenstoffneutral [...], ist nicht korrekt [...]. Sie lässt die Tatsache außer Acht, dass das Land, das zur Produktion von Pflanzen zur Energiegewinnung genutzt wird, dann keine Pflanzen zu anderen Zwecken erzeugt und somit der sonst durch diese Pflanzen gebundene Kohlenstoff entfällt.“

Auswuchern wie eine Gartenhecke

Tim Searchinger von der Universität Princeton stellt folgende Rechnung an: Wenn ganze Bäume zur Energiegewinnung verwendet werden – wie es manchmal der Fall ist –, dann steigen die Kohlenstoffemissionen im Vergleich zur Kohle (dem schmutzigsten Brennstoff) über 20 Jahre um 79 Prozent und über 40 Jahre um 49 Prozent. Erst ab 100 Jahren ergibt sich eine Kohlenstoffreduzierung, wenn die Ersatzbäume ausgewachsen sind. Doch, wie Tom Brookes von der Europäischen Klimastiftung betont, „wir versuchen ja, den Kohlenstoff jetzt zu reduzieren, nicht in 100 Jahren“.

Kurz, die EU hat eine Subvention geschaffen, die eine Menge kostet, die Kohlenstoffemissionen wahrscheinlich gar nicht reduziert, keine neuen Energietechnologien fördert – und so schnell auswuchern wird wie eine Gartenhecke.

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