Mister Euro unter Beschuss

Der Präsident der Euro-Gruppe wird zunehmend kritisiert. Nachdem er ein paarmal ins politische Fettnäpfchen trat, wird der Niederländer nun beschuldigt, zu sehr auf die hochfahrenden Beamten aus seinem Finanzministerium zu hören.

Veröffentlicht am 28 Mai 2013 um 12:23

Am 13. Mai wurde schon um 19.30 Uhr bekannt gegeben, dass die Konferenz der 17 Euro-Finanzminister beendet war. „Endlich hat die Euro-Gruppe einen effizienten Manager“, war die Reaktion eines Diplomaten aus Euroland. Dass er bei der Leitung der Sitzungen die Zügel gerne straff anzieht, ist eines der wenigen Komplimente für den niederländischen Minister Jeroen Dijsselbloem, seitdem er im Januar den Vorsitz der Euro-Gruppe übernahm.

Erkundigungen bei hochrangigen europäischen und niederländischen Regierungsmitarbeitern und anderen Beteiligten erbrachten nur eine lange Litanei von Beschwerden. Was mehrere der Betroffenen irritiert, ist etwa die Tatsache, dass Beamte aus dem niederländischen Finanzministerium langsam die Koordination der Euro-Gruppe übernehmen. Folglich ist die kollektive Sicht heute weit deutlicher niederländisch angehaucht als früher.

Andere sagen, wo es langgeht

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Jean-Claude Juncker hat Dijsselbloem der Euro-Grupp eine große Anzahl von Beamten zugewiesen, die das uralte Klischee zu bestätigen scheinen, dass Niederländer „zu viel reden und den anderen gerne sagen, wie sie die Dinge tun sollen“.

Dijsselbloems Ernennung wurde von den Deutschen orchestriert. Als Juncker letztes Jahr seinen Weggang ankündigte, wollte eigentlich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble seine Nachfolge antreten. Doch fast alle sprachen sich dagegen aus, weil dann ein dominantes Deutschland Herr und Meister über die Eurozone gewesen wäre. Als Dijsselbloem im November auf [Jan Kees] de Jager nachfolgte und die Niederlande eine moderatere Haltung einzunehmen schienen, begann Schäuble, ihn als eine loyale Alternative zu betrachten. Viele drückten ihre Bedenken aus. Andere fragten, ob ein Minister eine derartige Position auch wirklich „nebenher“ ausfüllen könne, vor allem wenn er mit dem Amt nicht vertraut war. Schäuble wollte allerdings keinen Vollzeitpräsidenten. Sein Argument lautete, dass man damit, ehe man sich’s versah, noch eine weitere europäische Institution geschaffen hätte. Schäuble wünschte sich für den Vorsitz „eine europäische Hauptstadt“, weil die Leute dort zumindest wissen, was in der Welt vor sich geht.

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Doch wie viele Gewährsleute bestätigen, hat Schäuble seine Meinung geändert. Laut gut informierten Quellen gewöhnt sich auch Kanzlerin Angela Merkel an den Gedanken, dass die Euro-Gruppe einen ständigen Präsidenten haben sollte. Dafür gibt es mehrere Gründe.

In Brüssel herrscht Juncker-Nostalgie

Zunächst einmal weigerte sich Dijsselbloem im Februar, die Möglichkeit auszuschließen, dass die Kontoinhaber die Verluste der zyprischen Banken mitfinanzieren sollten. Das führte zu einem Kapitalabfluss aus Zypern. Dann kam die lange Nacht der Zyperngespräche im März. So viele Teilnehmer drohten mit ihrem Veto, dass das Vermeiden der Vetos als solches schon zum eigenständigen Ziel wurde. Das Resultat war eine tadelnswerte Entscheidung: Die Inhaber von Bankguthaben unter 100.000 Euro, die vom europäischen Einlagensicherungssystem gedeckt waren, verloren Geld. Viele bezweifeln, dass dies mit Juncker am Steuer passiert wäre. „Doch Dijsselbloem, der vorwiegend auf die Ratschläge seiner Mitarbeiter aus Den Haag hört, blieb untätig“, so ein europäischer Funktionär.

Später irritierte Dijsselbloem Berlin durch seine Äußerungen in der Financial Times Ende März, laut welchen die Kontoinhaber zukünftig mehr zahlen sollten, um zur Rettung der Banken beizutragen. Die europäischen Länder verhandeln immer noch über dieses Thema. Nicht jedes Land unterstützt dieses Konzept. Die Befürworter sind sich nicht einig über die zeitliche Planung oder über die Frage, ob die Aktien-, die Anleihen- oder die Kontoinhaber als erstes zur Kasse gebeten werden sollen.

Nach Dijsselbloems Aussagen gingen die Aktienkurse der europäischen Banken zurück. Ein europäischer Funktionär meint, das werde ihn wohl nicht den Kopf kosten. „Doch wenn die Kreditwürdigkeit irgendeiner europäischen Bank sinkt, wird er gehen müssen.“

Teilzeitarbeiter für einen Fulltime-Job

Die Frage ist, ob die Ernennung eines anderen Ministers für das Präsidentenamt diese Probleme verhindern könnte. Deshalb vertritt auch niemand die Meinung, dass ein anderer Minister als Teilzeitpräsident ernannt werden sollte. Statt dessen sollte auf Vollzeitbasis jemand verfügbar sein, der nicht einer nationalen Regierung verpflichtet ist und demzufolge den gemeinsamen Interessen dienen könnte. Peter Ludlow, der gut eingeführte Historiker des Europäischen Rats, erklärt: „Am besten für die Euro-Gruppe wäre es, einen ständigen, erfahrenen, neutralen Präsidenten zu ernennen. Ein Teilzeitarbeiter, der sich zwei verschiedene Köpfe aufzusetzen versucht, das kann nicht funktionieren.“

Alle sind sich einig, dass die Euro-Gruppe nicht leicht zu kontrollieren ist. Die Gruppe besteht nicht nur aus 17 Ministern, sondern auch aus den drei Mitgliedern der Troika: EZB, Europäische Kommission und IWF. Die Konferenzen sind manchmal so schwierig, dass sich kleinere Gruppen abspalten und im Vorfeld eine Einigung finden, bevor sie versuchen, die anderen zu überzeugen. Manchmal werden die Entscheidungen von den „Triple-A-Ländern“ vorgegart. Bei anderen Gelegenheiten ist es der „Frankfurt-Club, der aus mehreren großen Euro-Ländern sowie der EZB und dem IWF besteht. Nichts scheint strukturiert zu sein und manchmal trampeln die Großen auf den Kleinen herum.

„Die Euro-Gruppe ist ein Überbleibsel aus dem letzten Jahrhundert. Sie ist ein Symbol für alles, was an der Architektur Europas nicht stimmt“, erklärt Guntram Wolff vom Think-Tank Bruegel. Wollte man jedoch den Ländern der Euro-Gruppe ihr Vetorecht nehmen, falls die Regierungen diesen Weg einschlagen sollten, so würde dies eine Änderung des Vertrags über die Europäische Union erfordern. Eine solche Änderung könnte Jahre dauern. Eine Alternative bestünde darin, einen separaten Vertrag für die Eurozone zu verfassen, an dem nur die Euro-Länder beteiligt wären. Auch das würde geraume Zeit in Anspruch nehmen. Bis dahin wird die Euro-Gruppe so zurechtkommen müssen. Es hängt also alles am Einfluss und am Takt des Präsidenten. Das ist von einem Minister vielleicht zu viel verlangt.

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