Die endgültige Konfrontation mit der Krise naht

Trotz positiver Signale, ist die Eurokrise noch lange nicht vorbei, warnt Tony Barber aus der Financial Times.

Published on 10 July 2013 at 15:59

Einen Monat vor ihrem Jahresurlaub im August träumen die Führungskräfte Europas nach vier Jahren [Krise] sicher davon, die Sonne zu genießen, ohne dabei befürchten zu müssen, dass in der Eurozone jeden Augenblick die Hölle losbrechen könnte. Die Ereignisse der vergangenen Woche bieten durchaus Anlass zu Optimismus.

Nachdem die Krise in Portugal letzte Woche wieder aufflammte, als der Finanzminister sein Rücktrittsgesuch einreichte, dauerte es nur sieben Tage, bis die Staats- und Regierungschefs der [EU-]Länder die Situation wieder im Griff und die Finanzmärkte beruhigt hatten. In Griechenland, das wie Portugal auch am Überlebenstropf der internationalen Rettungsgelder hängt, wissen sich die Kreditgeber zu helfen: Die Dringlichkeitsfonds fließen solange nach Athen, wie als Gegenleistung Reformen eingeleitet werden – auch wenn deren Umsetzung zugegebenermaßen noch recht unvollständig ist.

Vom gesamteuropäischen Standpunkt aus betrachtet sind der EU-Beitritt Kroatiens, die Entscheidung, Beitrittsgespräche mit Serbien zu führen, und die Zustimmung zum EU-Beitritt Lettlands alles Zeichen dafür, dass die europäische Einheit ganz besonders großgeschrieben wird. Darüber hinaus fiel der Einkaufsmanagerindex, an dem sich Privatunternehmen als Indikator zur Konjunkturentwicklung orientieren, seit März 2012 vor Kurzem erstmals besonders vielversprechend aus. In der zweiten Jahreshälfte sollte Europa fähig sein, sich selbst aus der Rezession ziehen.

Jetzt beginnt eine neue Phase

All das sind vielversprechende Zeichen, liefern aber keinerlei Beweise dafür, dass die Krise sich auch wirklich verabschiedet. Es könnte also durchaus sein, dass von nun an einfach eine neue Phase beginnt. In den kommenden zwölf Monaten werden politische, gesellschaftliche und finanzielle Probleme die Märkte vor neue Herausforderungen stellen und Europas Krisenmanagement-Fähigkeiten erneut auf die Probe stellen.

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Zunächst einmal wird sich die Wirtschaft nur unter zerstückelten Kreditbedingungen erholen. Italienische, portugiesische und spanische Unternehmen, für die erschwingliche Finanzierungsmöglichkeiten ein Fremdwort geworden sind, hinken hinter ihren Konkurrenten in Österreich und Deutschland nach wie vor benachteiligt hinterher. Ein Unding, wenn man davon ausgeht, dass die Vorteile der Einheitswährung eigentlich für alle gelten müssten. Und genau das macht es dem Privatsektor auch unmöglich, der Massenarbeitslosigkeit in Südeuropa Einhalt zu gebieten.

Gleichzeitig wird sich am konzeptionellen Rahmen nicht wirklich etwas ändern: Um die Krise in den Griff zu bekommen, gewährt man den Sündigen Geld, für das sie als Gegenleistung leiden, Selbstkritik üben und vortreffliche Reformen versprechen müssen. In dieser Hinsicht ist es nicht wirklich entscheidend, ob aus der deutschen Bundestagswahl am 22. September eine Mitte-Rechts-, eine Mitte-Links- oder eine große Koalitionsregierung hervorgeht. Keine einzige der etablierten Parteien interessiert sich dafür, die Wirtschaft der Eurozone wieder ins Gleichgewicht zu bringen, indem der derzeitige deutsche Leistungsbilanzüberschuss dazu verwendet wird, die Umsatzeinbrüche in den Wirtschaftssystemen Südeuropas zu kompensieren.

Nächste Etappe: die Europawahl

Die Europawahl im Mai wird das Ideal der [europäischen] Einheit [und Einigkeit] dann zusätzlich belasten. Schließlich wird sie den Weg für die Auswahlverfahren bereiten, in denen die Nachfolger des Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, und des Präsidenten des Europäischen Rates – des Clubs der Staats- und Regierungschefs – Herman Van Rompuy, bestimmt werden. Hier darf mit einem sprunghaften Anstieg der Stimmen für populistische Parteien, Anti-Establishment-Parteien und Anti-Euro-Parteien gerechnet werden.

In absehbarer Zeit wird die politische Atmosphäre für all jene, die für ehrgeizige Integrationsinitiativen wie einen gemeinsamen Staatsschuldenpool oder eine Bankenunion mit einer gemeinsamen Einlagenversicherung sind, empfindlich kühl werden. Dies wurde bereits vergangenen Monat deutlich, als die Niederlande erklärten, dass die Ära der „immer engeren Union“ in jedem politischen Bereich vorbei sei. Zudem wird immer offensichtlicher, wie zerbrechlich der Sinn für gemeinsame Zielstellungen ist: Das allein zeigt der sprachliche Schlagabtausch, den sich die französische Regierung und Barroso in den letzten Wochen geliefert haben.

All das sind mehr als nur Kleinigkeiten. [Europa] wird stark sein und zusammenhalten müssen, um all das in den Griff zu bekommen, was schon jetzt wie eine neue Runde finanzieller Rettungspakete für krisengebeutelte Länder aussieht. Nehmen wir nur einmal die Rettungspläne mit einer Laufzeit von drei Jahren, die für Irland und Portugal jeweils im Dezember [diesen Jahres] und im Juni 2014 zu Ende gehen. Die europäischen Führungskräfte hatten gehofft, sie termingerecht abzuschließen und damit zeigen zu können, dass ihr Krisenmanagement völlig einwandfrei gewesen ist. Nun sprechen Irlands angestrengte Bemühungen zur Überwindung der Rezession aber eher dafür, dass eine reibungslose Rückkehr an die privaten Kapitalmärkte eher die Ausnahme darstellt.

Der letzte Akt der Krise?

Was Portugal angeht, hat die Regierungskrise genau deutlich gemacht, dass sowohl die Politiker als auch die Öffentlichkeit Sparmaßnahmen nur bis zu einer gewissen Grenze tolerieren. Dass [das Land] unter dem Rettungsschirm hervorkriechen kann, ohne zusätzliche Hilfszahlungen in Anspruch nehmen zu müssen ist unwahrscheinlich, zumal die Staatsverschuldung auf die 130-Prozent-Marke des BIP zusteuert. [Außerdem] ist auch weiterhin keinerlei sinnvolles Wirtschaftswachstum in Sicht und fast ein Fünftel aller Arbeitnehmer ohne Beschäftigung. [Hinzu kommt auch, dass] nur wenige Experten der Meinung sind, dass Griechenland eine erneute Umstrukturierung seiner Staatsschulden vermeiden kann.

Seit dem ersten Rettungspaket für Griechenland im Mai 2010 sind die politischen Bedingungen, welche die Gläubigerländer den hilfsbedürftigen Schuldnernationen auferlegen, immer härter geworden. Angesichts der immer größeren Not neigt sich die Geduld der Schuldnerstaaten nun aber langsam dem Ende zu. Mit genau dieser gefährlichen Auseinandersetzung wird der letzte Akt der Krise der Eurozone beginnen.

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