Palestinensische Demonstranten klettern auf die von Israel errichtete Mauer in der Nähe der jüdischen Siedlungen in Hashmonaim im Westjordanland.

Eingefrorene Hilfen heizen die Friedensdebatte an

Die Entscheidung der Europäischen Union, israelische Institutionen in den besetzten Gebieten nicht weiter zu fördern, ist absurd und alles andere als förderlich für den Friedensprozess, meint der Leitartikler der Jerusalem Post.

Veröffentlicht am 19 Juli 2013 um 16:05
Palestinensische Demonstranten klettern auf die von Israel errichtete Mauer in der Nähe der jüdischen Siedlungen in Hashmonaim im Westjordanland.

Was kann sich die Europäische Union nur dabei gedacht haben, als sie beschloss, Richtlinien zu erlassen, die – falls man sie umsetzt – alle Zuschüsse, Prämien und „finanziellen Instrumente“ für Forschungs- und Entwicklungszentren, High-Tech-Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen und andere Firmen und Einrichtungen jenseits der Waffenstillstandslinie von 1949 stoppen würden? Obwohl sie versucht hat, diesen Zug als eine simple „schriftliche Festhaltung der Spielregeln“ zu präsentieren, wie es ein EU-Beamter ausdrückte, muss sich die EU der Auswirkungen bewusst gewesen sein, die eine Umsetzung dieser realitätsfernen Standpunkte haben würde.

Wie der diplomatische Korrespondent der Jerusalem Post, Herb Keinon, bemerkt, bietet der Text nicht die Möglichkeit, israelische Einrichtungen, die innerhalb der Demarkationslinien von vor 1967 ansässig sind und hinter der Grünen Linie Geschäfte machen zu bestrafen, sondern er bietet eine „klaffende Bresche“.

Nicht nur werden die Europäer nun eine Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen ablehnen, deren Sitz oder Tätigkeitsgebiet jenseits der Waffenstillstandslinien von 1949 liegt, sondern sie werden auch verlangen, dass alle zukünftigen Abkommen zwischen Israel und der EU eine Klausel enthalten, in welcher Israel die Position der EU akzeptiert: nämlich, dass alle Gebiete jenseits der Grünen Linie nicht zu Israel gehören. Standorte in der Altstadt von Jerusalem, wie etwa die Klagemauer, der heiligste Ort des Judentums, müssten als nicht zu Israel gehörig anerkannt werden.

Diese absurde europäische Position ist unfähig, Unterscheidungen zu treffen, die auf der Demografie oder auf religiösen Gründen beruhen. Diese Position wird noch unhaltbarer durch die Einbeziehung der Golanhöhen in die Gebiete, die von Israel „illegal“ besetzt sein sollen.

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Wer soll die Gebiete zurückbekommen?

Die Europäer sind sich ganz klar der Unruhen in Syrien bewusst, wie auch der Tatsache, dass es gar keine verantwortliche Regierung gibt, an welche die Golanhöhen zurückgegeben werden könnten. Angesichts der Anarchie in Syrien stellt sich die Frage, warum die Europäer glauben, Israel sollte durch einen Boykott bestraft werden, weil es an Gebieten festhält und sie instandhält, die in seine Hand kamen, als es sich gegen eine gemeinsame Offensive der Armeen von Jordanien, Ägypten und Syrien verteidigte.

Im Westjordanland ist die Lage nicht viel anders. An wen bitte soll Israel das Westjordanland denn „zurückgeben“? Die palästinensische Führung ist gespalten zwischen der Hamas – die eine Zerstörung Israels anstrebt, auch des Gebiets innerhalb der Linien von vor 1967 – und der von der Fatah kontrollierten Palästinensischen Autonomiebehörde, die keine demokratische Legitimierung besitzt (Präsidentschaftswahlen sollten 2009 stattfinden), sich weigert, ohne Vorbedingungen an direkten Verhandlungen teilzunehmen und Städte innerhalb der Grünen Linie, wie Jaffa und Acre, weiterhin als Bestandteile eines zukünftigen palästinensischen Staats betrachtet.

Die Palästinenser tragen eine schwere Verantwortung für den Stillstand der Verhandlungen im Hinblick auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Und angesichts des Umgangs der Palästinensischen Autonomiebehörde mit palästinensischen Journalisten, ihrer brutalen Unterdrückung jeglichen Widerspruchs und ihrer Korruption, ist es fraglich, ob ein palästinensischer Staat die grundlegenden Menschenrechte schützen würde. Zumindest sollte die EU die Komplexität der Probleme einsehen und von einseitigen Maßnahmen in Bezug auf eine Seite des Konflikts Abstand nehmen.

Obwohl sowohl Israel als auch die Palästinenser erneut dazu bereit sind, sich zu Gesprächen an einen Tisch zu setzen, und die Arabische Liga dies enthusiastisch unterstützt, wird der Druck der EU auf Israel den Friedensgesprächen nicht zuträglich sein.

Shimon Peres „weise Worte”

Wir sehen ein, dass die Politiker in vielen europäischen Staaten von einer rapide anwachsenden und zunehmend durchsetzungsfähigen, radikalisierten muslimischen Bevölkerung und anderen antizionistischen Gruppen dazu gedrängt werden, sich Israel stärker entgegenzustemmen. Doch wenn die palästinensische Unnachgiebigkeit durch einen stärkeren europäischen Druck auf Israel belohnt wird, wird dies zu noch mehr Unnachgiebigkeit ermutigen.

Warum Verhandlungen einleiten und schmerzhafte Zugeständnisse machen, solange sich der internationale Druck allein auf Israel konzentriert? Präsident Shimon Peres, der in Friedensverhandlungen eine große Erfahrung besitzt, ist sich des potentiell kontraproduktiven Charakters der EU-Sanktionen durchaus bewusst.

„Führen Sie keine unverantwortlichen Sanktionen ein, die den Friedensprozess beeinträchtigen werden“, warnte er die EU. „Die Sachverhalte sind komplex und heikel: Schieben Sie Ihre Entscheidung auf. Machen Sie den Frieden zur Priorität und geben Sie ihm eine Chance. Ihre Entscheidung könnte zu einer neuen Krise in unserer Region führen.“ Weise Worte.

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