Puerto Banús, eine „Reichen-Enklave” an der Costa Del Sol

Das Rubel-Reinemachen an der Costa del Sol

Es ist nicht nur das Klima, das immer mehr reiche Russen mit mehr oder weniger legalem Vermögen an die Costa de Sol lockt: Die Bereitschaft der Behörden, ein Auge zuzudrücken spielt ebenso eine Rolle wie das Vorhaben des Staates, großzügigen Investoren bald die Türen zur Europäischen Union zu öffnen.

Veröffentlicht am 2 September 2013 um 15:35
Puerto Banús, eine „Reichen-Enklave” an der Costa Del Sol

Auf dem Plakat erblicken wir der Reihe nach: Panorama-Bilder vom Kreml, die weiß-blau-rote Flagge der Russischen Föderation, und einen überdimensionalen Aufdruck in kyrillischer Schrift, der „eine Vielzahl von Produkten aus Russland“ anpreist. Und in der Tat findet man in den Regalen des Geschäftes all das, was das russische Herz begehrt: Angefangen bei Kascha [Buchweizengrütze], über Powidla [Pflaumenmus] bis hin zum Sauerkraut. Obwohl es all diese Produkte in Spanien eigentlich nur sehr selten zu kaufen gibt, bietet der Hypermarkt von Marbella sie inmitten der berühmten spanischen Urlaubsregion Costa del Sol in Hülle und Fülle und zudem zu durchaus angemessenen Preisen an. Für ein bisschen mehr als einen Euro kann man [hier] Quark kaufen, den man sonst an keinem anderen Ort im Land findet. [...] Ganz offensichtlich sind die Russen ganz plötzlich zu den begehrtesten Kunden der Costa del Sol geworden.

Laut Zahlen des spanischen Innenministeriums machten die Einkäufe der Russen im Jahr 2007 nur 1,1 Prozent der Gesamtausgaben von Ausländern in ganz Spanien aus. In wenigen Jahren ist [diese Zahl] aber rasant angestiegen und erreicht inzwischen acht Prozent. Durchschnittlich geben russische Kunden im Vergleich zu anderen Nationalitäten in lokalen Bars und Restaurants doppelt so viel Geld aus.

Hinzukommt, dass immer mehr [russische Staatsangehörige] nach Spanien kommen. Vergangenes Jahr waren es mehr als 1,2 Millionen Russen, d. h. viermal mehr als 2007. Schon jetzt rechnet man zum Jahresende mit einem neuen Besucherrekord. Folglich ist es nicht verwunderlich, dass die lokalen Behörden entschieden haben, demnächst eine ständige Vertretung in Moskau einzurichten, von wo aus man schon heute jeden Tag einen Direktflug nach Almería und Málaga nehmen kann.

Das „goldene Dreieck“

Zahlreiche Russen kommen übrigens nicht nur als einfache Touristen nach Málaga, sondern haben ihren festen Wohnsitzen in der Hauptstadt der Costa del Sol. Vergangenes Jahr wurde nahezu eines von zehn Häusern in der Provinz Málaga an Russen verkauft. Offiziell haben ungefähr 4.000 von ihnen ihren festen Wohnsitz [rund um Málaga], auch wenn in den Medien von einer siebenmal höheren Zahl die Rede ist.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Darüber hinaus handelt es sich nicht um irgendwelche Mieter. Hauptsächlich lassen sie sich im sogenannten „goldenen Dreieck“ nieder, in dessen Zentrum sich Marbella befindet. Die Stadt hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie der Rest des Landes: Korruptionsskandale und hohe Arbeitslosenzahlen. Aber all das ist mit dem bloßen Auge nicht zu entdecken – und schon gar nicht in Puerto Banús, wo zahlreiche Wohlhabende wohnen.

„Eine Million Euro“, gibt Andreï Vlasenko ohne zu zögern zu, als er nach dem durchschnittlichen Preis gefragt wird, den seine Kunden für den Kauf eines Hauses zahlen. Vlasenko hat Moskau vor fünfzehn Jahren verlassen und sich in Spanien niedergelassen, wo er seit 2007 die Immobilienagentur Costa Garant mit seinem russischen Teilhaber leitet.

Allein in Moskau gibt es 250 Immobilienagenturen, die sich ausschließlich auf Geschäfte in Spanien spezialisiert haben. Mit ihrer Hilfe haben es die Russen geschafft, den Luxus-Immobilienmarkt im „goldenen Dreieck“ zu beherrschen. In den größten Agenturen von Puerto Banús sind Aushängeschilder in kyrillischer Sprache ausgestellt, welche die englisch- und spanischsprachigen Bekanntmachungen in den Schatten stellen. „Spanier werden in einer russischen Agentur kein Haus kaufen. Und selbst, wenn sie dies wollen würden, hätten sie gar nicht die notwendigen Mittel dazu“, grinst Vlasenko, der nur mit seriösen Kunden oder jenen ins Geschäft kommt, die sich eine Villa in La Zagaleta leisten konnten.

Einfache Reiche gegen „Vermögens-Schwergewichtler”

Genau dort verläuft die symbolische Grenzlinie zwischen den „einfachen” Reichen und den Vermögens-Schwergewichtlern. In dem auf den grünen Hügeln der Postkarten-Küstenlandschaft gelegenen La Zagaleta gibt es nur 220 Villen. Das kleinste Grundstück ist 3.000 Quadratmeter groß, das größte über 10.000. Die Preise variieren von 4 bis zu 25 Millionen Dollar [zwischen 3 und 19 Millionen Euro]. Um hier ein Eigenheim erwerben zu können, reicht es nicht einfach aus, reich zu sein: Die Anwohner haben das Recht, zu wählen und die Bewerbung eines potenziellen Nachbars abzulehnen, wenn dieser die Ruhe des Ortes gefährden könnte. Auf der Liste der abgewimmelten Kandidaten stehen unter anderem die Pop-Sängerin Shakira und der Fußballspieler David Beckham. Moskaus ehemaligem Oberbürgermeister Juri Luschkow blieb eine solche Abfuhr erspart: Sein Anwesen beherbergt unter anderem drei Bienenstöcke, einen kleinen Obstgarten und ein privates Jagdrevier.

Einige spanische Medien spekulieren, welche Gründe es für dieses plötzliche Kauffieber der Russen gibt, für das ihrer Meinung nach nicht nur die 320 Sonnentage im Jahr und die Mangobäume verantwortlich sind. Mit der Krise, die in Spanien in vollem Gange und deren Ende noch weit entfernt ist, sucht die Regierung in Madrid verzweifelt nach frischem Geld. Letztes Jahr kündigte sie an, all jenen Ausländern das Aufenthaltsrecht gewähren zu wollen, die mindestens eine halbe Million Euro im Land investieren. In den Augen der Presse wird diese [Maßnahme] das Leben von zahlreichen russischen Unternehmern erleichtern, die auf den Märkten der Europäischen Union tätig sind. Im Herbst wird das entsprechende Gesetz in Kraft treten.

Geldwäsche beim Sonnenbaden

Im Januar [2013] wurde Zakhar Kalashov zu einem der neuen russischen Mafiabosse gekrönt. „Befördert“ wurde Kalashov, der seit 2006 in einem spanischen Gefängnis hinter Gittern sitzt, nachdem sein Schwiegervater Aslan Usoya Anfang 2013 in Moskau ermordet wurde. Usoya, der als „Ded Hassan“, „Opa Hassan“ bekannt war, war einer der einflussreichsten Mafiabosse der ehemaligen Sowjetunion und der informelle Führer des „Club 11“, einer Ratsversammlung der Anführer russischer krimineller Gruppen.

Vor seiner Verhaftung waltete Kalashov in einer prächtigen Villa in Marbella seines Amtes. Von den Ermittlern wurde sie „das kleine Sankt Petersburg“ genannt. Für Geldwäsche wurde er zu einer neunjährigen Gefängnisstrafe und einem Bußgeld von 20 Millionen Euro verurteilt. So geht die russische Mafia in Spanien vor: Sie macht sich nicht die Hände schmutzig, indem sie barbarische Verbrechen begeht. Viel lieber tätigen die Kriminellen finanzielle Transaktionen und bestechen [ihre Geschäftspartner].

Die Tatsache, dass „Ded Hassans“ Nachfolger hinter Gittern sitzt, ist bisher der einzige Erfolg der spanischen Justiz im Kampf gegen das organisierte Verbrechen aus Osteuropa. Die örtliche Staatsanwaltschaft ist nahezu machtlos: In den vergangenen Jahren gingen drei der bedeutendsten Gerichtsverfahren gegen [diese] Schurken ohne Verurteilung aus – sowohl für die ausländischen Verbrecher als auch ihre lokalen Partner. Einer von ihnen – und einer der wenigen, der (kurz vor seinem Tod) hinter Gitter musste – war der frühere Bürgermeister von Marbella, Jesús Gil, eine Symbolfigur für die Beziehungen der Russen mit dem „goldenen Dreieck“.

2002 wurde Gil der Rücktritt nahegelegt, nachdem er für die Veruntreuung von Geldern verurteilt worden war, die zum Teil seinen zahlreichen Bekannten in Osteuropa zugute kamen, von denen viele Beziehungen zur Mafia unterhielten.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema