Nichts gegen “Made in Germany”

Die EU-Kommission hat ein Verfahren für eine „erweiterte Untersuchung“ des deutschen Export-Überschusses eingeleitet, weil sich dadurch angeblich das wirtschaftliche Ungleichgewicht in Europa verschärft. Besser wäre es, an einer echten Wirtschaftsregierung und Bankenunion für Europa zu arbeiten, meint Diário Económico.

Veröffentlicht am 13 November 2013 um 17:06

Solidarität ist ohne Zweifel eine der größten Schwächen des europäischen Projekts. Doch eine Lösung dafür kann es nicht geben, wenn die europäischen Tugenden noch mehr vernachlässigt und die Probleme des Projekts noch weiter verschärft werden.

Die Idee ist simpel: Deutschland soll mehr Geld ausgeben, damit die Länder des Südens wie Portugal ihre Märkte erweitern und ihre Produkte absetzen können. Ein großzügiger Gedanke, der auf einer festen Überzeugung beruht: Deutschland nutzt die Eurozone aus. Wie? Gäbe es noch die D-Mark, dann würde die deutsche Währung aufgewertet, was sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit (den Export) Deutschlands auswirken würde. Darüber hinaus sind, aufgrund der geldwirtschaftlichen Fragmentierung des Euroraums, die deutschen Banken und gar der deutsche Staat ein Refugium für internationale Investoren geworden. Diese sind bereit, einen hohen Preis im Gegenzug für die Stabilität der mächtigsten Wirtschaftsmacht des Euroraums zu zahlen.

Ja, es wird Solidarität von Deutschland eingefordert, umso mehr, da Länder wie Portugal ihre Volkswirtschaften mit radikalen und schnellen Reformen anpassen müssen. Bleibt die Frage, was die Deutschen denn tun müssen, um die wirtschaftliche Stärke Europas zu fördern. Welches Projekt sollen sie verteidigen?

Solidarität ja, aber wie?

Man möge mir mangelnden Patriotismus vorwerfen, doch denke ich nicht, dass die Lösung in der Erhöhung der deutschen Ausgaben liegt. Zunächst einmal sei gefragt, wer denn bitte schön mehr ausgeben soll: Die Unternehmen oder der Staat? Es ist schwierig, wenn nicht gar unmöglich, die deutschen Unternehmen zu Lohnerhöhungen zu bewegen, welche ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden würden. Folglich bleibt nur der administrative Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Da wir in Europa leben, ist diese Lösung ausgeschlossen. Bleibt also der Staat. Soll das die Idee sein? Von den historisch niedrigen Zinsen profitieren — die insbesondere für die deutsche Wirtschaft interessant sind – um Liquiditäten in die europäische Wirtschaft zu pumpen? Eine Art Merkel-Plan für die Infrastrukturen? Soll das die Antwort sein? Die Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit lassen uns davon abraten, denn die Ergebnisse wären mit Sicherheit ebenso erbärmlich.

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[[Wir leben in einem gemeinsamen Währungsraum, der sich durch ein großes wirtschaftliches Gefälle auszeichnet]]. Genau hier sollten die Europäer von Deutschland eine andere Form der Solidarität einfordern, um die Unterschiede innerhalb des Euroraums auszugleichen. Wenn das Handelsüberschuss von 6 Prozent des einen Landes schlecht ist, dann ist es das Handelsdefizit von 6 Prozent des anderen ebenso.

Doch wie können diese beiden Ungleichgewichte aus der Welt geschaffen werden? Beispielsweise, indem man innerhalb der Eurozone eine echte Wirtschaftregierung auf die Beine stellt, wo die Hoheitsgewalt besser geteilt wäre. Beispielsweise, indem man eben jene Bankenunion schafft, auf die wir bis heute warten. Auf diese beiden Aspekte sollten sich die Länder des Südens und die EU-Kommission konzentrieren, anstatt von den Deutschen zu verlangen, keine Deutsche mehr zu sein.

Europäische Union

Deutschlands Wirtschaft ist zu stark für Europa

„Brüssel wirft Deutschland vor, die Krise zu verschärfen“, titelt Le Monde, nachdem am 13. November die EU Kommission angekündigt hatte, man werde „eine erweiterte Untersuchung über den Export-Überschuss Deutschlands durchführen“. Brüssel prognostiziert, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss in diesem wie im vergangenen Jahr bei 7 Prozent des Burttoinlandprodukts liegen werde, „mit anderen Worten über der 6-Prozent-Marke, die 2011 bei Einführung dieses neuen makroökonomischen Überwachungstools vereinbart wurde”.

„Für Deutschland ist [die Prüfung] eine Premiere”, betont die französische Tageszeitung.

Die italienische Tageszeitung Il Sole 24 Ore erklärt ihrerseits, dass das wirtschaftliche Ungleichgewicht der Eurozone schade, da es Deutschland einen Wettbewerbsvorteil verschaffe, der nicht mit einer Aufwertung der Währung ausgeglichen werden könne. Das Brüsseler Verfahren werde vermutlich nicht vor Frühjahr kommenden Jahres abgeschlossen sein, meint das Blatt:

Manche Ökonomen meinen, dass die Verringerung des Ungleichgewichts von Berlin ausgehen müsse. Deutschland müsse seinen Export in die Krisenländer der Eurozone verstärken oder die heimischen Löhne erhöhen. […] Doch kaum etwas deutet darauf hin, dass Deutschland diesen Weg gehen wird: Die wichtigsten deutschen Industrie-Unternehmen setzen auf andere Absatzmärkte als Europa, welches derzeit rund die Hälfte des deutschen Exports ausmacht.

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