Merkel macht Klitschko fit gegen Putin

Seit Beginn des pro-europäischen Protests in der Ukraine tut sich Ex-Boxer Vitali Klitschko als Anführer der Opposition gegen Wiktor Janukowitsch hervor. Mit Hilfe der deutschen CDU könnte er in der Rolle bald auch von anderen europäischen Staatschef anerkannt werden.

Veröffentlicht am 11 Dezember 2013 um 16:43

Dass Angela Merkel und Wiktor Janukowitsch in diesem Leben keine Freunde mehr werden, stand am Donnerstag vor acht Tagen auch dem Letzten vor Augen. Da saßen die beiden zusammen mit Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und Osteuropas im ehemaligen Palast des Großfürsten von Litauen an einer festlichen Tafel, mitten im vorweihnachtlich geschmückten Vilnius. Man war noch nicht bei der getrüffelten Pastete angekommen, da startete der ukrainische Präsident in einen kurvenreichen Monolog über die schwierigen Beziehungen seines Landes zu Europa einerseits und Russland andererseits. Doch irgendwo im Andererseits ging die Kanzlerin dazwischen. Man könne das hier auch abkürzen, lieber Herr Janukowitsch, sagte die Kanzlerin, und der armenische Staatschef neben ihr schaute überrascht hoch. „Sie unterschreiben ja doch nicht.“

Der Mann mit der europäischen Agenda

„Die Tür für die Ukraine bleibt offen“, betonte Merkel nach der Pleite mehrfach. Man sei weiterhin gesprächsbereit. Und die Kanzlerin will vor der nächsten Runde eine neue Figur ins Spiel bringen: Vitali Klitschko. Der zwei Meter große Profiboxer soll zum proeuropäischen Gegner des russland-orientierten Janukowitsch aufgebaut werden – und am Ende das Abkommen mit den Europäern doch noch unterschreiben.

„Regime Change“ wäre als Begriff wohl zu hoch gegriffen, aber ein bisschen gehts doch darum: Merkels CDU und die europäische konservative Parteienfamilie EVP haben Klitschko auserkoren, das ukrainische Nein von innen aufzuweichen. Er soll die Opposition einen und anführen, auf der Straße, im Parlament und schließlich bei der Präsidentenwahl 2015. „Klitschko ist unser Mann“, heißt es in hohen EVP-Kreisen. „Der hat eine klar europäische Agenda“ und Merkel noch eine Rechnung offen mit Putin. [[Hinter den Kulissen läuft die Arbeit. Klitschkos junge Partei „Udar“ ist seit kurzem beobachtendes Mitglied der konservativen EVP-Parteienfamilie]]. EVP-Büros in Brüssel und Budapest schulen Udar-Personal für die parlamentarische Arbeit, unterstützen beim Aufbau einer landesweiten Parteistruktur. Eine wichtige Rolle spielt auch die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU, um ihre Hilfe hat Klitschko Vertraute der Kanzlerin ausdrücklich gebeten.

Nachhilfe in Sachen Aufbauarbeit

Im Zentrum steht aber Klitschko selbst. Seit einiger Zeit schon trifft sich der Ukrainer mit Kanzleramtsminister Ronald Pofalla, der sich seit vielen Jahren um osteuropäische Oppositionelle kümmert, besonders im autoritär geführten Weißrussland. Er hat Klitschko manchen Tipp gegeben, und der Politik-Laie Klitschko hat Pofalla um Rat gefragt: Wie soll er beispielsweise mit Gerüchten über „Frauengeschichten“ umgehen, die offenbar von der ukrainischen Regierung gestreut werden, um ihn im Land unmöglich zu machen?

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Auf die diskrete Hilfe Pofallas und der Bundesregierung kann Klitschko auch hoffen, wenn es um die Präsidentenwahl 2015 geht. Seiner Kandidatur steht ein mutmaßlich eigens auf ihn zugeschnittenes Gesetz entgegen, wonach ein Bürger mit einer Aufenthaltserlaubnis in anderen Ländern nicht als Bewohner der Ukraine gilt. Damit kann Klitschko nicht nachweisen, vor der Wahl zehn Jahre in der Ukraine gelebt zu haben, was nach der Verfassung Voraussetzung für eine Kandidatur wäre. Er darf sich aber sicher sein, dass sich die Kanzlerin bei Präsident Janukowitsch dafür einsetzen will, an diesem Gesetz Klitschkos Kandidatur nicht scheitern zu lassen. Dazu muss man den Profiboxer aber vor aller Augen, in der Ukraine wie im Ausland, als ernstzunehmenden Politiker aufbauen. Und genau das geschieht.

Rückspiel gegen Wladimir Putin

Beim Vortreffen der konservativen Staats- und Regierungschefs in Vilnius vor zehn Tagen war Klitschko dabei, er diskutierte bis spät abends mit wichtigen Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Einen Termin direkt mit Merkel bekam er da noch nicht. Aber beim nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember will Merkel am EVP-Vortreffen teilnehmen – und nach jetziger Planung wird Klitschko wieder eingeladen sein. [[Dieses Mal soll es für ihn offizielle Fotos mit den Regierungschefs geben, auch ein Gespräch mit der Bundeskanzlerin]]. Politisch würde das eine große Aufwertung für Klitschko und eine wichtige Festlegung für Angela Merkel bedeuten.

Aber kann Klitschko auch die notorisch zerstrittene Opposition einen, die vor allem aus seiner eigenen Udar-Partei besteht, der Vaterlandspartei der inhaftierten Julija Timoschenko und der rechtsnationalen Freiheitspartei? Die Klitschko-Unterstützer in EVP und Bundesregierung hoffen darauf, dass spätestens 2015 bei der Präsidentenwahl nur ein gemeinsamer Kandidat gegen Amtsinhaber Janukowitsch antritt und gewinnt. Dann hätte Kanzlerin Merkel ihr Etappenziel erreicht: eine proeuropäische Führung der Ukraine. Das eigentliche Rückspiel könnte beginnen, das um eine Neuordnung der Beziehungen der Europäischen Union mit Osteuropa. Das gegen Wladimir Putin.

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