Allheilmittel Eurobonds?

2010 kam die Idee eigener europäischer Staatsanleihen erstmals ins Gespräch. So langsam macht sie ihren Weg durch Europas Regierungssitze. Deutschland wehrt sich. Aber schon bald könnten die Eurobonds die einzige Alternative sein, um überschuldete Staaten vor den Finanzmärkte zu retten.

Veröffentlicht am 11 Januar 2011 um 12:55

In einer Krise, die Monat für Monat das Mögliche und Unmögliche in Europa neu definiert, erweist sich die Idee einiger überzeugter Europäer zunehmend als einzige Alternative zum Kollaps der Eurozone. Die Eurobonds – die europäische Schuldenanleihe – könnte der einzige Weg sein, den Domino-Effekt der Anleihenmärkte zu stoppen. Dieser hat bereits Griechenland und Irland zu Fall gebracht und jetzt auch auf Portugal übergegriffen, nachdem die Risiko-Prämien der Staatsverschuldung unkontrolliert in die Höhe geschnellt waren.

„Die Eurobonds werden in Portugal immer mehr befürwortet“, sagt José Reis von der Universität Coimbra. „Es wäre ein wichtiges Signal, dass der Wille besteht, die Union in den Griff zu bekommen“, meint Paul de Grauwe von der Universität Leuven. So sollte man dem „durchdringenden Gefühl begegnen, dass die Eurozone durch eine existentielle Krise geht.“

Länderschulden in „Europaschulden“ umwandeln

Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker und der italienische Finanzminister Giulio Tremonti hatten vor Weihnachten eine Debatte darüber losgetreten, ob es möglich sei, einen Großteil der Schulden der jeweiligen Mitgliedsstaaten in europäische Schuldscheine umzuwandeln. Dieser Vorschlag stößt bereits jetzt auf Zustimmung in der deutschen SPD, nämlich bei den Ex-Ministern Frank Walter Steinmeier und Peer Steinbrück. „Die Eurobonds wurde vor wenigen Monaten noch als Teufelszeug verabscheut; jetzt kann man sagen, dass sie zur offiziellen Position der deutschen Opposition geworden sind“, sagt Thomas Klau vom Think Tank European Council on External Relations.

Es war zu erwarten, dass Angela Merkel diese Idee nicht gutheißen würde, so die Meinung der meisten Wirtschaftsexperten. Denn das würde bedeuten, dass deutsche Sicherheiten für die Schulden bereitgestellt werden müssten; - ein erster Schritt hin zu einer Transferunion, die in Berlin und Frankfurt auf soviel Ablehnung gestoßen war. Aber „in Deutschland bildet sich mit fortschreitender Krise eine wachsende Opposition gegen Merkel heraus, die keinen Zweifel daran lässt, dass man sich entscheiden muss zwischen einer größeren Zersplitterung oder einer stärkeren Integration mit Eurobonds“, sagt Klau.

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Es liegen bereits mehrere Vorschläge bereit. Juncker und Tremonti setzen sich in einem Gastbeitrag in der Financial Timesfür die Schaffung einer europäischen Agentur für Verschuldung ein – ein umgewidmeter Stabilitätsfonds für die Finanzen, der von den einzelnen Mitgliedstaaten finanziert würde (und in den Deutschland überproportional einzahlen müsste). Damit würden die von der Krise gebeutelten Volkswirtschaften einen Teil ihrer Schulden gegen diese besagten Eurobonds eintauschen, und so die Finanzierungskosten ihrer Schulden drastisch senken. Jean Pisany-Ferry vom Breugel-Institut schlägt einen ähnlichen Weg vor, nämlich die Europäisierung von 60 Prozent der einzelstaatlichen Schulden.

Bald ein europäischer New Deal?

Die Wirtschaftsexperten Stuart Holland(Universität Coimbra) und Yanis Varoufakis (Universität Athen) gehen sogar noch einen Schritt weiter. Sie wollen, dass die EZB die Schulden der Einzelstaaten im Wert von 60 Prozent ihres BIP übernimmt. Das Modell würde einem europäischen New Deal gleichkommen, mit einer Neustrukturierung der einzelstaatlichen Schulden und Erlässen für die Banken. „Der Markt für die Eurobonds würde mit dem Markt der amerikanischen Zentralbank rivalisieren und […] würde so ein starkes Signal an die Länder der Eurozone senden, die bereit sind, iher Schicksale auf lange Sicht miteinander zu verbinden“, heißt es in einer Pressemitteilung des Europäischen Zentrums für Außenbeziehungen.

Wichtig ist dabei, genau zu unterscheiden zwischen diesen verschiedenen Vorschläge und der begrenzten Ausstellung von Eurobonds, wie vom Europäischen Stabilisierungsfonds für Finanzen (EFSF) vorgeschlagen, um einen Teil der Finanzhilfen für Irland bereit zu stellen. „Die Eurobonds des EFSF stehen dabei in Konkurrenz zu den einzelstaatlichen Schulden; unser Vorschlag ersetzt die einzelstaatlichen Schulden“, sagt Varoufakis. Die Eurobonds des EFSF kommen zum gleichen Zeitpunkt wie der starke Anstieg der Risikoprämie für die Schulden der peripheren Euro-Länder, was die jeweiligen Regierungen beunruhigt hat.

Das Unpraktischste ist bald die einzige Alternative

Ein Zwischenschritt könnte sein, dass man eine Art Eurobonds schafft, die die Restrukturierung der Schulden in Ländern wie Griechenland und Irland erleichtern, sagt Barry Eichengreenvon der Universität Berkeley. So sollen die Schulden dieser beiden Länder leichter gegen eine langfristigere Verschuldung ausgetauscht werden können und die Kosten für die Finanzierung der Zinsen gesenkt werden. Der EFSF könnte für neue Anleihen bürgen, die ein insolventes Land – Griechenland oder Irland – den Banken anbieten könnte. Eichengreen ist der Ansicht, dass der Vorschlag von Eurobonds als „Köder“ für die Schulden-Restrukturierung praktischer ist, da die Europäisierung der einzelstaatlichen Schulden wieder Zukunftsmusik geworden ist.

„Die Ideen von Juncker und Tremonti gehen nicht auf das unmittelbare Problem ein (die Zahlungsunfähigkeit von Irland und Griechenland), und ihre Vorschläge würden nur langsam umgesetzt werden können“, sagt Eichengreen. Zweifelsohne ist es in dieser Krise so, dass die am unpraktischsten erscheinenden Vorschläge morgen schon als einzige Alternative zum Zusammenbruch der Eurozone gelten können.

Aus dem Spanischen von Ramona Binder

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