Zu Zeiten des Schauspielers Alfredo Landa, während der Auswanderungswelle nach Deutschland in den Sechziger Jahren rief man Vente a Alemania, Pepe („Komm nach Deutschland, Pepe”, Titel eines Spielfilms aus dem Jahr1970) und meinte damit einen Bauern aus Galizien, Extremadura oder Andalusien. Heute sucht Deutschland einen Pepe ohne Baskenmütze, aber qualifiziert und mit Hochschulabschluss. Dies belegt zumindest eine jüngste Studie aus Deutschland, die bei den Medien während des spanisch-deutschen Gipfels am kommenden 3. Februar voraussichtlich für Gesprächsstoff sorgen könnte.
Deutschland leidet unter Fachkräftemangel. Doch kann Emigration die Lösung des Arbeitslosigkeitsproblems in Spanien sein, wie es in den Sechziger Jahren der Fall war? Was als erstes ins Auge fällt, ist der Unterschied zwischen den beiden Perioden.
1960 unterschrieb Spanien ein Anwerbeabkommen mit der mächtigen westdeutschen Großindustrie, die den Grundstein für das deutsche Wirtschaftswunder legte. Bis 1973 emigrierten rund 500.000 Spanier mit Arbeitsverträgen in der Tasche, die von der spanischen Auswanderungsbehörde verwaltet wurden, nach Deutschland. 80 Prozent der Menschen kehrten später nach Spanien zurück. Das Phänomen war für das Spanien des Franco-Regimes eine wichtige Devisenquelle und ermöglichte Deutschland seinen damaligen Arbeitskräftemangel zu beheben. Die heutige Lage ist eine andere. Es gibt zwar kein „Wirtschaftswunder“ in Deutschland, auch wenn der Export dem Land ein ordentliches Wachstum beschert, aber es mangelt, wie vor fünfzig Jahren, an qualifizierten Fachkräften. Um dem abzuhelfen hat die Bundesagentur für Arbeit einen Zehn-Punkte-Plan erstellt.
Ohne Zuwanderung wird das Problem nicht gelöst
Der Plan sieht zuerst einmal eine Förderung von Bildung und der Integration von Frauen auf dem Arbeitsmarkt vor. Mit diesen beiden Punkten, sollte das Projekt gelingen, könnten bis 2025 mehrere Millionen Arbeitsplätze besetzt werden. Und selbst wenn nur das Ziel der Frauenintegration erreicht würde, wären dies immer noch drei Millionen Vollzeitstellen. Wie dem auch sei, ohne Zuwanderung wird sich das Problem nicht lösen lassen, betont Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seinen Angaben zufolge besteht ein Bedarf an 800.000 Zuwanderern. Diese Zahl klingt wie ein Echo auf zwei politische Imperative.
Die Regierung in Madrid, dessen Souveränität von den EU-Behörden in Geiselhaft genommen wurde, muss an seine Bürger eine Botschaft der Hoffnung von der Arbeitsmarktfront vermelden können.
Die Regierung in Berlin hat ein Interesse daran, nachdem Rufe des wirtschaftlichen Egoismus und der Arroganz laut wurden, Signale an die Pleitestaaten des Südens zu senden, die vom Spardiktat Deutschlands erdrückt werden. Mit beiden Imperativen im Hinterkopf werden die beiden Regierungen in Madrid aufeinandertreffen, und schenkt man dem Spiegel glauben, steht das Thema am 3. Februar ganz oben auf der Tagesordnung.
Deutsche Stellenangebote auch in Osteuropa
Die Stellenangebote Deutschlands wenden sich nicht nur an Spanien, sondern an alle europäischen Länder in Schieflage geschickt, darunter auch an die ungenutzte Intelligenz der osteuropäischen Länder. Für die spanische Regierung, die beim deutschen Diktat nicht muckste und nur ein paar kleine Einwände verlauten ließ, bedeutet das deutsche Angebot einen unerwarteten Hoffnungsschimmer. Doch was ist es wirklich wert?
Die Auswanderung junger spanischer Hochschulabsolventen nach Deutschland ist bereits eine Realität: Tausende von ihnen arbeiten in Berlin, oftmals in prekären Teilzeitstellen. Und wenn der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Michael Fuchs, erklärt: „Zahlreiche junge Menschen in Süd- und Osteuropa sind ohne Arbeit“, dann rennt er nur offene Türen ein. Eines ist sicher: Deutschland will seine Zuwanderung steuern. Weniger Bauern aus Anatolien (türkische Pepes, wenn man so will), und mehr Fachkräfte ohne heimische Zukunftsperspektiven aus Spanien, Griechenland und Osteuropa. Und davon gibt es jede Menge. Dabei wird es sich vielleicht nur um ein paar Tausend Arbeitsplätze bis 2025 handeln. Anstelle des Vente a Alemania Pepe, wird es vielleicht eher zu einem Remake von Berlangas „Bienvenido Mister Marshall“ kommen (Film von 1953, der von den vergeblichen Hoffnungen eines spanischen Dorfes auf den Marshallplan erzählt.): „Bienvenido Mister Müller“. (j-s)