Nachrichten Klimawandel – im Hinblick auf COP21
Schornsteine eines Kraftwerks in Kostolac.

Wie Serbien bei Klimazielen trickste und damit die Unterstützung der EU erreichte

Eine serbische Verpflichtung für den Pariser Klimagipfel, die einen de-facto-Anstieg in CO2-Emissionen um 15% beinhaltet, wird von einigen EU-Quellen als “beispielhaft”, von manchen jedoch auch als “Mauschelei” bezeichnet.

Veröffentlicht am 25 Juni 2015 um 15:01
EPS  | Schornsteine eines Kraftwerks in Kostolac.

Das neue serbische Klimaziel für den kommenden UN-Gipfel in Paris wurde von der Europäischen Kommission als ein “beispielhafter” Schritt in Richtung EU-Beitritt begrüßt, obwohl offizielle Zahlen zeigen, dass es einen fünfzehnprozentigen Anstieg der Emissionen des Landes bis zum Jahr 2030 beinhaltet.

Eine serbische Leitverpflichtung, Emissionen – gemessen an 1990er Werten – bis 2030 um 9,8% zu verringern, wurde am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Belgrad mit dem für die Energieunion zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maroš Šefčovič, verlautbart.

Jedoch seien nach einem Bericht der serbischen Regierung vom April für das UNFCCC (Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen) durch den Zusammenbruch der Schwerindustrie seit 1990 Serbiens Emissionen bereits um ein Viertel gemindert. “Die Emissionen von Treibhausgasen sind in 2013 verglichen mit 2010 um 3,5% und verglichen mit 1990 um 25,1% gesunken” heißt es in dem Papier. Ein Rückgang von 9,8% der Emissionen würde also einen de facto Anstieg um 15,3% erlauben.

Dabei haben EU-Quellen bestätigt, dass Serbiens Klimaziel noch schlechter sein könne, als es aussieht, da die Basiszahlen von 1990 stark emittierende kosovarische Kohlekraftwerke einschlossen, die mit großer Wahrscheinlichkeit in die Statistiken für 2030 nicht eingerechnet würden.

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Das Angebot aus Serbien wurde von Šefčovič trotz allem begrüßt. Er versprach deutliche Unterstützung für das Ersuchen, der EU – deren Mitglieder sich zu einer vierzigprozentigen Reduktion der CO2- Emissionen bis zum Jahr 2030 verpflichtet haben – beizutreten. Die EU wird weiterhin Serbien in Klima- und Energiefragen wie auch in anderen Bereichen unterstützen. “Ihr heutiger Erfolg bei der serbischen Übernahme von INDC (Intended Nationally Determined Contributions: eine Absischtserklärung der Länder bzgl. deren Beitrags zu den Klimazielen) ist ein beispielhafter Schritt auf diesem Weg.”

Der umstrittene Klimabeauftragte des Blockes, Miguel Arias Cañete, twitterte ebenfalls Lob für Belgrad, da es eine “Führungsrolle in der Region” übernommen habe, der die Nachbarstaaten bald folgen würden.

“[[Das serbische Angebot ist ein Witz]], aber jetzt, wo die Kommission sagt, dass es ein exemplarischer Schritt auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft sei, kann niemand mehr darüber lachen”, sagte Garret Tankosić-Kelly, Leiter von SEE Change Net, ein bosnischer Think-Tank, der sich mit nachhaltiger Entwicklung auf dem Balkan beschäftigt. “Wie kann der Rest der Welt die EU-Klimavorschläge ernst nehmen, wenn sie Beitrittskandidaten nachweislich erlaubt, bei ihrer Klimapolitik die Bücher zu frisieren und zu hoffen, dass es niemand merkt?”

Eine SprecherIn für Cañete und Maroš Šefčovič lehnte einen Kommentar zum neuen Leitziel ab und sagte, dass die beiden Funktionäre nur “die Tatsache begrüßten, dass Serbien, als das erste Land der Region, das sein INDC verlautbart hat, im globalen Klimaprozess vorangeschritten sei.”

Jedoch waren andere Quellen innerhalb der Kommission weniger vorsichtig. “Das ist eine Art Trickserei” sagte einer der Vertreter. “Es ist ein sehr mäßiges Ziel, und indem Serbien es so macht, wird es zum Trittbrettfahrer anderer Länder, die weitaus mehr anstreben.”

Ehrgeizige Vorschläge weniger entwickelter Balkanstaaten würden durch die serbische Verlautbarung sicher nicht ausgelöst werden. “Mein Bauchgefühl ist, dass sie sich sagen werden: 'Wenn Serbien ein so niedriges Ziel angegeben hat, warum sollen wir es uns schwerer machen?'", fügte er hinzu.

Die Energiewirtschaft in Serbien ist um 70% von Kohle abhängig und hat stark in Modernisierungs- und Neubaumassnahmen, die alternde Infrastrukturen ersetzen sollen, investiert. Umweltschützer sprechen von einer neue Welle von Industriebauten. Erst kürzlich wurde ein Vertrag mit China über $600m [€527m] abgeschlossen, um ein neues 350MW-Kraftwerk in Kostolac zu errichten.

Dieser Artikel ist Teil einer Partnerschaft mit dem Guardian im Ramen seiner Keep it in the ground Kampagne.

Deutsche Übersetzung von Helle Kuhlenkamp, DVÜD
Zusätzliche Übersetzungen von Christoph Maier

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