Tsipras hat seine letzten Jetons verspielt

Mit seiner Ankündigung eines Referendums am 5. Juli über eine Reihe von Sparmaßnahmen, die von den Gläubigern Griechenlands im Gegenzug für neue Rettungspläne verlangt werden, hat der griechische Premier Misstrauen bei den Euro-Partnern verbreitet und sein Land an den Rand eines wirtschaftlichen Desasters gebracht.

Veröffentlicht am 30 Juni 2015 um 09:01

Premierminister Alexis Tsipras verspielte seine letzten Jetons und das Land bekommt schon die Ergebnisse zu spüren. Sollte er sich mit einer Rückkehr Griechenlands zur Drachme abgefunden haben, könnte man in seinem Handeln Logik erkennen – zwar nicht für das Land oder die Bevölkerung, sondern für ihn persönlich. Wenn nicht, dann müssen wir, bevor es zu spät ist, eine Kehrtwende vollziehen.

Tsipras wird sich an das griechische Volk wenden müssen und eingestehen müssen, dass er seine letzten Jetons verspielt hat, da er gedacht hat, dass das Volk das wollte; danach wird er die Verluste und Gewinne seiner Strategie erklären müssen. Er wird den Mut finden müssen, jeden Lösungsvorschlag, der ihm in letzter Minute gemacht wird, anzunehmen. Und das wird viel Mut verlangen.

[[Je länger Tsipras wartet, desto mehr verschlechtert sich die Lage im Land.]] Jene, die Griechenland im Chaos sehen wollen, werden ihm danken. Jene überlastete Griechen, die an falsche Versprechen und falsche Tapferkeit glauben, ebenfalls. Jedoch wird zur selben Zeit Griechenland weiter in den Abgrund stürzen – und das schnell.

Tsipras könnte immer noch eine kleine Chance haben, diese Geschehnisse zu verhindern – vor allem, wenn er ein weiteres Angebot erhält. Doch es ist bei weiten nicht sicher, dass es dazu kommt.

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In Brüssel und in den anderen europäischen Hauptstädten haben die Verantwortlichen das Vertrauen in ihn komplett verloren. Er verwendete derart viele brutale Wörter gegen jeden und sprach derart negativ darüber, was eine Einigung mit sich bringen könnte, dass es aussieht als hätte er sämtliche Brücken [mit seinen Amtskollegen] zerstört.

Selbst wenn er einen neuen Vorschlag bekommt – wer wird ihm Zutrauen, die Umsetzung einer etwaigen Einigung auf sich zu nehmen?

Sollte, auf der anderen Seite, sein Ziel sein, als linker Held die Bühne zu verlassen – es tut mir leid, aber da hat er eine sehr kostspielige und zerstörerische Art gefunden, das zu tun.

Die Europäer müssen verstehen, dass Griechenland mehr ist, als Tsipras; und dass die Griechen nicht alle auf einmal verrückt geworden sind.

Dass die Wähler einen Politiker wie Tsipras gewählt haben deutet darauf hin, dass manche Institutionen oder wichtige Verantwortliche schwerwiegende Fehler gemacht haben.

Tsipras weiß das, und er nutzt die Verzweiflung der Menschen aus und nimmt an, sie können alles verkraften – auch eine Rückkehr zur Drachme.

Das Ergebnis ist, dass wir nun zur Hälfte aus dem Euro geschieden sind. Sollte Tsipras ein Angebot erhalten und ablehnen, ist Griechenland draußen.

Wenn die Menschen am Sonntag „ja“ wählen, wird nur wenig Zeit bleiben, diesen Trend umzukehren. Wenn unsere Partner das nicht sehen, wird die Bevölkerung zerstörerischen Kräften zum Opfer fallen.

Aus dem Griechischen von Alexia Kefalas.
Aus dem Englischen von Yann Schreiber.

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