Nachrichten Automobilindustrie und Klimawandel

Schärfere Abgas-Vorschriften notwendig, um EU Ziele zu erreichen

Wenn die Europäische Union die Verschmutzung durch Autoabgase nicht in Angriff nimmt, wird sie ihre Ziele zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis 2025 verfehlen. Einige Länder machen Druck, ehrgeizige neue Ziele zu vereinbaren. Andere dagegen bremsen – allen voran Deutschland.

Veröffentlicht am 27 Juli 2015 um 19:38

Vier Mitgliedstaaten sprechen sich dafür aus, dass sich die EU bis 2025 weitreichende Ziele hinsichtlich der Energieeffizienz von Neuwagen setzt, um die Mobilitätskosten für die Verbraucher zu senken und den Klimawandel zu bekämpfen.

Die Minister für Umwelt und Verkehr der Niederlande, Irlands, Schwedens und Finnlands haben sich mit einem Schreiben an die EU-Kommission gewandt mit der Aufforderung, dieses Ziel für 2025 solle im kommenden Jahr festgesetzt werden. Und zwar zusätzlich zum aktuellen Ziel, das bis 2021 den durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf 95g pro Kilometer pro Hersteller begrenzt. 2014 lag der Durchschnitt bei 123,4g CO2/km.

“Neue ehrgeizige Ziele für 2025, flankiert von einem Maßnahmenpaket zur Versorgungsinfrastruktur und anderen Fragen, werden den Übergang zu abgasfreien Pkw-Antrieben begünstigen”, heißt es in dem Schreiben, das der Guardian einsehen konnte. “Diese Ziele sind entscheidend für den Anreiz zu neuen Innovationen im Bereich der Entwicklung und Verbesserung von Fahrzeugen mit Elektro-, Wasserstoff- und Hybridantrieb”.

Eine parteiübergreifende Gruppe von 11 Europaabgeordneten hat ebenfalls an den EU-Kommissar für Klima und Energie, Miguel Arias Cañete, geschrieben und gefordert, er solle bestätigen, dass er schon nächstes Jahr die neuen Ziele für Energieeffizienz für die 2020er-Jahre ankündigen werde.

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Der Chef von Renault-Nissan, Carlos Ghosn, hat Anfang Juli gegenüber dem Guardian bestätigt, er könne das Produktionsvolumen für Elektrofahrzeuge nicht vorhersagen, solange die EU, die Vereinigten Staaten und China nicht ihre Karten in Bezug auf den für 2030 angestrebten Kraftstoffverbrauch offen legten.

Solche Einlassungen stecken den Rahmen für den aktuellen Kampf um Vorschriften ab, in dem Deutschland sich den ehrgeizigen Zielen im Interesse von Herstellern wie BMW und Daimler entgegenstellen dürfte.

Bei den letzten Verhandlungen über Energieeffizienz in der Automobilindustrie vor zwei Jahren hat Kanzlerin Angela Merkel mit harten Bandagen gekämpft und erreicht, dass die Begrenzung des Abgasausstoßes, auf die sich die anderen Länder verständigt hatten, zunächst eingefroren und anschließend sogar gelockert wurde.

Dieses Mal allerdings sind sich mehrere EU-Länder sehr bewusst, dass Europa mit den bescheidenen Selbstverpflichtungen zu erneuerbaren Energien und zur Verbesserung der Energieeffizienz nicht die 40% Reduzierung des CO2-Ausstoßes erreichen wird, zu denen sich die Regierungschefs verpflichtet haben.

Auch die Automobilindustrie ist sich dessen wohl bewusst und hat sich vorsichtshalber mit Umwelt- und Verbraucherschutzanwälten beraten, um eine subtilere Gegenwehr gegen die Pflicht zur Abgassenkung zu erarbeiten.

Der Verband europäischer Automobilhersteller ACEA, der die wichtigsten Automarken vertritt, bestätigt seinen Versuch, eine ebenso breite wie neuartige Allianz auf die Beine zu stellen, die alternative Ideen für ein Ziel für 2025 erarbeiten soll.

“Die technologischen Möglichkeiten der Automobilindustrie, die Abgase noch weiter zu senken, sind begrenzt, wir müssen also alle Beteiligten von vorne herein mit einbeziehen, um ein ehrgeizigeres Programm zum Klimawandel auszuarbeiten”, erklärte ein Sprecher.

Ein Positionspapier des ACEA machte kürzlich Vorschläge zur Senkung des Abgasausstoßes bei jeder Flottenerneuerung, eines häufigeren Einsatzes von Biokraftstoffen, “intelligenter” Verkehrssysteme und der Verpflichtung für Autofahrer zu Kursen in ökologischem Fahren. Dabei soll dem Fahrer vermittelt werden, wie er sein Fahrverhalten ändern kann, indem er vorausschauender fährt, langsamer und sanfter beschleunigt, den Fuß früher vom Gas nimmt und nicht beim Zufahren auf eine Ampel beschleunigt.

“Es ist nachgewiesen, dass das Vermitteln von ökologischem Fahren wirksam ist, aber nur für eine kurze Zeit”, meint Greg Archer, ein Sprecher der NGO „Verkehr und Umwelt“ (T&E): “Unmittelbar danach fahren die Leute sparsamer, aber sie kehren recht schnell zu ihrem gewöhnlichen Fahrstil zurück”.

Eine aktuelle Analyse von T&E hat ergeben, dass die Energieeffizienz-Ziele bei Kfz für 2025 und 2030 fast die Hälfte des Anteils des Verkehrssektors am Klimaziel für 2030 beitragen könnten. Ohne diese würden eine massive Anhebung der Kraftstoffsteuern, neue Mautgebühren oder tiefgreifende Reformen der Verkehrsplanung notwendig.

Die Automobilhersteller ihrerseits behaupten, dass alle leicht umzusetzenden Maßnahmen, um den Abgasausstoß zu senken, bereits getroffen seien – und zwar auf Kosten der Industrie – und dass jeder weitere Schritt auf den Übergang zu Elektrofahrzeugen abzielen müsse.
Eine europäische Quelle, die anonym bleiben möchte, bezeichnet dieses Argument als “Desinformation”, denn Forschungen hätten ergeben, dass hybride Dieselantriebe bis 2035 den CO2-Ausstoß auf 65g/km drücken könnten.

“Das ist kompletter Unsinn”, fügt der Europabeamte hinzu: “Es gibt durchaus das technische Potential, um Verbrennungsmotoren noch deutlich zu verbessern.”

2013 hat sich die Kommission dazu verpflichtet, die Grenzwerte für 2025 (68-78g CO2/km für Neuwagen) im nächsten Jahr zu überprüfen. Diese Überprüfung ist noch nicht abgeschlossen.

Dieser Artikel wurde im Rahmen der Partnerschaft zwischen VoxEurop und der Initiative des Guardian Keep it in the ground zugunsten der Abkehr von Kohle veröffentlicht.

Deutsche Übersetzung von Laura Schillings, DVÜD

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