Bisher fanden die Diskussionen rund um ”Brexit” vor der Öffentlichkeit verborgen, hinter den geschlossenen Türen des Europäischen Rates, statt. Diese Instanz vereint die Staatschefs und die Regierungen und ist Zeuge einer seltsamen Feilscherei. Der Premierminister David Cameron hat hier seinen Kollegen [vier Anfragen unterbreitet] (4995983).
Wenn diese während der Verhandlungen nicht in einem Sinn statt gegeben wird, den David Cameron als positiv empfindet, so würde er sich dazu gezwungen fühlen, nicht mehr das Verbleiben des Vereinigten Königreichs in der EU zu verteidigen. Es gibt keinen Zweifel an der Fähigkeit unserer nationalen Oberhäupter, einen Kompromiss „à l'européenne“ zu finden - wahrscheinlich nach einer letzten tragischen Nacht in Brüssel. Die Debatte verdient währenddessen mehr als ein Feilschen zwischen intelligenten Personen.
Sie setzt die Zukunft Europas aufs Spiel: Ob es zu einem wirtschaftliches Bündnis wird oder zu einer Einheit zusammenwächst. Die Medien als Gegenmacht haben somit eine wichtige Rolle zu spielen, damit die europäischen Bürger ihre Zukunft aktiv mitgestalten können.
Die "Brexit"-Debatte hat zudem eine echte europäische Dimension. Sie darf damit nicht nur innerhalb der britischen Grenzen stattfinden. Selbst wenn wir in aufgeteilten öffentlichen Räumen leben: Genau dies ist die Herausforderung für Europa. Die Bürger seiner Majestät Elisabeth II werden jedenfalls nicht über das abstimmen, was David Cameron während der Verhandlungen mit seinen Partnern in Brüssel erreicht hat. Sie werden über ihre Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft in der Europäischen Union im Ganzen abstimmen.
Wenn jedoch, entgegen aller Erwartungen, dass „OUT“ dem „IN“ unterliegt, wäre dies ein gewaltiger Paukenschlag in diesem angeblich so wenig von seinen Bürgern geliebten Europa sein. Die echte, seit der Vergrößerung von 2004 blockierte, politische Integration - und nicht die französische und niederländische von 2005 - könnte beginnen.
Im Fall eines Sieges des „OUT“, besteht die Gefahr für einen Rückbau Europas. Das wäre ein Signal für alle nationalen Egozentriker, dass sie vollkommen Recht hatten, seit einigen Jahren ihre Nase zu zeigen. Dies wird wohl für alle heute vermischten Bevölkerungen zahlreiche juristische Gehirnzerbrechen bereiten. Sowohl für die europäischen Arbeiter auf britischem Boden als auch für die erste Migrantengruppe Europas, den Rentnern aus dem Vereinigten Königreich, die sich in großer Anzahl auf dem Kontinent niedergelassen hat.
Die Informationsübermittlung ist von grundlegender Wichtigkeit, um verstehen zu können, wie die Briten sich bei der Wahl entscheiden werden. Denn eine Berichterstattung aus britischer Sichtweise wird nicht ausreichend sein, da (vor allem) die englischen Zeitungen den Euroskeptizismus sehr unterstützen. Die Sicht wäre verformt und würde bei der Debatte nicht hilfreich sein.
Die Behandlung des Referendums durch die Medien muss ehrgeizig sein und über die britischen Inseln heraus reichen. Zuerst durch das Entziffern der nationalen Herausforderungen dieser Abstimmung, denn die Zukunft David Camerons in der Downing Street hängt davon ab. Dann durch ihre Auswirkung auf Europa. Aber auch, und vor allem, die Konsequenzen, die diese Abstimmung für alle anderen europäischen Bürger hat, und ihre Meinung dazu.
Dieser letzte Aspekt ist für unsere nationalen Medien eine schwierige Herausforderung. Sie haben häufig Schwierigkeiten damit "europäisch" zu denken, selbst wenn man von Europa spricht. Leider ist ein Austausch zwischen den Journalisten der verschiedenen Länder noch zu selten. Aber wie kann man mit einer nationalen Sichtweise Europa konstruieren? Das ist durch "Brexit"die neue, spannende Herausforderung für die europäische Presse.