Ferran Pestaña - Alle Rechte vorbehalten

Und Europas Natur schwindet...

Bis 2010 wollte die Europäische Union den Artenschwund auf dem Kontinent zum Stillstand bringen. Eine erste Bilanz zeigt jedoch: das Ziel kann nicht erreicht werden.

Veröffentlicht am 13 Mai 2009 um 09:01
Ferran Pestaña - Alle Rechte vorbehalten

Es ist immer riskant, Bilanz zu ziehen. Stavros Diomas, EU-Kommissar für Umweltpolitik, unterzog sich der Prozedur am 27. und 28. April in Athen, vor der Elite der Experten in Sachen Biodiversität. Diese Bilanz war dringend geboten – nicht nur weil das Mandat der Kommission in ein paar Wochen ausläuft, sondern auch weil man sich vor sieben Jahren auf internationaler Ebene den fast schon vor der Tür stehenden Termin 2010 vorgegeben hatte, um die Fortschritte im Kampf gegen den Artenschwund und den Verfall der Ökosysteme auf allen Kontinenten unter die Lupe zu nehmen.

Das hatten sich zumindest die Vereinten Nationen vorgenommen – die Europäische Union (EU) war noch einen Schritt weiter gegangen und wollte bis 2010 "die Erosion der biologischen Vielfalt stoppen". Die Bestandsaufnahme durch Jacqueline McGlade, Leiterin der Europäischen Umweltagentur (EEA), zeigt, dass ein bisschen Bedachtsamkeit den Europäern erspart hätte, sich heute zu einer echten Niederlage bekennen zu müssen. "Das Ziel für 2010 kann nicht erreicht werden und die europäische Biodiversität bleibt weiterhin stark bedroht", bestätigte die EEA-Chefin.

40 bis 70 Prozent der Vogelarten und 50 bis 85 Prozent des Lebensraumes für die europäische Fauna und Flora befinden sich heute in einer "kritischen Situation", so die Zahlen eines Berichts, den die Agentur bald veröffentlichen will.

Wurde der Untergang der Natur aufgrund fragmentierter Landschaften, der Ausdehnung von Städten und Straßen und der intensivierten Landwirtschaft denn wenigstens verlangsamt? Die Diskussion bleibt offen.

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"Seit der vorindustriellen Zeit ist die Natur weltweit um die Hälfte zurückgegangen, und sie schwindet weiter, im Durchschnitt jährlich um ein Prozent. Vielleicht ist dieser Prozentsatz in Europa seit der Entstehung von Natura 2000 ein bisschen niedriger", meint Andrew Balmford, Professor an der britischen Universität Cambridge. Mit 25.000 Zonen auf 17% der EU-Fläche ist Natura 2000 weltweit das größte Netz von Schutzgebieten. Doch dieses Vorzeigeprogramm ist vor allem dazu vorgesehen, die so genannten "besonderen" Arten zu erhalten, nicht die biologische Vielfalt, die man als "gewöhnlich" bezeichnen könnte und die den meisten Zwecken der Ökosysteme zugrunde liegt.

Im Jahr 2006 verabschiedete die EU einen Aktionsplan zum Schutz der Biodiversität. Doch die Umsetzung des Plans ließ zu wünschen übrig. "Dieser Plan ist in keiner Weise bindend. Das ist seine große Schwäche. Ohne Androhung von Strafmaßnahmen ist es illusorisch anzunehmen, dass sich Regierungen oder Wirtschaftsakteure für die Biodiversität einsetzen", bemerkt Tony Long vom World Wide Fund for Nature (WWF).

"Die Klimaveränderungen und der Verfall der Biodiversität stehen in engem Zusammenhang, diesen beiden Krisen muss die gleiche Bedeutung beigemessen werden", plädierte Stavros Dimas. Die Ökosysteme spielen in der Tat eine tragende Rolle in der Regulierung des Klimas. Die Fachwelt ist der Meinung, dass sie die Hälfte der menschlich verursachten Treibhausgas-Emissionen absorbieren.

In Athen riefen EU- Kommission und Wissenschaftler die Bewohner Europas dazu auf, ihre Bemühungen noch zu verstärken und sich bezifferte, branchenspezifische Ziele zu setzen – in Landwirtschaft, Versorgung, Raumordnung usw. –, die dann tatsächlich dazu führen können, die Zerstörung der Natur aufzuhalten. Brüssel dürfte demnächst eine Kampagne starten, um die europäischen Bürger zu sensibilisieren. Laut einer Umfrage im Auftrag der Kommission war 75 Prozent von ihnen die Bedeutung des Wortes Biodiversität noch nicht bekannt.

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