Manche nennen sie die „Revolution AG“. Sie haben Aktivisten und Widerständler aus den meisten diktatorischen Regimes dieser Welt ausgebildet. Ihre Methoden wurden fast überall zur „Waffe“, von der Rosenrevolution in Georgien 2003 bis zur Tulpenrevolution in Kirgisien. Und heute bei den Aufständen, die über die arabische Welt hinwegfegen.
„Es stimmt. Wir haben unter anderem junge Leute der 6.-April-Bewegung ausgebildet“, vertraut uns Srda Popovic an, Leiter von CANVAS (Center for applied nonviolent action and strategies, Zentrum für angewandte gewaltfreie Aktionen und Strategien) in Belgrad. Die Führungskräfte dieser Organisation sind zumeist Veteranen der zivilen Widerstandsbewegung Otpor!.
Doch will sich Srda nicht mit fremden Federn schmücken und wird fast böse, als man ihn fragt, ob Otpor! Revolutionen exportiere. „Wir haben doch keine fertigen Revolutionen im Koffer. Es sind Revolutionen der Völker. Die ausländischen Berater haben damit nichts zu tun. Die Menschen haben für ihre Freiheit ihr Leben riskiert. Der Sieg gehört ihnen allein. Hundertprozentig. Punkt.“
Spezialist für zivilen Ungehorsam
Srda Popovic ist seit langem ein Spezialist für zivilen Ungehorsam und friedlichen Widerstand. 1998, mit 25 Jahren, gründet er mit einem Dutzend Kommilitonen seines Biologiestudiums Otpor!. Milosevic ist seit fast zehn Jahren an der Macht und schickt sich an, mit dem Kosovo einen Krieg anzuzetteln.
In der Mensa der Universität Belgrad erarbeiten sie die Regeln für eine neue Widerstandsbewegung, inspiriert von Mahatma Gandhi sowie dem Kampf gegen die Apartheid. Dabei gelingt es ihnen, ihrer Bewegung einen jungen Schick zu verleihen, der auch nicht politisierte junge Menschen anzieht. Fantasievolle Aktionen, die auf wachsendes Medieninteresse stoßen, werden ihr Markenzeichen. Sie fordern das Regime heraus und prangern es an. Soldaten und Polizisten treten sie mit Rosen entgegen. Otpor hat begriffen, dass Milosevic ausgespielt hat, wenn er den blinden Rückhalt von Armee und Polizei verliert.
Diese Methoden und diese Botschaft vermitteln wir heute Aktivisten aus aller Welt“, erklärt Sdra Popovic. „In unseren Kursen fragen wir sie, wer die Stützen ihrer Regimes sind. Dann sagen wir ihnen: ‚Greift diese nicht an, das führt nur zu Gewalt. Versucht lieber, sie für euch zu gewinnen.’“
Arsenal an Instrumenten für die Revolution
Gleich zu Anfang der Proteste gegen Husni Mubarak konnte man in Kairos Straßen und auf dem Tahrir-Platz Mitglieder der 6.-April-Bewegung sehen, die Fahnen mit Otpor!-Emblem schwangen: eine geballte weiße Faust auf schwarzem Grund. Zu den Aktivisten gehörte Mohammed Adel, ein 22-jähriger Blogger. „Ich bin in Serbien gewesen und habe mich dort über Formen des gewaltfreien Widerstands informiert. Ich wollte wissen, wie man sich am besten der Brutalität der Sicherheitskräfte entgegenstellt“, sagte er in einem Interview mit Al-Jazeera.
Als er Ende 2009 nach Ägypten zurückkehrt, hat er in seinem Koffer ein Handbuch über subversive Aktionen dabei. Er gibt es an Mitglieder der 6.-April-Bewegung und der oppositionellen Kifaja-Bewegung weiter. Nur knapp ein Jahr später sollte das Buch Anwendung finden. Srda Popivic betont, dass die „people power“ entscheidend sei. Jede Revolution sei anders, aber es gebe ein Arsenal an Instrumenten, die überall Anwendung finden können. „Jedes Regime, auch das tyrannischste, kann gewaltfrei gestürzt werden“, versichert sei. (js)